LEBEN MEINER TOCHTER, DAS | Das Leben meiner Tochter
Filmische Qualität:   
Regie: Steffen Weinert
Darsteller: Christoph Bach, Maggie Valentina Salomon, Alwara Höfels, André M. Hennicke, Barbara Philipp, Marc Zwinz, Zara-Rachel Schöneck, Marleen Lohse
Land, Jahr: Deutschland 2019
Laufzeit: 92 Minuten
Genre:
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 6/2019


José Garcia
Foto: Camino /CCC Filmkunst

Das Herz der achtjährigen Jana (Maggie Valentina Salomon) bleibt eines guten Tages einfach stehen. Sie überlebt zwar, aber bleibt an ein kühlschrankgroßes Herzunterstützungssystem angeschlossen, bis ein Spenderherz gefunden wird. Ein Jahr später hat sich nichts geändert: Kein Spenderherz ist in Aussicht, und Jana wird immer schwächer. Die Eltern Natalie (Alwara Höfels) und Micha (Christoph Bach) beginnen, an andere Möglichkeiten zu denken. Nachdem die behandelnde Ärztin Dr. Andrea Benesch (Barbara Philipp) Natalie auf die möglichen Risiken einer solchen illegalen Spende hingewiesen hat, verzichtet Janas Mutter auf solche "Umwege". Nicht so aber Micha, der sich an einen Organhändler wendet, der ihm ein Spenderherz im Ausland in Aussicht stellt. So macht sich Micha mit Jana auf den Weg nach Rumänien zum deutschen Arzt Dr. Ferdinand Bix (André M. Hennicke), riskiert aber nicht nur seine Firma und eine Gefängnisstrafe, sondern auch seine Ehe. Janas Vater muss sich die Frage stellen, wie weit er bereit ist zu gehen, um das Leben seiner Tochter zu retten.

Drehbuchautor und Regisseur Steffen Weinert stellt in seinem zweiten Langspielfilm die gesamte Inszenierung mit ihren klaren Bildern, dem ruhigen Schnitt und der zurückgenommenen Filmmusik in den Dienst der Figurenzeichnung. Nichts soll von dem Hauptsujet ablenken. Denn von Anfang an wird es dem Zuschauer klar, dass Jana nicht lange mit der Herzunterstützungsmaschine wird leben können, dass mit jedem Tag, der vergeht, die Überlebenschancen der Achtjährigen immer kleiner werden.

Die anfangs so harmonische Ehe von Natalie und Micha droht unter dem moralischen Konflikt zu zerbrechen, dem sich die Ehepartner ausgesetzt sehen. Denn über die rechtlichen Konsequenzen und die medizinischen Risiken einer illegalen Organspende hinaus geht es insbesondere um eine Entscheidung auf der moralischen Ebene. Auch darin lässt Steffen Weinert gar keinen Zweifel aufkommen. Auf Michas Entscheidung läuft es letzten Endes hinaus, ja sie steht im Mittelpunkt von "Das Leben meiner Tochter".


Interview mit Drehbuchautor und Regisseur Steffen Weinert zum Spielfilm "Das Leben meiner Tochter"


Sind Sie bei der Drehbuchentwicklung von einem konkreten Fall oder eher von der theoretischen Beschäftigung mit dem Thema Organspende ausgegangen?

Ich bin von einem sehr konkreten Fall ausgegangen: Ich habe einen Zeitungsartikel gelesen, in dem es um ein Kind in Janas Alter ging, das sich in genau einer solchen Situation befindet. Es war an eine Herzunterstützungsmaschine angeschlossen, und wartete auf ein Spenderherz, das einfach nicht kommt. Den Rest — insbesondere die Figuren — habe ich mir natürlich ausgedacht.

Der Film erzählt eher aus der Vater- als aus der Mutterperspektive. War das von Anfang an so geplant, oder hat es sich im Laufe des Schreibens ergeben?

Es war schon sehr bald klar, dass ich aus der Perspektive des Vaters erzählen will. Ich wollte eigentlich über einen Mann erzählen, dessen Tunnelblick immer enger wird. Ich wollte über jemand erzählen, der sich verrennt und Fakten ausblendet, der seinem Ziel zusteuert, egal über welche moralischen Grenzen er dafür gehen muss.

Zwischen Vater und Mutter gibt es Unterschiede, ja Konflikte in der Bewertung der Frage, inwieweit man gehen kann ...

Als das Thema zwischen den beiden aufkommt, dass man vielleicht auf anderem als dem legalen Weg ein Organ für das Kind besorgen könnte, beschäftigt sich Natalie schon mit der Frage. Sie ist aber im Zweifel und lehnt es ab. Nachdem Komplikationen mit der Krankheit eintreten, ist sie dafür, weil sie das Gefühl hat, es passiert nichts. Aber nach einem ausführlichen Gespräch mit der Ärztin Dr. Benesch, das wir nicht sehen — wir sehen nur Natalies Reaktion beziehungsweise das Gespräch mit ihrem Mann Micha — entscheidet sie sich dagegen. Micha blendet die möglichen Konsequenzen fast bis zum Schluss aus.

Eigentlich könnte man meinen, dass die unbedingte Liebe einer Mutter sie eher dazu bringt, alles zu unternehmen, ja sogar über bestimmte Grenzen zu gehen. Warum der Vater?

Micha geht ein großes Risiko ein. Die Möglichkeit, ein Organ illegal zu besorgen, bringt viele eventuelle Komplikationen mit sich. Ich hätte die Rollen genauso gut anders verteilen können. Ich musste sie ja gegensätzlich anlegen, sonst funktioniert der Konflikt nicht. Die Rollenverteilung wurde mir auch von einem Kardiologen bestätigt. Denn er meinte, der Vater sei wohl derjenige, der in Aktionismus verfällt, etwas unternehmen will. Die Mutter kümmere sich um das Wohl des Kindes, um die Situation hier und jetzt.

Interessant ist der Film deshalb auch, weil er aus der Betroffenenperspektive erzählt. Steht für Sie das menschliche Dilemma, in dem sich die Eltern befinden, im Vordergrund?

Auf jeden Fall. Die Ausgangssituation mit dem ausbleibenden Organ ist eine Art Folie, auf der der Film beginnt. Aber der zentrale Konflikt ist die moralische Frage, vor der die Eltern stehen. Das ist es, warum ich den Film machen wollte. Wenn man Eltern fragt: Was würdet Ihr für Euer Kind tun?, antworten sie normalerweise reflexartig: "Alles". Der Film führt aber genau zu einem Punkt, an dem diese Frage neu gestellt werden muss.

Wenn es darum geht, sich über in der Bundesrepublik geltende Gesetze hinwegzusetzen, müsste sich wohl jeder fragen, woher das neue Organ herkommt ...

Die Ärzte sprechen von Lebendspenden: Eine Niere kann man abgeben. Aber es gibt auch Organe, bei denen keine Lebendspende möglich ist.

Mussten Sie deshalb bei der Recherche vorsichtig vorgehen?

Ich habe hauptsächlich übers Internet recherchiert, und über unterschiedliche Fälle gelesen. Aber ich bin kein Reporter, kein investigativer Journalist, der echte Fälle aufdeckt. Der Film ist ja eine fiktionale Erzählung, wenn auch ich versucht habe, etwa medizinische Details so plausibel wie möglich darzustellen. Dennoch sollte nicht das Medizinische im Vordergrund stehen. Im Vordergrund sollten die Figuren stehen.

Im Film spielt auch die Frage eine Rolle, ob und wie mit Kindern über den Tod geredet werden soll. Haben Sie dies bewusst eingefügt?

Ja, das war ganz bewusst. Ich hatte für ein früheres Projekt sehr viele Erfahrungsberichte über Kinder und von Kindern gelesen, die wissen, dass sie sterben werden. Es war für mich sehr erstaunlich zu sehen, wie schnell sie es akzeptieren. Ganz im Gegensatz zu den Eltern, die es gar nickt akzeptieren wollen und können. Es war auffällig, dass die Kinder die Eltern fast getröstet haben. Diese Dinge habe ich in den Film aufgenommen. In der Situation, in der sich Jana mit ihrer Krankheit befindet, ist ein naheliegender Gedanke, sich tatsächlich damit zu beschäftigen. Das macht sie freilich von sich aus. Nicht die Eltern reden mit ihr über den Tod, sondern sie geht von alleine los, und will etwas in Erfahrung bringen. Das ist ihre Reise.
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