COFFEE AND CIGARETTES | Coffee and Cigarettes
Filmische Qualität:   
Regie: Jim Jarmusch
Darsteller: Roberto Benigni, Steven Wright, Joie Lee, Cinque Lee, Steve Buscemi, Iggy Pop, Tom Waits, Cate Blanchett, Alfred Molina, Steve Coogan
Land, Jahr: USA 2004
Laufzeit: 96 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: --


JOSÉ GARCÍA
Foto: Pandora Film

Jim Jarmusch avancierte in den achtziger Jahren zum Inbegriff des amerikanischen Autorenfilmers: „Permanent Vacation“ (1980), „Stranger Than Paradise“ (1983) und „Down By Law“ (1986) wurden zu so genannten „Kultfilmen“ einer Generation, die zum „neuen Hollywood“ von Georges Lukas und Steven Spielberg einen Kontrapunkt suchte. In der Tat stellten die Hauptfiguren der Filme Jarmuschs so etwas wie den Gegenentwurf zu den strahlenden Helden Luke Skywalker und Indiana Jones dar. Statt im Weltall und in exotischen Gefilden bewegten sie sich in einer Welt, die genau das Gegenteil dessen darstellte, was Reiseprospekte für die Vereinigten Staaten versprechen: Die schmutzigen Straßen New Yorks oder der verlassene Strand Floridas etwa, die der in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnete „Stranger Than Paradise“ genüßlich ins Bild rückt, sowie die tristen Fassaden Louisianas, an denen in „Down By Low“ die Kamera entlang fährt, zeigen so etwas wie die Gegenseite des „amerikanischen Traums“.

Ehe Jarmusch seinen nächsten Langfilm „Mystery Train“ (1989) realisierte, drehte er einen 6-minütigen Kurzfilm für eine amerikanische TV-Show: Roberto Benigni und Steven Wright treffen sich in einem Café an einem Schachbretttisch voller Kaffeetassen, rauchen und reden ununterbrochen über den Genuss von Kaffee und Zigaretten. „Strange to meet you“ heißt dieses Kammerspiel, bei dem nichts anderes zu sehen ist als die beiden Schauspieler, der runde Kaffeetisch und schmutzige Wände. Die kontrastreich schwarz-weißen, streng komponierten Bilder begeisterten das Publikum auf etlichen Filmfestivals. Beflügelt durch diesen Erfolg drehte Jarmusch 1989 und 1993 zwei weitere Kurzfilme mit derselben Grundkonstellation und ähnlich skurrilen Geschichten: „Coffee and Cigarettes: The Memphis Version“ sowie „Coffee and Cigarettes: Somewhere in California“. Nahm sich der zweite Film – in dem Steve Buscemi einen Kellner spielte – etwas hölzern aus, so wurde „Somewhere in California“ wieder ein großer Erfolg, der 1993 in Cannes mit der Goldenen Palme für den Besten Kurzfilm ausgezeichnet wurde. In „Somewhere in California“ versichern sich stolz die Musiker Tom Waits und Iggy Pop gegenseitig, das Rauchen aufgegeben zu haben, um kurz darauf eine Zigarette nach der anderen zu rauchen. Wundervoll stellt Tom Waits die Verletzlichkeit des Künstlers dar, der alle Aussagen seines Gegenübers als versteckte Angriffe aufnimmt.

Zehn Jahre lang ruhte dann Jarmuschs Projekt, bis er im Jahre 2003 acht weitere Episoden drehte, um mit den drei früheren Kurzfilmen zusammen einen abendfüllenden Episodenfilm zu gestalten. Die Grundkonstellation ist dieselbe geblieben, obwohl nicht immer Kaffee, sondern auch – horribile dictu – ein- oder zweimal Tee getrunken wird: Jarmusch hat bekannte Schauspieler wie Cate Blanchett, Bill Murray, Alfred Molina, aber auch in Europa weniger bekannte Größen aus der Musikszene zu zweit oder zu dritt auftreten und über alles Mögliche reden lassen. Wie schon in „Somewhere in California“ zieht sich durch die meisten dieser Kurzfilme wie ein roter Faden die Kritik am Starkult, das Spiel mit Eitelkeiten. Dies wird besonders deutlich in den zwei Episoden mit fast gleichlautendem Titel. In „Cousins“ spielt Cate Blanchett eine Doppelrolle: den Star Cate sowie ihre Cousine Shelly, die sich während einer kurzen Interviewspause in einem Luxushotel treffen. Wirkt Shelley zunächst neidisch auf ihre erfolgreiche Kusine, so stellt sich im Laufe des zehnminütigen Dialogs heraus, dass der Star im Grunde nur ein Snob ist. In „Cousins?“ gibt sich der Erfolgreichere zunächst distanziert, bis er als arroganter Karrierist dekuvriert wird.

Selbstverständlich sind nicht alle Episoden gleich gelungen, einige sind richtig lustig, andere stimmen eher nachdenklich, wobei sich die Grundstimmung immer mehr verdunkelt. Trotz der zeitlichen Distanz über einen Zeitraum von achtzehn Jahren hinweg und der Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Kameraleuten, überrascht die Einheitlichkeit der Episoden: Diese erinnern an Variationen eines Musikstücks und laden zum Mitdenken ein, um Wiederholungen und Unterschiede auszumachen – eben zu einem „mental-verbalen Schach“, wie Jarmusch selbst seinen Film bezeichnet.
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