EL PRESIDENTE | El Presidente
Filmische Qualität:   
Regie: Armando Bó
Darsteller: Andrés Parra, Karla Souza, Paulina Gaitán, Alberto Ajaka, Luis Gnecco, Sergio Hernández, Millaray Lobos, Luis Margani, Agustín Moya, Anita Reeves, Jean Pierre Noher, Federico Liss, Abián Vainstein
Land, Jahr: Mexiko 2020
Laufzeit: 450 Minuten
Genre:
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: G, D, S, X
im Kino: 7/2020


José Garcia
Foto: Amazon Prime Video

Zürich, 27. Mai 2015. In den frühen Morgenstunden verhaften Beamte des Schweizer Bundesamts für Justiz sechs hochrangige FIFA-Funktionäre im Hotel Baur au Lac; im Laufe des Vormittags wurde noch eine weitere Person festgenommen. Der in Anlehnung an die "Watergate-Affäre" genannte "FIFA-Gate"-Skandal hatte seinen Höhepunkt erreicht. Vordergründig ging es um Bestechungsgelder im Zusammenhang mit der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland und 2022 in Katar. Am selben Tag wurden auf Anordnung der Schweizer Bundesanwaltschaft im FIFA-Hauptquartier Unterlagen im Zusammenhang mit den erwähnten WM-Vergaben sichergestellt.

Dahinter stehen allerdings Korruptionsvorwürfe, die seit der Amtsübernahme seitens Joseph Blatter 1998 als Nachfolger des legendären João Havelange (1916-2016, FIFA-Präsident 1974-1998) immer wieder laut wurden. In den Jahren 1991 bis 2015 sollen FIFA-Funktionäre etwa 150 Millionen US-Dollar Schmiergelder erhalten haben.

Soweit die Tatsachen. Erzählt werden sie in der achtteiligen mexikanischen Serie "El Presidente" aus der Sicht des chilenischen Fußballverbands-Präsidenten Sergio Jadue, dessen Aufstieg und Fall Serienentwickler Armando Bó mit der Korruptionshandlung in den höchsten Fußballsphären verknüpft. Für die erzählerische Rahmenhandlung findet Armando Bó, der als Mit-Drehbuchautor von "Birdman oder (die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)" (siehe Filmarchiv) mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, einen originellen Ansatz: eine Off-Stimme aus dem Jenseits. Sie gehört dem 2014 verstorbenen argentinischen Verbandspräsidenten Julio Grondona (Luis Margani), dessen Beerdigung nach einer kurzen Einführung am Anfang der Serie steht.

Grondona gehörte 26 Jahre lang dem Fifa-Exekutivkomitee an. In der südamerikanischen Fußball-Konföderation CONMEBOL hatte er lange die anerkannte Führungsposition inne. Grondona nimmt den eher unbedarften Sergio Jadue (Andrés Parra) unter seine Fittiche, den er außerdem mit einigen bissig-zynischen Weisheiten versorgt: Dass das FBI die Untersuchung der FIFA-Korruptionsfälle vorantreibt, erklärt der Argentinier mit Neid. Denn eigentlich hätten die Vereinigten Staaten die WM 2022 ausrichten wollen, die an Katar ging: "Amis finden es schlimm, wenn der Kuchen nicht anständig verteilt wird, also nicht so, wie es ihnen passt." Das "FIFA-Gate" sei eigentlich eine abgekartete Show: "Dies ist das Wichtigste, was dem ?Yanqui?-Fußball seit der Ausrichtung der WM 1994 geschieht".

"El Presidente" erzählt auf zwei Zeitebenen: Die Rahmenhandlung ist in den Jahren 2014-2015 angesiedelt, mit Grondonas Beerdigung und der eingangs erwähnten Verhaftung der FIFA-Funktionäre. Dazu kommen die Rückblenden, die Jadues Geschichte erzählen. Zur Dramaturgie der Serie gehört, dass jede der acht Folgen mit einem Rückblick beginnt, der spätere Verhältnisse und Ereignisse verstehen hilft. Eine solche Erzählstrategie schafft Spannung, weil vieles zunächst eher unverständlich bleibt.

Nur die erste Folge besteht freilich fast ausschließlich aus einer Rückblende, die den kometenhaften Aufstieg des Sergio Jadue verdeutlicht. Andrés Parra gestaltet ihn als Mann ohne Eigenschaften, dafür aber mit Glatze und Bauchansatz, der vom Ehrgeiz und der Luxusneigung seiner Frau Nené (Paulina Gaitán) angetrieben wird. Als 31-Jähriger schafft Jadue den Aufstieg seines Heimatvereins La Calera in die erste Liga. Eher zufällig wird er Vorsitzender des chilenischen Fußballverbands, weil die mächtigen Präsidenten der großen Fußballvereine ihn als Strohmann für eine unpopuläre Entscheidung benutzen wollen.

Andrés Parra gelingt ebenfalls glaubwürdig darzustellen, wie sich Jaude im Laufe der Zeit verändert. Auch wenn er eher ein kleines Rädchen in der Maschinerie um Sport, Geld und Macht bleibt, spielt der Chilene insofern eine entscheidende Rolle, weil er Bestechungsgelder annimmt, und sich deshalb auch gefallen lassen muss, von der FBI-Agentin Rosario alias Lisa Harris (Karla Souza) als Spitzel einspannen zu lassen.

In Julio Grondonas Off-Stimme überwiegt von Anfang an ein gewisser Zynismus: "Dies könnte die typische ¬Geschichte eines Kindes sein, das beim Fußballspielen in einem Slum entdeckt wird, um dann die Welt zu erobern. Aber diese Geschichte haben Sie schon 20-mal gesehen. Dies ist die Geschichte all derer, die jenen Jungen ausnutzen, damit der Ball nie aufhört zu rollen und zu verkaufen."

Dazu passt der leicht parodistische Erzählton von "Der Präsident". Zwar wird lediglich der CONMEBOL-Verband als Mafiazirkel unmittelbar gezeichnet, aber die Serie deutet etwa mit den wenigen Auftritten eines überzeichneten Joseph Blatter (Abián Vainstein) an, dass dies bei der gesamten FIFA nicht anders sein kann. Armando Bó gelingt es darüber hinaus, dem Zuschauer den Eindruck zu vermitteln, dass er lediglich einen kleinen Ausschnitt des ganzen Korruptionssumpfs gezeigt hat.


"El Presidente", Mexiko 2020, achtteilige Serie mit insgesamt 450 Minuten. Serienentwickler: Armando Bó. Auf Amazon Prime Video

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