COLLATERAL | Collateral
Filmische Qualität:   
Regie: Michael Mann
Darsteller: Tom Cruise, Jamie Foxx, Jada Pinkett Smith, Mark Ruffalo, Peter Berg, Bruce McGill, Irma P. Hall, Barry Shabaka Henley
Land, Jahr: USA 2004
Laufzeit: 120 Minuten
Genre: Thriller
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: G +


JOSÉ GARCÍA
Foto: UIP

Vor beinahe einem Jahrzehnt inszenierte Regisseur Michael Mann in „Heat“ (1995) eine im Kino hundertfach gesehene Polizei-Gangster-Geschichte. Doch Mann machte daraus eine Charakterstudie zweier Menschen, die sich in Los Angeles einen verbissenen Zweikampf liefern. Der folgende Spielfilm Michael Manns „Insider“ (1999) handelte wieder von zwei unterschiedlichen Charakteren. Allerdings kämpften sie nicht gegeneinander, sondern gemeinsam – gegen die amerikanische Tabakindustrie und gegen korrupte Medien. In „Insider“ stand erneut nicht die äußere Handlung im Mittelpunkt des Filmes, sondern die Studie der zwei Figuren.

Michael Manns neuer Thriller „Collateral“, der diese Woche im deutschen Kino anläuft, hat mit seinen beiden früheren Filmen einiges gemeinsam: auch in „Collateral“ treffen zwei gegensätzliche Männer aufeinander. Darüber hinaus wird wie in „Heat“ die Stadt Los Angeles erneut zu einem weiteren Hauptdarsteller im Film.

Max (Jamie Foxx) fährt seit 12 Jahren in seinem Taxi Menschen durch Los Angeles. Die Reise durch die gewohnten Straßen wird allerdings zu einer Höllenfahrt, als am Flughafen Vincent (Tom Cruise) in Max‘ Wagen einsteigt. Denn Vincent ist ein Auftragskiller, der in einer Nacht fünf Menschen ermorden soll, damit ein Drogenkartell einer unwillkommenen Klage entgehen kann. Sein perfider Plan: Er lässt sich von einem Taxifahrer von einem „Termin“ zum nächsten chauffieren, damit sein nächtlicher Hinrichtungszug wie der Amoklauf eines Taxifahrers aussieht. Weil der Profikiller jedoch auch Fehler macht, und sein erstes Opfer aus dem Fenster auf die Windschutzscheibe des Taxis fällt, sieht sich Vincent gezwungen, den zum Zeugen seiner Mordtat gewordenen Taxifahrer nebst Taxi zu entführen. Max wird zum „Kollateralschaden“, weil er zur falschen Zeit am falschen Ort war.

Die Handlung, die sich zum größten Teil im Wageninnern abspielt, nimmt sich Zeit, den Rollenklischees Taxifahrer und Auftragskiller Tiefe abzugewinnen, aus ihnen individuelle Charaktere zu formen. Wie schon in „Insider“ dient die Eingangssequenz weniger dazu, die Kernhandlung voranzutreiben, als vielmehr dazu, die zentrale Figur Max mit Komplexität auszustatten.

Obwohl in den letzten zwanzig Minuten des Films zu sehr eine genre-typische Action die Oberhand gewinnt, die auf ein allzu vorhersehbares Ende zusteuert, besticht die insgesamt atmosphärische Dichte von „Collateral“, die auf die „Komprimierung der Zeit“ zurückzuführen ist – wie Regisseur und Produzent Michael Mann ausführt: „Alles passiert in einer Nacht. Die ganze Geschichte findet zwischen 18 Uhr und 4 Uhr morgens in der wohl modernsten aller amerikanischen Städte statt. Das ist die Welt, durch die sich Max und Vincent bewegen, während sich die Story entfaltet. Es ist die Kollision zweier Leben unter extremen Umständen. Es ist eine Komprimierung von all dem, was sie waren und wer sie sein wollen – all das kollabiert durch die Ereignisse einer Nacht. Ich musste einen Weg finden, diese dreidimensionale Nacht zum Leben zu erwecken, in die Nacht von L.A. zu blicken.“

Der Weg, den Regisseur Mann findet, besteht in einer beeindruckenden Filmsprache, von den grobkörnigen, aber zugleich detailgenau in HD-Digitalvideo gefilmten Einstellung bis zum perfekten Einsatz von Farbe und Musik, die „Collateral“ einen teils hyperrealen, teils traumähnlichen Charakter verleihen, etwa wenn Coyoten eine Straße überqueren. Dabei besitzt auch das Grau in der Erscheinung Vincents – graue Haare, grauer Stoppelbart, grauer Designeranzug – einen symbolischen Wert. Denn Vincent hat durchaus sympathische Züge, die sicherlich auch mit dessen Besetzung mit Publikumsliebling Tom Cruise zusammenhängen.

Wenn sich im Laufe seiner Gespräche allerdings sein Zynismus freie Bahn bricht, kommt sein wahrer Charakter zum Vorschein: Der gewaltsame Tod von Menschen löst bei ihm keine Emotionen aus: „Ein Mann stirbt in einer U-Bahn. Glaubst du, irgendjemand würde ihn bemerken?“ fragt er etwa Max. Vincents Nihilismus erweist sich als die Ursache für seine Gefühlskälte, für seine fehlende Moral. Denn in einer Welt ohne Gott, das wusste schon Dostojewski, ist alles erlaubt.
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