LAND OF PLENTY | Land of Plenty
Filmische Qualität:   
Regie: Wim Wenders
Darsteller: Michelle Williams, John Diehl, Shaun Toub, Wendell Pierce, Richard Edson, Burt Young, Yuri Z. Elvin, Jeris Lee Poindexter
Land, Jahr: Deutschland / USA 2004
Laufzeit: 123 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --


JOSÉ GARCÍA
Foto: Reverse Angle

Nach mehreren Musikfilmen – „Buena Vista Social Club“ (1998), „Viel passiert – Der BAP-Film“ (2002) sowie „The Soul of a Man“ (2003) – kehrt der 1945 in Deutschland geborene, aber seit mehr als zwanzig Jahren in den Vereinigten Staaten lebende und arbeitende Regisseur Wim Wenders nun zum Spielfilm zurück. Mit „Land of Plenty“, der bei den 61. Filmfestspielen von Venedig seine Premiere feierte und diese Woche im deutschen Kinoprogramm anläuft, liefert Wenders die Sicht eines Europäers auf den „amerikanischen Traum“ und auf die Veränderungen, die der 11. September in den Vereinigten Staaten hervorgerufen hat.

Um diese Veränderungen zu veranschaulichen, wählte Wim Wenders als Hauptfigur eine junge Frau, die nach etlichen Jahren der Abwesenheit in ihr Heimatland zurückkehrt. Die 20-jährige Lana (Michelle Williams) wuchs als Tochter eines christlichen Missionars in Afrika und im Nahen Osten auf. Als sie nun nach Los Angeles heimkommt, findet sie dort nicht die Traumfabrik, sondern eher die „Hauptstadt des Hungers“ in den Vereinigten Staaten vor. Deshalb beschließt die Idealistin, statt aufs College zu gehen, zunächst einmal in der Armenküche einer Stadtmission auszuhelfen, während sie sich auf die Suche nach ihrem einzigen lebenden Verwandten, ihrem Onkel Paul, begibt.

Der Vietnam-Veteran Paul zeigt sich indessen nicht gerade begeistert, den Kontakt zu seiner Verwandten wieder aufzunehmen. Als 18-Jähriger wurde Paul in Vietnam verletzt und leidet noch immer unter den Nachwirkungen des Giftes Dioxin, dem er vor mehr als dreißig Jahren ausgesetzt war. „Wäre ich paranoid, würde mir das wohl verdächtig vorkommen“, sagt einmal Paul, nachdem er gewisse Beobachtungen gemacht hat. Natürlich findet er es verdächtig. Womit der Paranoiker etabliert ist, der täglich in seinem mit allerlei Überwachungstechnik ausgestatteten Lieferwagen die Straßen von Los Angeles observiert, immer auf der Suche nach einem Turban in der Menschenmenge, von der Idee besessen, sein Vaterland gegen mögliche Terrorangriffe zu beschützen.

„Zwei ganz gegensätzliche Charaktere“ (Wenders) treffen aufeinander. Sie finden erst zusammen, als ein obdachloser Araber auf offener Straße erschossen wird. Der selbst ernannte Sicherheitsbeamte Paul sieht dahinter eine Abrechnung unter Terroristen; Lana will als gute Christin den Angehörigen die Leiche zurückbringen. So machen sie sich gemeinsam auf den Weg zum Bruder des Toten, mit der Leiche im Wagen.

Den Titel „Land of Plenty“ („Ein Land im Überfluß“) wählte Wenders nach Leonard Cohens Song „Land of Plenty“, der zum Schluß erklingt. Doch vom Überfluß ist in diesem Film wenig zu sehen. Viele der mit digitaler Handkamera aufgenommen Bilder in den Armenvierteln von Los Angeles erinnern an die schmutzigen Straßen New Yorks in Jim Jarmuschs „Stranger than Paradise“ (1983), etliche Einstellungen wiederum rufen einen früheren Spielfilm Wim Wenders in Erinnerung: „The Million Dollar Hotel“ (2000) – das Hotel ist in einer Szene zu sehen, als Lana auf dem Dach des Armenhauses Musik hört.

Der Untertitel, mit dem der Film in deutscher Fassung in die Kinos kommt – „Auf der Suche nach Wahrheit“ – verdeutlicht, dass es Wim Wenders darum ging, dass „die Wahrheit dieser Figuren zu einem Moment politischen Erkennens führt“. Deshalb nennt der Regisseur „Land of Plenty – Auf der Suche nach Wahrheit“ den „dezidiert politischsten Film, den ich je gemacht habe“. Doch die politische Kritik kommt eher leise daher, auch wenn Wenders hin und wieder in eine „Überkorrektheit“ der Dialoge oder auch in eine Verdoppelung derselben Aussage in Bildern und Dialogen verfällt, die der Filmtheoretiker Rudolf Arnheim bereits im Jahre 1929 „Überdeutlichkeit“ nannte. Die schön-spröden Bilder, die witzigen Passagen und die dem Erzählrhythmus wunderbar angepasste Filmmusik helfen freilich darüber hinweg.

Religion spielt in „Land of Plenty“ eine wichtige Rolle. Zwar instrumentalisiert sie Wenders als Gegensatz zu den Prinzipien der jetzigen US-amerikanischen Regierung, „die religiöse Belange ständig mit politischen mischt“. Trotzdem macht es Freude, einer sympathischen, hübschen jungen Frau beim Beten zuzuschauen, die sich aus dem Glauben heraus sozial engagiert.
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