GROSSE HAIE - KLEINE FISCHE | Shark Tale
Filmische Qualität:   
Regie: Bibo Bergeron, Vicky Jenson
Darsteller: (dt. Stimmen) Daniel Fehlow, Yvonne Catterfeld, Sandra Speichert, Faiz Mangat
Land, Jahr: USA 2004
Laufzeit: 90 Minuten
Genre: Animation
Publikum: ab 6 Jahren
Einschränkungen: --


JOSÉ GARCÍA
Foto: UIP

Konkurrenz belebt das Geschäft, auch in der Filmindustrie. Nachdem jahrzehntelang Walt Disney ein regelrechtes Monopol im Zeichentrickfilm besaß, stellte die Gründung der Sparte „Animationsfilm“ bei der Spielberg-Firma „DreamWorks“ eine echte Konkurrenz dar. Auffallend ist allerdings in diesem Zusammenhang, dass DreamWorks auf Filme der Pixar Animation Studios für Disney vielfach mit jeweils ähnlicher Thematik reagierte. So geschehen, als nach „Das große Krabbeln“ (1998) DreamWorks „Antz“ (1998) produzierte und ebenso als nach dem Disney-Film „Monster AG“ (2001) die Spielberg-Animationsfirma „Shrek“ (2001) herausbrachte. Nun antwortet auf den großen Erfolg vom Pixar-Film „Findet Nemo“ (2003, siehe Filmarchiv) das DreamWorks-Studio mit einem Animationsfilm, der ebenfalls in der Unterwasserwelt angesiedelt ist: „Große Haie – kleine Fische“ („Shark Tale“), der zum Abschluss der 61. Filmfestspiele Venedig im September seine Premiere feierte, und nun im deutschen Kino anläuft.

Im Mittelpunkt des Animationsfilms „Große Haie – kleine Fische“ steht der schnell sprechende Putzfisch Oscar, der als Reinigungshilfe in einer Wal-Waschanlage arbeitet und in einer schäbigen Gegend der Unterstadt wohnt. Oscar träumt davon, ein Star zu werden, um zur Oberschicht seines heimatlichen Unterwasserriffs zu gehören. Was in der schillernden Unterwasserwelt auch bedeutet, in der Nahrungskette weiter nach oben zu klettern und in einer schicken Penthouse-Wohnung auf dem Dach eines Wasseroberflächenkratzers zu residieren.

Als der Sohn des Hai-Paten Don Lino von einem herabfallenden Anker getötet wird, ist Oscar zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Der Möchtegern-Star ergreift die Chance, sich als der Haifisch-Bezwinger auszugeben, und wird zum Helden und im ganzen Riff berühmt, sowohl von Engelsfisch Angie als auch von Fisch-Fatale Lola umgarnt. Doch die Hai-Mafia schwört Rache. Da trifft sich gut, dass der jüngste Sohn von Don Lino „anders als die anderen“ Artgenossen ist: Lenny ernährt sich nicht nur vegetarisch; darüber hinaus verkleidet er sich gerne als Delphin. Zusammen mit Oscar heckt er einen Plan aus, damit er selbst untertauchen, und der Putzfisch weiterhin als Hai-Töter gefeiert werden kann.

Das Produktionsdesign des großen Riffs von „Große Haie – kleine Fische“ folgt dem Vorbild New York, das bestechend detailgenau wiedergegeben wird, ob nun am Times Square eine große „Coral-Cola“-Leuchtreklame oder Nachrichten zu sehen sind, oder auch gelb-schwarze Taxifische und dicke Polizeifische zwischen den hohen Gebäuden schwimmen.

Im Unterschied zu den Filmen der Pixar Animation Studios für Disney, die sich vorwiegend an Kinder wenden, zielen die DreamWorks-Animationsfilme eher auf ein Erwachsenenpublikum. Dies drückt sich nicht nur in den angesprochenen Themen – „Große Haie – kleine Fische“ ist eine regelrechte Parodie auf Mafiafilme mit den üblichen Klischees –, sondern am augenfälligsten auch darin aus, dass die tierischen Figuren mit menschlichen Zügen ausgestattet werden: Bereits in „Antz“ besaß die zentrale Figur, eine Ameise, die Züge und die Stimme Woody Allens. Ähnlich verhält es sich bei „Shrek“, deren Hauptfiguren von Mike Myers, Cameron Diaz und Eddie Murphy „gespielt“ werden.

Für „Große Haie – kleine Fische“ stellte das DreamWorks-Studio ein beeindruckendes Schauspieler-Ensemble zusammen: Robert de Niro, der zum ersten Mal eine Sprechrolle in einem Animationsfilm übernahm, „spielt“ Don Lino. Als weiterer Italoamerikaner lieh Regisseur Martin Scorsese dem Pufferfisch Sykes seine Stimme. Auch die weiteren Hauptfiguren sind prominent besetzt, allen voran Oscar, der von dem für seine Hauptrolle in „Ali“ für den Oscar nominierten Will Smith „gespielt“ wird. Zwei bekannte Schauspielerinnen vervollständigen die Darsteller-Riege: Renée Zellweger als Fischdame Angie und Angeline Jolie in der Rolle der „femme fatale“, die in keinem Gangsterfilm fehlen darf.

Dieses Konzept mag in der Originalfassung hervorragend funktionieren, in der Synchronisation sind ihm indes enge Grenzen gesetzt: Dass in der Synchronfassung nur Robert de Niro „seine“ deutsche Stimme behält, während die anderen Sprechrollen von vermeintlich bekannten Größen aus dem deutschen Showbusiness übernommen werden, erschwert die Identifikation mit den Figuren.

Schwerer wiegt jedoch, dass sich die Filmemacher einem erwachsenen Publikum mit einem „Modethema“ anbiedern wollen: die „Andersartigkeit“ des „sensiblen“ Hais Lenny nimmt sich als überdeutliche Anspielung auf die ität aus, die zurzeit im Kino eine regelrechte Konjunktur erlebt. Diese Konzession an den Zeitgeist schmälert den Wert eines an sich liebevoll gestalteten, insgesamt witzigen und in der Genre-Persiflage durchaus unterhaltsamen Animationsfilmes.
Diese Seite ausdrucken | Seite an einen Freund mailen | Newsletter abonnieren