POLAREXPRESS, DER | The Polar Express
Filmische Qualität:   
Regie: Robert Zemeckis
Darsteller: Tom Hanks, Michael Jeter, Peter Scolari, Nona Gaye, Eddie Deezen, Charles Fleischer, Ed Gale, Chris Coppola
Land, Jahr: USA 2004
Laufzeit: 100 Minuten
Genre: Animation
Publikum: ohne Altersbeschränkung
Einschränkungen: --


JOSÉ GARCÍA
Foto: Warner Bros.

In den Konkurrenzkampf auf dem Gebiet des Animationsfilmes zwischen dem Hollywood-Studio DreamWorks, das Mitte Oktober „Große Haie, kleine Fische“ (siehe Filmarchiv) in die Kinos und Anfang November „Shrek 2“ als DVD herausbrachte, und der Animationsschmiede Pixar/Disney, die letztes Jahr mit „Findet Nemo“ (siehe Filmarchiv) einen herausragenden Film vorlegte, und ab dem 9. Dezember „Die Unglaublichen - The Incredibles“ zeigen wird, schaltet sich nun ein weiteres Großstudio aus Hollywood ein: Warner Bros., das mit Robert Zemeckis’ „Der Polarexpress“ im Weihnachtsgeschäft mithalten will.

In technischer Hinsicht stellt „Der Polarexpress“ erneut einen Fortschritt dar: Zwar wurde die so genannte „motion capture“ (Darstellungsaufzeichnung) bereits etwa für die Figur des Gollum in „Der Herr der Ringe“ angewandt – Kameras speicherten die Bewegungen und die Sprache des britischen Schauspielers Andy Serkins, die dann auf den digitalen Gollum übertragen wurden. Zwar behauptete „Final Fantasy – Die Mächte in Dir” im Jahre 2001 von sich, der erste Spielfilm zu sein, der ausschließlich mit im Computer generierten Darstellern auskommt. „Der Polarexpress“ bringt dieses Verfahren jedoch auf den neuesten Stand der Technik. Dazu kommt etwas Neues hinzu: Zum ersten Mal spielt ein Darsteller in einem Film mehrere Rollen (eigentlich fünf; wenn die Figur der Puppe „Scrooge“ aus Charles Dickens’ Weihnachtsgeschichte dazu gezählt wird, sogar sechs).

Wurde Andy Serkins auf dem Weg zum „Gollum“ bis zur Unkenntlichkeit entstellt, so ist der Schauspieler Tom Hanks wenigstens in der Rolle des Schaffners als Tom Hanks ganz deutlich zu erkennen. Diese künstlerische Option rückt den Animationsfilm in die Nähe des Hyperrealismus oder Fotorealismus etwa des amerikanischen Porträtmalers Chuck Close (geb. 1940), der Fotos als Gemälde ausführt, indem er sie mittels eines Rasters auf die Leinwand überträgt.

„Der Polarexpress“ erweckt freilich einen ähnlichen Eindruck wie „Final Fantasy – Die Mächte in Dir”: Dass nämlich in der Entwicklung des technischen Verfahrens viel mehr Aufwand als im Drehbuch getrieben wurde. Dieses basiert auf dem 32-seitigen Weihnachtsbuch von Chris Van Allsburg, das in den Vereinigten Staaten erstmals im Jahre 1985 erschien und dort bereits den Status eines Klassikers erlangt hat, während es sich in Deutschland bislang eher bescheiden verkaufte. Nun hofft der Carlsen-Verlag, der das Buch mit seinen schönen Bildern im Jahre 2001 in neuer Übersetzung herausgebrachte, auf Schützenhilfe durch den Film.

Nach Van Allsburgs Buchvorlage erzählt die Verfilmung von einem achtjährigen, namenlosen Jungen, der an der Existenz des Weihnachtsmanns zu zweifeln beginnt. Am Heiligabend wird er vom Quietschen eines Zuges geweckt. Auf der weißen, verschneiten Winterlandschaft steht eine große Dampflok. „Also, kommst du mit?“ fragt der Schaffner. „Wohin?“ „Na, zum Nordpol natürlich. Dies ist der Polarexpress!“ Nach einigem Zögern besteigt der Junge den geheimnisvollen Polarexpress Richtung Nordpol, in die Heimat des Weihnachtsmanns.

„Der Polarexpress“ bietet rasante Bilder in atemberaubenden Kamerafahrten und satten Farben: Der Zug stürzt sich in Achterbahnfahrten in die Tiefe, rast durch schier endlose Schluchten und schlittert über einen zugefrorenen See. Womit der Film eindeutig auf Aktion setzt, die im IMAX-Kino im 3D-Format sicherlich besonders eindrucksvoll erlebt werden kann.

Dient den Pixar-Filmen der enorme Detailreichtum in der Zeichnung stets lediglich als Mittel, scheint die Technik für den „Polarexpress“ zum Zweck geworden zu sein. Widmen sich die Animationsfilme von Pixar einer ausgefeilten Dramaturgie und besonders einer Charakterzeichnung mit menschlichen Nuancierungen, so verkümmern im „Polarexpress“ die Figuren zur Staffage.

„Eine Geschichte über die Kraft des Glaubens“ will „Der Polarexpress“ erzählen. Seine Botschaft erschöpft sich jedoch in Sätzen wie „Manchmal sind die wertvollsten Dinge der Welt die, die man nicht sieht“. Sicher bietet er Ansätze in der sozialen Integration etwa des einsamen Jungen, in der Freundschaft zwischen dem weißen Jungen und dem schwarzen Mädchen, doch die Appelle an den „wahren Geist der Weihnacht“ verpuffen im Glauben an den Weihnachtsmann. Dass Weihnachten irgendetwas mit der Feier der Geburt Christi zu schaffen haben könnte, damit weiß „Der Polarexpress“ gar nichts anzufangen.
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