ALEXANDER | Alexander
Filmische Qualität:   
Regie: Oliver Stone
Darsteller: Colin Farrell, Angelina Jolie, Val Kilmer, Anthony Hopkins, Rosario Dawson, Jared Leto, Christopher Plummer
Land, Jahr: USA / Großbritannien / Deutschland / Niederlande 2004
Laufzeit: 176 Minuten
Genre: Historische Filme
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: G +, S, X


JOSÉ GARCÍA
Foto: Constantin

Mit „Gladiator“ (Ridley Scott, 2000) entdeckte Hollywood den so genannten Monumental- oder Sandalenfilm wieder, der in den fünfziger und sechziger Jahren seinen Höhepunkt erlebte, für vier Jahrzehnte dann jedoch aus der großen Leinwand verschwunden war. Die Renaissance des Genres fand einen vorläufigen Höhepunkt in Wolfgang Petersens „Troja“ (siehe Filmarchiv).

Von jeher scheuen Monumentalfilme weder Kosten noch Mühen, um eine möglichst originalgetreue Ausstattung zu bewerkstelligen: Experten unterschiedlicher Fachrichtungen verbürgen sich für die Authentizität der Panzerrüstungen, der Waffen und besonders der historischen Kulissen. Deren Inszenierung wurde seit der Erfindung der digitalen Bildverarbeitung unendlich leichter: In „Alexander“ sieht der Zuschauer am Anfang des Filmes Ptolemaios (Anthony Hopkins), Alexanders einstigen General und späteren Pharao, seine Erinnerungen vor einer digitalen Alexandria-Stadtansicht diktieren. Im digitalen Babylon findet Brueghels „Turmbau zu Babel“ Platz – die Computertechniker brauchen das Bild lediglich in den Stadtprospekt einzufügen.

Was den Inhalt anbelangt, nehmen es solche Verfilmungen allerdings nicht ganz so genau: Obwohl „Troja“ eigentlich Homers „Ilias“ adaptiert, wird das Trojanische Pferd der „Odyssee“ entnommen. Nun gestaltet sich die Frage der Historizität bei einer Figur wie Alexander dem Großen nicht gerade einfach, denn bereits zu seinen Lebzeiten wurde er Gegenstand vieler Legenden. Die Schriften des Historikers Kallisthenes, der Alexander auf seinen Feldzügen begleitete, bis er im Jahre 327 in Ungnade fiel, gingen wie die Darstellungen weiterer Zeitgenossen verloren. So stammt alles, was wir über Alexander wie über die meisten Gestalten der Antike wissen – im Gegensatz zu Jesus, denn die Evangelien wurden in unmittelbarer zeitlicher Nähe verfasst – gleichsam aus zweiter Hand, aus späteren Schriften, die verschollene Quellen zitieren.

Dieser Distanz trägt Regisseur Oliver Stone durch den Erzähler Ptolemaios Rechnung: Der Zuschauer erfährt aus dem Leben Alexanders durch die Ptolomaios-Schriften, die später im berühmten Brand der Bibliothek von Alexandria zerstört wurden. Dieser Bericht folgt allerdings keinem chronologischen Aufbau, sondern macht mehrere Zeitsprünge, wodurch der Film zuweilen ins Stocken gerät.

Die Stärke von Oliver Stones „Alexander“ liegt in den grandiosen Schlachtszenen. Die Kamera fährt die Reihen der Krieger entlang, hoch zu einem Adler, um in der Totale den Kriegsschauplatz einzufangen, und stützt sich dann ins Getümmel. So wird die berühmte Schlacht von Gaugamela, in der Alexander den Perserkönig Darius endgültig besiegt, episch breit nach allen Regeln der modernen Filmtechnik inszeniert. Einen weiteren Höhepunkt des Filmes stellt die Schlacht gegen König Porus in Indien dar. Die Bäume, der Himmel, alles was der Zuschauer durch die Augen des verwundeten Alexanders sieht, färbt sich rot – was einen schönen Gegensatz zu den sepiafarbenen Bildern der Schlacht auf den sonnenverbrannten Feldern von Gaugamela schafft.

Oliver Stone wollte jedoch mehr bieten als eine Aneinanderreihung der Eroberungszüge Alexanders des Großen. Um die Ideen des Begründers des größten Weltreiches – als Alexander im Jahre 323 vor Christus im Alter von 33 Jahren stirbt, beherrscht er 90 Prozent der damals bekannten Welt – näher zu beleuchten, führt der Film Rückblenden ein, die Einblick in Alexanders Jugend gewähren sollen: Sein Vater Philip ist der machtbewusste Herrscher von Makedonien, der Griechenland unter seine Führung brachte und die Makedonier auf eine Invasion Persiens vorbereitete. Schon früh sind seine Eltern zerstritten. Alexanders Mutter Olympias schärft dem Jungen seine göttliche Abstammung ein. Um ihrem Sohn den Thron zu sichern, beteiligt sie sich an der Ermordung Philips – dies legt der Film wenigstens nahe.

Doch die Figuren erhalten in „Alexander“ wenig Tiefe – mit der Ausnahme von Olympias, die von Angelina Jolie mit großer Intensität dargestellt wird. Colin Farrell agiert indes als Alexander ziemlich blaß. Im Vorfeld des Filmstarts wurde viel um die Darstellung der angeblichen homoerotischen Neigung Alexanders spekuliert. Zwar inszeniert der Film Alexanders Beziehung zu seinem Freund Hephaistion (Jared Leto) und zu einem persischen Eunuchen nicht so explizit wie die endlose, rasende Bettszene mit der baktrischen Prinzessin Roxane (Rosario Dawson), aber die homoerotische Komponente durchzieht den ganzen Film. Die hilflosen bis lächerlichen Dialoge und eine unerträglich bombastische Filmmusik hemmen darüber hinaus den Fluß der Erzählung. So bleibt „Alexander“ ein grandios ausgestatteter Monumentalfilm, dem es kaum gelingt, einen Zugang zur Persönlichkeit Alexanders des Großen zu schaffen.
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