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JOSà GARCÃA Foto: Piffl Medien Kaum ein Filmregisseur wehrte sich so lange gegen den unaufhaltsam aufkommenden Tonfilm wie Charles Chaplin. Denn für die von ihm verkörperte Figur des âTrampsâ konnte er keine Stimme finden. So schilderte er 1967 in einem Life-Interview sein damaliges Dilemma: âEr könnte nicht sprechen â ich wüsste nicht, was für eine Art Stimme er haben sollte. Wie würde er einen Satz zusammenstellen? Also musste der Tramp verschwinden.â Die Stimme des Tramps ist in einer einzigen Szene in Chaplins Filmen zu hören, als er in âModerne Zeitenâ (âModern Timesâ, 1937) ein Lied in einer Nonsens-Sprache vorträgt und die Handlung pantomimisch darstellt. Zwar hatte Chaplin bereits bei den Dreharbeiten zu âModerne Zeitenâ mit Dialogszenen experimentiert, entschied sich aber zuletzt dafür, den Film als Stummfilm mit Geräuscheffekten zu realisieren. Mit âDer GroÃe Diktatorâ (âThe Great Dictatorâ, 1940) akzeptierte Chaplin indes endgültig den Tonfilm als künstlerisches Medium. Bei der Oscarverleihung 1941 wurde Charles Chaplin in den Kategorien Beste Hauptrolle, Bester Film, Bestes Drehbuch und Beste Musik (gemeinsam mit Meredith Willson) nominiert, ebenso wie Jack Oakie als bester Nebendarsteller (für die Rolle des Benzino Napaloni, Dikator von Bacteria). Eine gewisse Ãhnlichkeit zwischen dem damals bereits weltbekannten Filmstar und Adolf Hitler mag der Idee von âDer GroÃe Diktatorâ Pate gestanden haben. So erinnert sich Charles Chaplin in seiner Autobiographie, im Jahre 1937 habe ihm Alexander Korda vorgeschlagen, âeinen Hitler-Film zu machen, dessen Story sich um eine Personenverwechslung drehen sollte, da Hitler denselben Schnurrbart habe wie der Tramp. Er meinte, ich könne beide Personen darstellen. In einem Hitler-Film konnte ich Burleske und Pantomime miteinander verbinden.â In âDer GroÃe Diktatorâ spielt denn auch Chaplin eine Doppelrolle: sowohl die des Despoten Adenoid Hynkel, der im Polizeistaat Tomanien herrscht und den Einmarsch ins Nachbarland Austerlich plant, als auch die des jüdischen Friseurs, der dem Diktator zum Verwechseln ähnlich sieht, und Jahre nach seinem Gedächtnisverlust im Ersten Weltkrieg endlich ins jüdischen Getto zurückkehrt. Dort formiert sich in Gestalt des altgedienten Offiziers Schultz (Reginald Gardiner) heimlicher Widerstand. Im kleinen Friseur erkennt Schultz die Chance, den Lauf der Geschichte zu verändern. In einer zweijährigen Vorbereitungsphase studierte Chaplin die Reden und die Gestik Hitlers, seine Posen, aber auch seinen Gesamteindruck. Chaplins Persiflage auf die Reden Hitlers sind in die Filmgeschichte eingegangen ebenso wie die Tanzszene mit der Weltkugel, die in Hynkels Händen platzt. Welch wunderbare Metapher! Der Film enthält indes eine Sequenz, die leicht unbemerkt bleiben könnte, in die aber Chaplin einen Wesenszug Hitlers meisterhaft eingefangen hat: Im Minuten-, ja im Sekundentakt beginnt Adenoid Hynkel eine Tätigkeit nach der anderen, steht Künstlern Modell, lässt die Sekretärinnen zum Diktat kommen, trifft sich mit seinem engsten Berater Doktor Garbitsch (Henry Daniel) zur Besprechung... Besser könnte die Rastlosigkeit Hitlers kaum in Szene gesetzt werden. Aus heutiger Sicht mag dem Zuschauer Chaplins Karikatur eines Unmenschen, der einen millionenfachen Tod verursachte und die Welt mit Krieg und Schrecken überzog, völlig harmlos erscheinen. Chaplin selbst hat dies später in seiner Autobiographie zugestanden: âHätte ich etwas von den Schrecken in den deutschen Konzentrationslagern gewusst, ich hätte âDer GroÃe Diktatorâ nicht zustandebringen, hätte mich über den mörderischen Wahnsinn der Nazis nicht lustig machen können.â Um dem Film gerecht zu werden, muss man ihn freilich aus seiner Entstehungszeit heraus beurteilen, als sich in den Vereinigten Staaten von Amerika eine groÃe Mehrheit noch lange nach Kriegsbeginn gegen eine Einmischung in Europa aussprach, und sogar die Zensurbehörde starke Bedenken gegen den Film äuÃerte. Nun kommt âDer GroÃe Diktatorâ in einer von der Cineteca di Bologna und dem Kopierwerk Immagine Ritrovate im Auftrag der Chaplin Association restaurierten Fassung in der englischen Originalsprache mit deutschen Untertiteln zur Wiederaufführung, und zwar da, wo er hingehört: auf der groÃen Kinoleinwand. |
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