HOUSE OF FLYING DAGGERS | Shi mian mai fu
Filmische Qualität:   
Regie: Zhang Yimou
Darsteller: Takeshi Kaneshiro, Andy Lau Tak Wah, Zhang Ziyi, Song Dandan, Anita Mui
Land, Jahr: China 2004
Laufzeit: 120 Minuten
Genre: Action/Western
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: G, X


JOSÉ GARCÍA
Foto: Constantin

Der chinesische Spielfilm hat sich im westlichen Kinoprogramm einen festen Platz erobert. Was sich etwa daran äußert, dass das US-amerikanische Katholische Filmbüro unter den zehn besten Spielfilmen, die im Jahre 2004 in den Vereinigten Staaten gezeigt wurden, als einzigen nicht-englischsprachigen Film Zhang Yimous „"Hero" zählt.

Obwohl Zhang seit 1988 auf Filmfestspielen immer wieder Preise gewinnen, und bereits 1990 und 1991 mit "Joudou" „beziehungsweise "Rote Laterne" jeweils für den nicht-englischsprachigen Oscar nominiert wurde, war es die Mischung aus Actionfilm und wunderschönen Tableaus, die "„Hero"– wie auch Ang Lees "„Tiger und Dragon“" (2000) – auszeichnete, die einem breiten westlichen Publikum den chinesischen Film näher brachte.

Spielte die Handlung von „Hero“ im Jahre 221 v. Chr., als das erste vereinigte chinesische Kaiserreich gegründet wurde, so ist die Handlung seines neuen Filmes „House of Flying Daggers“ („Haus der fliegenden Dolche“) mehr als tausend Jahre später angesiedelt, als sich in China erneut eine Wende vollzog: Seit 618 herrschte die Tang-Dynastie, die ihr Territorium bis weit nach Zentralasien hatte ausdehnen können. Zweieinhalb Jahrhunderte später schwächten jedoch Bauernrevolten die Tang-Dynastie, bis China wieder einmal in viele kleine Reiche zerfiel.

Zu den Kräften, die gegen den Tang-Kaiser aufbegehren, gehört im Jahre 859 die Untergrundorganisation der „fliegenden Dolche“. Die zwei Polizisten Leo (Andy Lau) und Jin (Takeshi Kaneshiro) werden beauftragt, den Anführer der oppositionellen Bewegung ausfindig zu machen und zu verhaften. Die Spur führt in das Luxusbordell Peonny Pavillon, zu einer geheimnisvollen blinden Tänzerin (Zhang Ziyi).

Sie wird verdächtig, ein Mitglied der „fliegenden Dolche“ zu sein, und von den beiden Polizisten festgenommen. Doch Mei gelingt mit Hilfe eines Unbekannten, der sich als Jin herausstellt, die Flucht. Allerdings erweist sich die Befreiung als eine Finte der Polizei: Mei soll auf diese Weise Jin in das geheime Versteck der Rebellen führen. Deshalb bleiben den Flüchtenden die Soldaten stets auf den Fersen. Als Jin freilich beginnt, sich in Mei zu verlieben, spinnt sich ein immer undurchsichtigeres Spiel um fingierte und wirkliche Identitäten, um Liebe und Eifersucht, Loyalität und Verrat.

Neben dem prächtigen Produktionsdesign und einem ausgezeichneten Soundtrack sind es vor allem die zum Ballett stilisierten Schwertkämpfe, die „House of Flying Daggers“ zu einem visuell bestechenden Film machen, dessen exquisiter Eleganz allerdings durch eine in ihrem Realismus für Zhang Yimous Filmschaffen ungewohnte Sexszene konterkariert wird.

Mit einer unverkennbaren Choreographie der akrobatischen Kampfsequenzen, in dem der intelligente Einsatz der Zeitlupe – dem so genannten „Bullet time“ der „Matrix“-Filme nicht unähnlich – eine zentrale Rolle spielte, etablierte „Hero“ ein eigenes visuelles Konzept, das „House of Flying Daggers“ jedoch nicht einfach kopiert, sondern weiter führt.

Dies wird bereits zu Beginn bei Meis in extremer Zeitlupe gefilmtem Tanz deutlich: Übergangslos und ohne seine Eleganz zu verlieren, verwandelt sich ihr akrobatisches Ballett in einen Kampf mit dem Polizisten. Der choreographierte Schwertkampf gipfelt in einer spektakulären Szene im Bambuswald, die einen geradezu lyrischen Charakter besitzt, sowie im titelgebenden Fliegen der Dolche.

Wie „House of Flying Daggers“ das visuelle Prinzip von „Hero“ weiter entwickelt, lässt sich nicht allein anhand der Kampfszenen verdeutlichen. Auch im Einsatz der Farbkompositionen ähneln sich diese beiden letzten Spielfilme Zhangs: In „Hero“ wurden die verschiedenen Varianten derselben Erzählung in je unterschiedliche Farbtöne getaucht: rot, grün, gelb, blau, weiß und schwarz. Die Farben besitzen in „House of Flying Daggers“ ebenso dramaturgisches Gewicht: Rote und grüne Gewänder vor gelb-braunen Herbsttönen, der grüne Bambuswald, der sich in der Kleidung der Untergrundorganisation widerspiegelt, der satte blaue Himmel als Hintergrund für die akrobatischen Kämpfe, und vor allem die Schneelandschaft, die sich beim letzten Kampf rot färbt.

Im Gegensatz zum epischen Gestus von „Hero“ wendet sich Zhang in seinem neuen Film jedoch einem allgemein menschlichen Drama zu, bei dem der historische Hintergrund lediglich eine Folie bildet. Denn im Vordergrund steht eine Geschichte um allgemein menschliche Fragen: Liebe und Freundschaft, Rache, Treue und Verrat. Damit sichert sich auch „House of Flying Daggers“, der von China für den nicht-englischsprachigen Oscar 2005 offiziell vorgeschlagen wurde, einen Platz im westlichen Kino.
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