GENTE DI ROMA | Gente di Roma
Filmische Qualität:   
Regie: Ettore Scola
Darsteller: Stefania Sandrelli, Rolando Ravello, Valerio Mastandrea, Arnoldo Foà, Giorgio Colangeli, Antonello Fassari, Fabio Ferrari, Sabrina Impacciatore, Fiorenzo Fiorentini, Salvatore Marino
Land, Jahr: Italien 2003
Laufzeit: 93 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: S


JOSÉ GARCÍA
Foto: Movienet

Kaum eine europäische Stadt ist so bekannt wie Rom mit seinen Denkmälern aus einer mehr als zweitausend Jahre alten Geschichte. Doch in seinem dokumentarfiktionalen Film über die Ewige Stadt hat der italienische Regisseur Ettore Scola, Jahrgang 1931, seinen Blick nicht auf große Monumente und touristische Sehenswürdigkeiten gelenkt, sondern auf die Menschen – „Gente di Roma“ heißt folgerichtig sein Film, der nun im deutschen Kino anläuft.

Der Film, dessen fiktiv dokumentarischer Charakter durch die digital gedrehten Bilder sowie dadurch unterstrichen werden soll, dass sich hin und wieder jemand zur Kamera wendet, folgt dem gleichen Konzept wie Walter Ruttmanns „Berlin. Die Sinfonie der Großstadt“ (1927): Er geht einem Tag im Leben der Großstadt nach.

Fuhr der Zuschauer im Ruttmanns Film im Morgengrauen mit dem Zug nach Berlin, so macht er sich in „Gente di Roma“ aus einem Außenbezirk in einem Bus in die Innenstadt Roms auf. Auf seiner abwechslungsreichen Strecke passiert er Stationen, die immer wieder Einblicke in das Leben der Metropole erlauben. Auf der Leinwand treten die unterschiedlichsten Orte auf: eine Bingohalle, in der ein Spieler bereit zu sein scheint für jede Art von Wette; ein Heim für Alzheimer-Patienten, in der eine fürsorgliche Enkelin erfolglos versucht, ihrer Großmutter Erinnerungen zu entlocken, indem sie der alten Dame Fotos aus ihrer Jugend zeigt; eine Grundschule, in der ein unbeholfenes kleines Mädchen von den Spielen ihrer Mitschüler ausgeschlossen wird; eine Ampel, an der ein Autoscheibenwäscher leidenschaftlich um Kundschaft kämpft; das Lokal einer örtlichen Partei, in dem Leidenschaft erst richtig aufflammt, als es um Fußball geht; oder auch antike Ruinen, in denen Obdachlose hausen ...

Diese Bilder geben lediglich kurze Einblicke in das Leben der Einwohner Roms, ohne ein stimmiges filmisches Gefüge entstehen zu lassen. Im Gegensatz etwa zu Ruttmanns „Sinfonie der Großstadt“ besitzt „Gente di Roma“ keine filmische Struktur, die all die gezeigten Impressionen zu einer Einheit fügen könnte. Wie ein roter Faden diesen mosaikartigen Bilderreigen hätte durchziehen können, zeigt die Episode, in der ein geschwätziger Journalist im Bus Mitfahrende anspricht: er arbeite an einer Studie über das Verhalten der Römer –Ablehnung, Toleranz oder Gleichgültigkeit – gegenüber nicht-europäischen Einwanderern.

Dazu erklärt Ettore Scola: „Es gibt tatsächlich mehr Integration zwischen Immigranten und Einwohnern in Rom, als im Rest Italiens. Vielleicht weil die Geschichte diese Stadt immer wieder Invasionen, Okkupationen und Befreiungen ausgesetzt hat. Rom hat sich eine spezielle Kultur von Gastfreundschaft erarbeitet. Anstatt einen Dialog mit Ausländern zu beginnen, ‚romanisieren’ die Römer sie bis zu einem gewissen Punkt, an dem die Fremden manchmal die gleichen Haltungen und Charakteristika annehmen wie ihre Gastgeber.“

In einigen Episoden scheinen zwar Toleranz gegenüber Ausländern und deren Integration das Filmsujet, eine Klammer für die eingefangenen Impressionen zu sein: etwa in einer Bar, wo der Kellner einen nigerianischen Flüchtling verjagt aus Angst vor dem, was seine Stammkunden denken könnten; oder in einer Küche, in der eine italienische junge Frau und ihre farbigen Schwägerin einträchtig Artischocken kochen. In diesem Zusammenhang treibt der Regisseur mit dem Zuschauer seinen Spaß, als in einer Restaurantküche ein Kellner einen schwarzen Küchengehilfen anrempelt: „Mit solchen Leuten wie Dir will ich nicht zu tun haben!“ Der Zuschauer meint, einem klaren Fall von Rassismus beizuwohnen. Aber nein, es geht wie so oft um den „richtigen“ und den „falschen“ Fußballverein.

„Gente di Roma“ zeigt jedoch zu viele kaum angedeutete Situationen und Schicksale, damit das Interesse des Zuschauers am jeweiligen Geschehen geweckt werde könnte. Zwar zeigt Ettore Scola hier keine Postkartenbilder Roms, sondern eher das pulsierende Leben einer Großstadt. Für die Menschen aus Rom, die der gleichnamige Film vorstellt, wird der Zuschauer aber kaum Gefühle entwickeln.

Dass darüber hinaus in einem Film über die Menschen in der Stadt der Päpste, die immerhin das geistliche Zentrum für mehr als eine Milliarde Menschen darstellt, das Christentum – überhaupt die Religion – nicht die geringste Rolle spielt, ist schon erstaunlich. Dies wird wohl mit der ideologischen Brille des langjährigen Mitglieds der Kommunistischen Partei Italiens zusammenhängen.
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