25 GRAD IM WINTER | 25 degrés en hiver
Filmische Qualität:   
Regie: Stéphane Vuillet
Darsteller: Jacques Gamblin, Carmen Maura, Ingeborga Dapkunaite, Raphaëlle Molinier, Pedro Romero, Loubna Azabal, Laurence Vielle, Patrick Massieu
Land, Jahr: Belgien / Frankreich 2004
Laufzeit: 90 Minuten
Genre: Familienfilme
Publikum: ab 6 Jahren
Einschränkungen: S


JOSÉ GARCÍA
Foto: Arsenal

Die Geschichte eines turbulenten Tages, an dem sich Schicksale entscheiden, als überzeichnete Komödie zu erzählen, ist keineswegs originell. Das Spielfilmdebüt des Franzosen Stéphane Vuillet „25 Grad im Winter“, das am Wettbewerb der letztjährigen Berlinale teilnahm und nun im deutschen Kino anläuft, inszeniert diese verrückte Komödie jedoch als multikulturelle Groteske im Herzen Europas.

Mitten im Januar wird es in Brüssel plötzlich richtig warm. Doch nicht nur das Wetter schlägt Kapriolen – auch im Leben von Miguel (Jacques Gamblin), dem in Belgien aufgewachsenen Sohn einer spanischen Immigrantenfamilie, überschlagen sich die Ereignisse: Am Steuer eines Autos mit einem Reisebürologo rast er über die Autobahn. Zusammen mit ihm fahren drei Frauen: Miguels neugierige Tochter Laura (Raphaëlle Molinier), seine hyperaktive Mutter, die alle „Abuelita“ („Oma“) nennen (Carmen Maura), sowie die junge Ukrainerin Sonia (Ingeborga Dapkunaite), die ohne Visum nach Belgien gekommen ist, um ihren vor Jahren verschwundenen Mann zu suchen. Die eigene Ehefrau fährt jedoch nicht mit. Denn sie hat sich nach New York abgesetzt, und Miguel mit der siebenjährigen Laura allein gelassen.

Mit ihren großen Augen stiehlt die siebenjährige Raphaëlle Molinier über weite Strecken des Filmes den erwachsenen Schauspielern die Schau, weil diese vor allem gegen Klischees anzukämpfen haben: Carmen Maura mimt die typisch spanische Großmutter, die am liebsten alles bestimmt, Ingeborga Dapkunaite die resolute Einwanderin aus der Ukraine, die sich dauern vor der Polizei verstecken muss, weil sie keine gültigen Einreisepapiere besitzt. Jacques Gamblin füllt derweil den Part des liebenswerten Chaoten aus, der nicht einmal in der Lage ist, einem Kunden die Flugtickets nach Hause zu bringen, geschweige denn, seine Tochter pünktlich zur Schule zu fahren.

Dass die belgisch-französische Koproduktion, die mit Darstellern aus Spanien, Belgien und der Ukraine in Französisch, Spanisch, Russisch und Niederländisch gedreht wurde, doch noch funktioniert, liegt zum größten Teil daran, dass die Schauspieler gegen diese Klischees ihre Stärken ausspielen – etwa in der Szene, in der „Abuelita“ unversehens in den Speisesaal eines Altenheimes hineingerät, und sich in ihrem erschrockenen Blick die Angst vor der eigenen Zukunft widerspiegelt.

Darüber hinaus tragen der temporeiche Rhythmus und vor allem eine Kamera, die lauter Details in starken Farben – vor allem in Rot – einfängt, zu einer besonderen Leichtigkeit. Groteske Bilder etwa des Reisebüroinhabers Juan (Co-Autor Pedro Romero), der im Torerokostüm mitten auf der Wiese von Kühen umgeben wird, wechseln sich mit hoch dramatischen Augenblicken ab, etwa als Sonia endlich ihren Mann findet – um zu erkennen, dass er für sie endgültig verlorengegangen ist.

Bei aller Leichtigkeit der Inszenierung, bei aller Alltäglichkeit der skizzierten Figuren spricht das Drehbuch interessante Fragen an, etwa den Schock, den der Weggang eines Elternteiles bei Kindern verursacht, oder auch Schwarzarbeit und illegale Immigration. Dass diese Themen nur angerissen werden, kann einer solchen Komödie kaum vorgeworfen werden. Wenn diese sympathische Groteske indes einen schalen Nachgeschmack hinterlässt, dann deshalb, weil sie ihr Heil in einer zeitgeist-konformen „Patchwork-Familie“ sucht, die sich als verlogenes „Happy End“ entpuppt.
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