CATCH ME IF YOU CAN | Catch me if you can
Filmische Qualität:   
Regie: Steven Spielberg
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Tom Hanks, Christopher Walken, Martin Sheen, Nathalie Baye, Amy Adams
Land, Jahr: USA 2002
Laufzeit: 140 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: S


JOSÉ GARCÍA
Foto: United International Pictures

Die „Gaunerkomödie“ gehört zu den Kinogenres, die immer wieder interessante Filmtypen hervorbringen. Unter diesen „sympathischen Gaunern“ ragen etwa Cary Grant als Diamantendieb in „Über den Dächern von Nizza“ (1955), David Niven als „Superhirn“ (1969) sowie Robert Redford und Paul Newman in „Der Clou“ (1973) heraus.

Natürlich weiß der Zuschauer, der über solche Verbrechen „im echten Leben“ empört reagiert, sehr wohl, dass es sich bei den dargestellten Betrügereien um Unmoralisches handelt. Die Hauptfiguren dieser klassischen Spielfilme verkörpern jedoch so menschliche Grundzüge und werden darüber hinaus so liebenswert gezeichnet, dass sich der Zuschauer trotzdem gerne auf ihre Seite ziehen lässt. Zu diesem scheinbaren Widerspruch der positiv besetzten Darstellung des Unmoralischen schrieb Nikolaus Lobkowicz: „Es entbehrt ja nicht einer paradoxen Komik, wie ‚unmoralisch’ ein großer Teil der literarischen, aber auch der darstellenden Kunst ist, die wir auch als Christen lieben. Wir schätzen sie, weil sie paradigmatisch Dimensionen des ‚Menschlichen’ aufweisen und so daran erinnern, wie wir Menschen sind bzw. sein könnten.“

Solange im Nachspann eines Spielfilmes nach den so genannten Credits der Satz steht: „Jede Übereinstimmung der hier dargestellten Figuren mit lebenden Personen ist rein zufällig“, können wir uns also im Kinosessel getrost zurücklehnen und die unmoralisch handelnden, dafür aber um so sympathischeren Verbrecher als „paradigmatische Dimension des Menschlichen“ ins Herz schließen und uns darüber freuen, wie sie immer wieder die Polizei an der Nase herumführen. Bedenklicher indes wird der affirmative Umgang mit der Darstellung einer unmoralischen Lebensführung, wenn letztere nicht unbedingt der Fiktion entspringt. Und genau dies verspricht der neue Spielfilm von Steven Spielberg „Catch Me If You Can“ bereits im deutschen Untertitel: „Die wahre Story einer genialen Täuschung“, die unglaubliche, aber (im Kern) wahre Geschichte des Frank W. Abagnale.

Frank W. Abagnale gab sich in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre als Kopilot einer namhaften Fluggesellschaft aus, arbeitete als Arzt auf der Unfallstation eines renommierten Krankenhauses, trat als Rechtsanwalt auf ... Und das alles vor seinem 21. Geburtstag, ohne einmal den High School Abschluss zu besitzen. Um sich seinen luxuriösen Lebensstil leisten zu können, fälschte Frank Abagnale darüber hinaus zahlreiche Schecks im Gesamtwert von 2,5 Millionen Dollar. Durch den sich immer mehr ausweitenden Scheckbetrug fiel er schließlich dem FBI auf, das in der Person des Agenten Carl Hanratty den Betrüger jagte. Der Einzelgänger Hanratty machte es sich zur Lebensaufgabe, den jungen Ganoven hinter Schloss und Riegel zu bringen.

Neben ihrem durchgängigen Witz – seit der „Indianer Jones“- Reihe (1981–89) war kein Spielbergscher Film so sehr mit Humor gespickt – besitzt die Gaunerkomödie vor allem einen deutlichen Pluspunkt in der großen schauspielerischen Leistung der beiden Hauptdarsteller. Der mittlerweile 28-jährige Leonardo Di Caprio liefert in der Rolle des Teenagers, der sich für einen zehn Jahre Älteren ausgibt, die beste Leistung seit seiner überzeugenden Darstellung des behinderten Arnie in Lasse Hallströms „Gilbert Grape- Irgendwo in Iowa“ (1993), während sich Tom Hanks soweit zurücknimmt, wie seine Rolle es erfordert: In keinem Augenblick spielt er sich in den Vordergrund. Unterstützt werden sie durch eine Reihe hervorragender Schauspieler, allen voran Christopher Walken als Franks Vater, ein stets optimistischer, aber letztendlich chancenloser Versager.

Die Beziehung Franks zu seinem Vater und zu FBI-Agent Carl Hanratty, der im Laufe des Katz-und-Maus-Spiels für Frank eine Art Ersatzvater wird, stehen im Vordergrund von „Catch Me If You Can“. Damit bezieht Steven Spielberg ein Thema ein, das in seinen Werken stets eine zentrale Stellung einnimmt: die Familie. Als Auslöser für die erstaunliche Verbrecher-Karriere des Frank Abagnale wird die Scheidung seiner Eltern angeführt. Das neue beinahe Vater-Sohn-Verhältnis zu Hanratty birgt für Frank wiederum die Möglichkeit einer Erlösung aus seiner Betrügerexistenz.

Aus heutiger Sicht erklärt Frank Abagnale, der seit Jahren eine gefragte Autorität auf dem Gebiet der Scheckbetrugsbekämpfung ist, in einer im Internet veröffentlichten Erklärung aus Anlass des Filmes dazu: „Ich halte meine Vergangenheit für unmoralisch. Auf sie kann ich nicht stolz sein. Ich bin aber stolz darauf, dass ich mein Leben geändert habe und in den letzten 25 Jahren dazu geholfen habe, den Betrug zu bekämpfen“.

Weil Spielbergs Spielfilm diese Änderung in der Lebenseinstellung Franks plausibel macht, können wir uns entspannt im Kinosessel zurücklehnen und die Irrungen und Wirrungen des jungen Frank Abagnale mitsamt ihrer witzigen Einlagen in „Catch Me If You Can“ als paradigmatische Dimension des Menschlichen vergnügt betrachten. Das richtige Erzähltempo, die ausgezeichnete Kameraführung und nicht zuletzt auch die an die „Sixties“ erinnernde Musik von Spielbergs „Hauskomponisten“ John Williams unterstützen dies außerordentlich.

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