SCHATTEN DER ZEIT | Schatten der Zeit
Filmische Qualität:   
Regie: Florian Gallenberger
Darsteller: Tannishtha Chatterjee, Prashanth Narayanan, Tillotama Shome, Irrfan Khan, Tumpa Das, Sikandar Agarwal, Sova Sen, Soumitra Chatterjee
Land, Jahr: Deutschland 2004
Laufzeit: 109 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --


JOSÉ GARCÍA
Foto: Constantin

Interview mit Regisseur Florian Gallenberger: siehe unten

Während der Kolonialzeit lernen sich in einer Textilfabrik in Indien ein Junge und ein Mädchen kennen. Als Masha an einen Mädchenhändler verkauft werden soll, opfert der junge Ravi seine ganzen Ersparnisse, um ihr die Freiheit zu erkaufen. Er selbst wird erst als Erwachsener die Fabrik verlassen können. In Kalkutta verfehlen die beiden einander immer wieder knapp, doch das Schicksal führt sie Jahre später erneut zusammen.

In der zeitlosen Liebesgeschichte „Schatten der Zeit“ spielt die existentielle Schicksalhaftigkeit eine bedeutende Rolle. Der Film führt aber auch eindringlich vor Augen, wieweit man sich für die Liebe aufzuopfern bereit ist. Florian Gallenbergers Spielfilmdebüt besitzt eine klassische, stets der Erzählung untergeordnete stilistische Form.

„Schatten der Zeit“ wurde mit dem Bayerischen Filmpreis 2004 ausgezeichnet (Bester Erstlingsfilm und Beste Bildgestaltung) und lief bei der Berlinale 2005 außer Konkurrenz.

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Interview mit Drehbuchautor und Regisseur Florian Gallenberger

Wie kommt ein junger deutscher Regisseur auf die Idee, eine „indische“ Geschichte zu erzählen?
Gallenberger: Eigentlich wollte ich in Berlin drehen. Während ich dort recherchierte, habe ich im Radio ein Interview mit einem kleinen Mädchen gehört, das gerade von einer Hilfsorganisation aus einer Teppichfabrik in Indien befreit worden war. Die Geschichte nahm in mir nach und nach Gestalt an. Als dann der Abgabetermin für mein Skript nahte, habe ich ein Exposé innerhalb von anderthalb Tagen verfasst. Es umfasste zwar nur acht Seiten, aber es war der Keim von „Schatten der Zeit“.

Sie standen ja beim bekannten Produzenten Helmut Dietl unter Vertrag.
Gallenberger: Helmut Dietl hatte meinen Abschlussfilm „Quiero Ser“ gesehen, der in Mexiko spielt und der den Kurzfilm-Oscar 2001 gewonnen hatte. Er machte mir ein für einen jungen Regisseur fantastisches Angebot, eine Art Stipendium: ich konnte an einem Drehbuch schreiben, unter der Bedingung, dass Dietl den Film produziert, wenn er es gut findet. Mit der Geschichte in Indien war er sofort einverstanden.

Und wie kamen Sie bei Ihrem Abschlussfilm gerade auf Mexiko?
Gallenberger: Das war einer dieser Zufälle im Leben: Ich sprang für einen syrischen Kommilitonen ein, der kein Visum erhalten hatte, um an einem Filmfestival in Mexiko City teilzunehmen. In der Stadt entdeckte ich Geschichten an jeder Ecke. So fragte ich bei der Filmhochschule Mexiko an, ob sie sich eine Zusammenarbeit vorstellen könnten. Und sie sagten spontan zu.

Obwohl der eine Film in Mexiko, der andere in Indien angesiedelt ist, erzählen sie beide universale Geschichten.
Gallenberger: Es sind ganz klassische Erzählungen. Zum Menschsein gehört das Geschichtenerzählen dazu: Kinder wollen vor dem Schlafengehen eine Geschichte hören. In einer Zeit wie der heutigen, da alles auf den Aktienindex und sonstige Prozentsätze reduziert wird, bewahren diese Geschichte wirklich Bedeutendes, das sich nicht in Zahlen messen lässt. Wenn auch heute viele Konflikte existieren, behandeln Erzählungen Menschen verbindende Fragen: Liebe, Tod und Schicksal, Treue und Glaube.

In „Quiero Ser“ fällt einer der Protagonisten eine bewusste Entscheidung. In „Schatten der Zeit“ spielt eher der Zufall eine dominierende Rolle, etwa in der Schlüsselszene, wo sich die Protagonisten knapp verpassen.
Gallenberger: In der Tat steht am Wendepunkt von „Quiero Ser“ eine bewusste Entscheidung, aber auch dort gibt es genug Platz für Zufall. In „Schatten der Zeit“ steht im Vordergrund eher das Schicksalhafte: eine ganze Zufallskette, die sich später als Schicksal herausstellen wird. Trotzdem haben die Figuren an mehreren Stellen die Möglichkeit, sich anders zu entscheiden. Die Gewichtung mag in den zwei Filmen unterschiedlich sein, aber beide zielen auf eine universale Frage hin: Ist im Leben alles zufällig, sinnlos, oder bin ich meines eigenen Glücks Schmied?

„Schatten de Zeit“ ist Ihr erster Langspielfilm. Gibt es einen großen Unterschied zwischen der Arbeit am Lang- und Kurzfilm?
Gallenberger: Ein ganz pragmatischer Unterschied besteht in der zu verarbeitenden Datenmenge, um es in der Computersprache auszudrücken. Der Langfilm erfordert viel mehr Kraft, den Film als Ganzes zu durchdenken; der Kurzfilm ist so etwas wie ein Sprung aus dem Stand. Sie besitzen einen unterschiedlichen Rhythmus.

Werden Sie in der Zukunft das Drehbuch für Ihre Filme selber schreiben, oder sind Sie auf der Suche nach guten Drehbüchern?
Gallenberger: Das eine schließt das andere nicht aus. Wenn ich gefragt würde, ob ich bei einem guten Drehbuch Regie führen wollte, würde ich natürlich zusagen. Mir gefällt jedoch die Abwechselung im Arbeitsrhythmus sehr. Für „Schatten der Zeit“ habe ich zwei Jahre am Drehbuch geschrieben. Diese Zeit, in der man meditativ-ruhig arbeitet, bildet einen Gegenpol zu der sehr intensiven, hektischen Zeit des Drehens. Zum Geschichtenerzählen gehört auch das Finden, also das Schreiben dazu. Das kostet allerdings Zeit und Geld. Aber ein so reiches Land wie Deutschland sollte sich leisten können, mehr in Drehbuchentwicklung zu investieren.
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