WHISKY | Whisky
Filmische Qualität:   
Regie: Pablo Stoll, Juan Pablo Rebella
Darsteller: Andrés Pazos, Marta Acuña, Jorge Bolani, Ana Katz, Daniel Hendler
Land, Jahr: Uruguay 2004
Laufzeit: 94 Minuten
Genre: Zwischenmenschliche Beziehungen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --


JOSÉ GARCÍA
Foto: Pandora Film

„Lakonisch“ lautet die am häufigsten gebräuchliche Bezeichnung für die Spielfilme des finnischen Regisseurs Aki Kaurismäki. Ein Beiwort, das nicht nur die spärlich eingesetzte Sprache der Figuren, sondern auch die gesamte Filmsprache Kaurismäkis mit ihren langsamen Kamerabewegungen und ihren langen Einstellungen treffend bezeichnet. Dass aber „lakonische Filme“ auch anderswo gedreht werden können, zeigt nun ein wunderbarer „kleiner Film“ aus Uruguay: „Whisky“ der jungen Regisseure Juan Pablo Rebella und Pablo Stoll (beide Jahrgang 1974), der bei den Filmfestspielen Cannes 2004 den Fipresci-Preis sowie den „Prix Originale Regard“ gewann und beim spanischen Filmpreis „Goya“ 2005 als „Bester ausländischer Film“ ausgezeichnet wurde.

Das Leben des Kleinfabrikanten Jacobo Köller (Andrés Pazos) läuft nach einem festgesetzten Ritual: morgens öffnet er das Tor seiner heruntergekommenen Sockenfabrik in einer Seitenstraße Montevideos und lässt seine bereits wartende Angestellte Marta (Mirella Pascual) hinein. Während der Chef die Maschinen in Betrieb setzt, bereitet ihm die treue Seele den morgendlichen Tee zu. Die beiden verrichten ihre Arbeit nahezu ausdruckslos, sie sprechen kaum miteinander, schon gar nicht über persönliche Dinge.

Die tägliche Routine ändert sich schlagartig, als Jacobos Mutter stirbt. Der Junggeselle lädt seinen Bruder Herman (Jorge Bolani), der in Brasilien als erfolgreicher Sockenfabrikant und glücklicher Familienvater lebt, zum traditionellen jüdischen Trauergebet und zur Grabsteinsetzung ein. Den beruflichen Erfolg in Form von einer gutgehenden Fabrik kann Jacobo seinem erfolgreichen Bruder offensichtlich nicht so schnell vorgaukeln. Eine glückliche Ehe lässt sich schon einfacher inszenieren – denkt sich wohl Jacobo, und bittet kurzerhand Marta, sich für ein paar Tage als seine Ehefrau auszugeben. Ohne die Miene zu verziehen, willigt Marta ein. Sie verwandelt die Wohnung des Junggesellen, in der er seine kranke Mutter gepflegt hat, in die Wohnung eines Ehepaars. Sie lassen ein Hochzeitsfoto beim Fotografen anfertigen, der sie auffordert „Whisky“ zu sagen, damit sie so etwas wie ein Lächeln zeigen. Womit auch der Film seinen Titel findet. Eine Reise zum Badeort Piriapolis haucht neues Leben in die eingefahrenen Gewohnheiten des Trios ein.

In beinahe statischen Bildern entfaltet der ruhige Film über die Einsamkeit eine zarte Melancholie, die dem Zuschauer die drei Protagonisten ans Herz wachsen lässt. Dabei wird Marta immer mehr zum Mittelpunkt: „Wir hatten eine Geschichte über zwei Brüder und eine Frau geschrieben, und Mirella Pascual machte einen Film über eine Frau und zwei Brüder daraus“, erklären die Regisseure im Interview mit dem „Tagesspiegel“ (04.05.2005).

Mirella Pascual zieht ihr ganzes Register minimalistischer Gesten – ähnlich Kati Outinen in den Filmen Aki Kaurismäkis. Mit der finnischen Schauspielerin hat sie ein nicht unbedingt als hübsch zu bezeichnendes, dafür um so ausdrucksstarkes Gesicht mit enormer Ausstrahlung gemeinsam – von den zeitgenössischen Filmdarstellerinnen könnte man sich außer Kati Outinen eigentlich nur Mirella Pascual in einem Stummfilm vorstellen.

Mit den Filmen Kaurismäkis hat „Whisky“ aber auch einen ebenso skurrilen, niemals vordergründigen, eher subtilen und intelligenten Humor gemeinsam. Den Vergleich mit dem finnischen Regisseur rechnen sich Juan Pablo Rebella und Pablo Stoll übrigens als große Ehre an: „Es macht uns sehr stolz, wenn wir mit ihm verglichen werden. Er ist unser Idol. Aber wir selbst würden es nie wagen, uns mit ihm zu vergleichen!“, heißt es im bereits erwähnten Interview.
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