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JOSà GARCÃA Foto: Delphi Filmverleih Im Kino stehen ungewollt schwanger gewordene Minderjährige zurzeit hoch im Kurs. Das Drogenkurier-Drama âMaria voll der Gnadeâ (siehe Filmarchiv) handelte unlängst von der 17-jährigen Maria, die in der kolumbianischen Provinz kein einfaches Leben führt: sie ist unzufrieden mit ihrer Arbeit und ihrer Familie, und den Kindeserzeuger liebt sie auch nicht, weshalb sie sich als âMauleselâ anwerben lässt. In einer ähnlichen Situation lernt der Zuschauer die 17-jährige Claire (Lola Naymark) im Spielfilmdebüt von Eléonore Faucher âDie Perlenstickerinnenâ (âBrodeusesâ), diesmal allerdings in der französischen Provinz, kennen. Auch Claire ist schwanger, liebt jedoch den Vater ihres zukünftigen Kindes nicht, der sie lediglich fragt, ob sie das Kind abtreiben will und Geld dafür braucht. Nein, abtreiben will Claire nicht, ebenso wenig wie Maria. Mit ihrer Arbeit an der Supermarktkasse ist sie freilich auch nicht zufrieden. Als ihre Kolleginnen sie auf ihren Körperumfang ansprechen, erfindet sie eine Krebserkrankung, ihre Gewichtszunahme liege am Cortison. Claire erwägt eine anonyme Geburt und will das Kind anschlieÃend zur Adoption frei geben. Von ihrer Schwangerschaft erzählt sie weder den Kolleginnen noch ihrer Familie, der sie eher aus dem Weg geht. In ihr Geheimnis weiht sie lediglich ihre Freundin Lucile ein, die in Lyon studiert, und die ihr rät, bei der als Perlenstickerin für bekannte Unternehmen der Haute Couture arbeitenden Madame Melikian (Ariane Ascaride) nach einer Lehrstelle zu fragen. Denn die Stickerei war schon immer Claires Leidenschaft. Madame Melikian steckt allerdings auch in einer Krise. Seit ihr einziger Sohn bei einem Motorradunfall ums Leben kam, hat sie so gut wie mit dem Leben abgeschlossen und sich in ihr dunkles Atelier zurückgezogen. Trotzdem nimmt Madame Melikian Claire als Lehrling auf, weil sie durch deren Schwangerschaft erkennt, dass sie in irgendeiner Weise Leidensgenossinnen sind. Gesprochen wird in diesem Atelier wenig. Stattdessen bringt die gemeinsame Sprache der Stickerei beide Frauen näher zueinander, so dass zwischen ihnen eine Art Mutter-Tochter-Beziehung entsteht. Vielmehr als die Dialoge sind es kleine Gesten und Blicke, welche die psychologische Entwicklung der Figuren beleuchten, unterstützt von einer stimmigen Bildsprache, in der Grün- und Blautöne dominieren, sowie von der wunderbar traurig-meditativen Musik von Michael Galasso. In ihrem mit dem âGrand Prix de la Semaine de la critiqueâ beim Filmfestival Cannes 2004 ausgezeichneten Spielfilmdebüt gelingt es Eléonore Faucher, die liebevolle Arbeit an den glänzenden Pailletten und den schillernden Perlen auf schimmernder Seide in ruhigen Bildern mit der Kamera einzufangen. Mit ihrem wunderbar ruhigen, kleinen Film setzt die Regisseurin nicht nur einer in Europa fast verschwundenen Handwerkskunst ein Denkmal. Durch die gemeinsame geduldige Arbeit an der Stickerei wächst darüber hinaus eine Freundschaft über Generationen hinweg: âMein Film zeugt von der Leidenschaft, die in dieser künstlerischen Ausdrucksform zu spüren ist, von der tiefen Zufriedenheit, die die langsam wachsende Gestaltung des Kunstwerkes ins eigene Leben überträgt. Und so sind Schönheit, Zartheit und Ausdruckskraft die Kräfte, die Claire und Madame Melikian verbinden und ihnen das Leben neu erschlieÃenâ, erklärt die Regisseurin. Für Ãléonore Faucher eröffnet die Stickerei indes noch eine weitere metaphorische Ebene. Bleibe in der Stickerei die harte Arbeit auf der Rückseite unsichtbar, so verschwinde in einem Film der Entstehungsprozess hinter dem Kunstwerk, sagt die junge Regisseurin. Für die Filmkunst gilt wie für die Schreib- und sonstige Künste: Allein das Endergebnis zählt. Mit welchem Aufwand der Künstler zu seinem Werk gelangt ist, soll auf der Rückseite unsichtbar bleiben. Ihrem Film sieht man den Aufwand gar nicht an, den Ãléonore Faucher treiben musste, um die junge Lola Naymark und die erfahrene Ariane Ascaride zu führen, um die richtigen Bewegungsabläufe im genau richtigen Licht einzufangen, um sie mit der richtigen Musik zu unterlegen. Ein schöneres Kompliment kann einem Filmregisseur wohl kaum gemacht werden. |
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