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JOSÉ GARCÍA In den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts blühte in Europa und Amerika das sorglose Nightclub-Leben wie etwa Walter Ruttmanns Dokumentation Berlin. Symphonie einer Grossstadt auf Zelluloid festgehalten hat , ehe ihm die Weltwirtschaftskrise ein jähes Ende setzte. Im Chicago der zwanziger Jahre genossen die Revue-Divas einen ähnlichen Status wie die ersten Stars der sich langsam zum Massenkulturgut entwickelnden Filmindustrie. Vom Leben als Revue-Inszenierung erzählt Chicago, der Eröffnungsfilm der Berlinale, der für die Oscar-Verleihung im kommenden März dreizehn Mal nominiert wurde und heute im regulären Kinoprogramm anläuft: Velma Kelly (Catherine Zeta-Jones) steht im absoluten Mittelpunkt der Nachtclubszene, während das naive Starlet Roxie Hart (Renée Zellweger) genau von diesem Erfolg träumt. Als beide zu Mörderinnen werden, landen Velma und Roxie im Todestrakt desselben Gefängnisses. Mit Hilfe der cleveren Gefängniswärterin Mama Morton engagiert Roxie Velmas Rechtsanwalt, den gerissenen Strafverteidiger Billy Flynn (Richard Gere) und setzt auf die Macht der Medien, um die Öffentlichkeit für sich einzunehmen. In einer Stadt, in der Mord als eine Art Unterhaltung gilt, entwickelt sich Chorgirl Roxie zu einem echten Star und das Mörderinnen-Duo zur grossen Sensation der Revuewelt. Ein genialer Zug von Chicago besteht in der Einführung der Figuren mit je einem Showauftritt. Dadurch und mit Hilfe akribischer Parallelmontagen vermischt Chicago gekonnt die Ebenen von Showbusiness und realer Welt. Wenn etwa der geldgierige Staranwalt seine Mandantin als in der Grossstadt verführte unschuldige Klosterschülerin darstellt, um den Medien eine tränentriefende Story zu präsentieren, wird dies auf der Show-Seite in grandiose Nummern umgesetzt mit Journalisten als Marionetten, die vom Anwalt an den Fäden gezogen werden, und mit der Angeklagten als Bauchrednerpuppe, der von ihrem Verteidiger vorgefertigte Texte in den Mund gelegt werden. Die Satire auf die Mediengesellschaft und auf die Inszenierung des Lebens als Suche nach kurzfristigem Ruhm ist perfekt. Leider lässt sich Chicago für die Entwicklung dieser Persiflage viel zu viel Zeit. Und um diese Lücke zu füllen, fiel dem Regisseur offensichtlich nichts weiter als aufreizende bis obszöne Revue-Nummern ein. Dreizehn Oscar-Nominierungen scheinen für Chicago ein wenig zu viel des Guten zu sein. |
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