THE STATEMENT | The Statement
Filmische Qualität:   
Regie: Norman Jewison
Darsteller: Michael Caine, Tilda Swinton, Alan Bates, Jeremy Northam, Charlotte Rampling, John Boswall, Matt Craven
Land, Jahr: Kanada / Frankreich / Großbritannien 2003
Laufzeit: 120 Minuten
Genre: Thriller
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: U, G


JOSÉ GARCÍA
Foto: universum film

Zu den sowohl künstlerisch herausragenden als auch inhaltlich diskussionswerten deutschen Filmproduktionen der vergangenen Monate gehören drei Spielfilme, die sich mit dem Nationalsozialismus filmisch auseinandersetzen: Oliver Hirschbiegels „Der Untergang“, der die letzten zwölf Tage Hitlers minuziös rekonstruiert, Volker Schlöndorffs „Der neunte Tag“ um den sich der Mitarbeit mit der Gestapo verweigernden luxemburgischen katholischen Geistlichen Jean Bernard sowie Marc Rothemunds „Sophie Scholl – Die letzten Tage“ über den Widerstand der „Weiße Rose“-Mitglieder gegen die atheistische Weltanschauung des Nationalsozialismus.

In diese Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, in der speziellen Spielart des mit der deutschen Besatzung in Frankreich kollaborierenden Vichy-Regimes, scheint sich auf den ersten Blick der Film „The Statement“ einzureihen, der nun im deutschen Kino startet. Dass „The Statement“ erst jetzt, zwei Jahre nach seiner Produktion, in den deutschen Kinos anläuft, mag vielfältige Gründe haben. Weit mehr indes erstaunt etwas anderes: Wurden die eingangs erwähnten Spielfilme „Der Untergang“, „Der neunte Tag“ und „Sophie Scholl – Die letzten Tage“ von deutschen Regisseuren mit deutschen Schauspielern realisiert, worin eine ihrer Stärken auch lag, so wurde der Film über französische Vergangenheitsbewältigung nach der Romanvorlage des in Irland geborenen, im Jahre 1999 verstorbenen kanadischen Autors Brian Moore vom kanadischen Regisseur Norman Jewison mit britischen Schauspielern (Michael Caine, Tilda Swinton, Jeremy Northam) gedreht.

Im Mittelpunkt von „The Statement“ steht der 70jährige Pierre Brossard (Michael Caine), der – wie der Zuschauer zu Beginn in dokumentarisch anmutenden Schwarzweißaufnahmen sieht – Ende Juli 1944 die Erschießung von sieben jüdischen Männern verantwortete. Fünfzig Jahre später lebt dieser Brossard im Halbuntergrund dank der Unterstützung von ehemaligen Vichy-Funktionären und Teilen der katholischen Kirche, die ihn mit Geldzuwendungen, Unterkünften und Medikamenten versorgen. Nachdem aber in Frankreich ein neues Gesetz zur Verfolgung von „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ in Kraft getreten ist, nehmen eine junge Richterin (Tilda Swinton) und ein Armeeoffizier (Jeremy Northam) die Ermittlungen gegen Brossard wieder auf. Auf der Flucht vor ihnen sowie vor einer geheimnisumwitterten jüdischen Organisation, die ihm nach dem Leben trachtet und ein Bekennerschreiben („Statement“) an seinen Leichnam heften möchte, hetzt Brossard quer durch Frankreich.

Zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Vichy-Regime trägt „The Statement“ kaum bei, denn in seiner Inszenierung als Thriller bleibt er auf der Oberfläche der reinen Verfolgungsjagd stehen. Obwohl Michael Caine es durchaus gelingt, eine Mischung aus Mitleid und Verachtung für Pierre Brossard beim Zuschauer zu erzeugen, bleibt seine widersprüchliche Persönlichkeit eines Kriegsverbrechers, der einerseits noch immer eiskalt mordet und seine Ex-Frau zynisch erpresst, andererseits in seiner tiefen Religiosität Vergebung im Gebet und in der Beichte sucht, die reine antiklerikale Karikatur. Ebensowenig beleuchtet werden die Beweggründe der „katholischen Kirchenmänner“, die sich als Mitglieder einer geheimen Verbindung mit dem Namen „Chevaliers de Sainte Marie“ herausstellen, und die Brossard protegieren.

Der antikirchliche Affekt des Filmes offenbart sich darüber hinaus in der Figur des Kardinals von Lyon, der zwar eine Untersuchungskommission einsetzt, um die Verstrickung der katholischen Kirche im Fall Brossard zu untersuchen, und der Geistlichen jegliche Unterstützung für Brossard untersagt, der jedoch als Kirchenfürst gezeichnet wird, der die Behörden – die Richterin und den Offizier – von oben herab behandelt. Das Porträt Pius‘ XII., das – Mitte der neunziger Jahre! – im Arbeitszimmer des Kardinals hängt, soll offensichtlich eine Anspielung auf das „Schweigen des Vatikans“ gegenüber dem Nazi-Regime sein.

Hatten Spielfilme wie „Der neunte Tag“ und „Sophie Scholl – Die letzten Tage“ das geistesgeschichtliche Ringen zwischen Christentum und Nationalsozialismus einschließlich der Position des Vatikans im Nationalsozialismus differenziert dargestellt, so fällt „The Statement“ in die seit Rolf Hochhuths „Der Stellvertreter“ pauschal wiederholte Kritik gegen die vermeintliche Untätigkeit der Kirche gegenüber dem Nazi-Regime zurück.
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