KRIEG DER WELTEN | War of the Worlds
Filmische Qualität:   
Regie: Steven Spielberg
Darsteller: Tom Cruise, Dakota Fanning, Miranda Otto, Justin Chatwin, Tim Robbins, David Alan Basche, Yul Vazquez, Rick Gonzalez, James DuMont
Land, Jahr: USA 2005
Laufzeit: 116 Minuten
Genre: Science-Fiction/Fantasy
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G


JOSÉ GARCÍA
Foto: UIP

Mit seinem im Jahre 1898 veröffentlichten Roman „The War of the Worlds“ („Krieg der Welten“, Diogenes Verlag) gilt H.G. Wells als Begründer der modernen Science Fiction. „Krieg der Welten“, der die Gattung der interplanetarischen Invasion schuf, erzählte von furchterregenden dreibeinigen Kampfmaschinen, mit denen Marsleute auf der Erde alles vernichten und die Menschheit ausrotten wollen, während das irdische Militär gegen die außerirdischen Invasoren nicht die geringste Chance hat. Zu den wenigen, die sich in Kellerlöchern verstecken können, gehört ein englischer Schriftsteller, der sechs Jahre später von diesen Ereignissen berichtet.

Im Jahre 1938 schuf Orson Welles eine Hörspielfassung des SF-Klassikers, die als Paradebeispiel für die Macht der Medien in die Geschichte einging. Als Orson Welles seine in New Jersey angesiedelte fiktive Reportage ausstrahlte, hielten offenbar Millionen Menschen in den Vereinigten Staaten das Hörspiel für eine authentische Reportage. Die dadurch ausgelöste Massenpanik zitiert etwa Woody Allen in seinem Ende der dreißiger Jahre spielenden Film „Radio Days“ (1987).

Den ungleichen „Krieg der Welten“ hat nun für die Leinwand Steven Spielberg inszeniert, der auf diese Art und Weise – so der Regisseur selbst – „das Gefühl der Bedrohung“ nach dem 11. September verarbeiten wolle. „Krieg der Welten“ stellt allerdings nicht die erste Begegnung des amerikanischen Regisseurs mit „Aliens“ dar. Denn bereits in seinem vierten Spielfilm schilderte er die „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ (Close Encounters of the Third Kind, 1977) zwischen Menschen und Wesen aus einer anderen Welt. Fünf Jahre später folgte mit „E.T. - Der Außerirdische“ („E.T. - the Extra- Terrestrial“, 1982) die wunderbare Freundschaft zwischen einem einsamen zehnjährigen Jungen und dem weisen und gutmütigen Besucher aus einem anderen Planeten.

Doch mit „Krieg der Welten“ wird die Begegnung zwischen Menschen und Aliens richtig gruselig: Nach einem Prolog mit den wörtlich übernommenen ersten Sätzen aus Wells’ Roman und der Einführung der Protagonisten – der geschiedene Dockarbeiter Ray Ferrier (Tom Cruise) mit seinen Kindern Robbie (Justin Chatwin) und Rachel (Dakota Fanning) – kündigen sich die Außerirdischen mit einem außergewöhnlichen Gewitter an. Doch der vermeintliche Blitz entpuppt sich als Strahl, der die Maschinen unter dem Straßenbelag aktivieren soll. Der Asphalt an einer Kreuzung reißt auf, die Erde öffnet sich, und daraus taucht eine der dreibeinigen Kampfmaschinen auf, die mit ihren Strahlen alles zerstören.

Obwohl das Drehbuch von David Koepp die Vorlage weitgehend treu umsetzt, gibt es signifikante Unterschiede zwischen Roman und Film: Kommen die dreibeinigen Maschinen im Buch als eine Art Meteorit auf die Erde, so warten sie im Film gleichsam „Schläfern“ seit Jahrhunderten darauf, von den Außerirdischen geweckt zu werden. Dieser Terrorismus-Bezug wird darüber hinaus ausdrücklich hergestellt, als die 10jährige Rachel ihren Vater fragt: „Sind das Terroristen?“

Der wichtigste Unterschied indes liegt darin, dass der Ich-Erzähler, ein Einzelner, durch eine Familie ersetzt wird. Die Verknüpfung des furchterregenden Szenarios auf der Makro-Ebene mit dem Schicksal einer Familie entspricht der Erzählstruktur der klassischen Katastrophenfilme, so zuletzt in Roland Emmerichs „The Day After Tomorrow“. Die gesamte Inszenierung ähnelt denn auch Emmerichs Film, nicht nur in der Mischung aus Aufnahmen in klaustrophobischen Räumen und den Totalen, sondern etwa auch im Flüchtlingsstrom der in Panik geratenen Menschenmassen. Doch die Familie in „Krieg der Welten“ unterscheidet sich von den Protagonisten in „The Day After Tomorrow“ grundlegend: Gelang es Roland Emmerich, beim Zuschauer Mitgefühl für seine Figuren zu wecken, so fällt es ihm in „Krieg der Welten“ schwer, irgendetwas für die permanent nörgelnden Kinder und für einen Vater zu empfinden, der nicht einmal die angeborenen Allergien seiner Tochter kennt.

Der Schutz der Familie liefert darüber hinaus für Spielberg die Berechtigung, Gewalt gegen andere Menschen auszuüben – so gegen Ogilvy (Tim Robbins), der Ray und Rachel in seinen Keller aufgenommen hatte, aber von einer Panikattacke befallen, alle zu verraten droht. Demgegenüber geschieht die Tötung des den Versteck Teilenden bei Wells mit „einem letzten Funken von Menschlichkeit“ – diese Tat steht beispielhaft für den Rückfall in einen primitiven Zustand, der alles Zivilisatorische abgestreift hat. Trotz technischer Raffinesse bleibt „Krieg der Welten“ hinter den letzen SF-Filmen Spielbergs „Künstliche Intelligenz“ (2001) und „Minority Report“ (2002) eindeutig zurück.
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