BROKEN FLOWERS | Broken Flowers
Filmische Qualität:   
Regie: Jim Jarmusch
Darsteller: Bill Murray, Jeffrey Wright, Heather Alicia Simms, Sharon Stone, Alexis Dziena, Frances Conroy, Jessica Lange, Chloë Sevigny, Tilda Swinton, Julie Delp
Land, Jahr: USA 2005
Laufzeit: 106 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: S +


JOSÉ GARCÍA
Foto: Tobis

Am Wettbewerb des diesjährigen Filmfestivals Cannes nahmen zwei international anerkannte Regisseure mit erstaunlich themenverwandten Filmen teil: Sowohl Wim Wenders mit einer zwanzigminütigen Ovation bedachter „Don’t come knocking” (siehe Filmarchiv) als auch der mit dem „Großen Preis der Jury“ ausgezeichnete „Broken Flowers“ von Jim Jarmusch handeln von der Sehnsucht nach Familie. Beide Filme erzählen von einem abgehalfterten „Don Juan“, der nach einer Vergangenheit voller Affären vor dem Scherbenhaufen des eigenen Liebeslebens steht.

Erfuhr in „Don’t come knocking” der Protagonist eher beiläufig von der Existenz seines inzwischen dreißigjährigen Sohnes, was ihn zu einer Reise in die eigene Vergangenheit und zu einem möglichen Neuanfang führte, so setzt in Jarmuschs „Broken Flowers“ ein rosafarbener Brief den apathisch wirkenden Don Johnston (Bill Murray) in Bewegung. Denn auf diesem maschinengeschriebenen Blatt teilt ihm eine seiner früheren Geliebten anonym mit, dass sie vor 19 Jahren Mutter seines Sohnes wurde.

Mit tätiger Mithilfe seines äthiopischen Nachbarn Winston bricht Don auf, vier ehemalige Geliebten mit je einem Strauß rosa Blumen zu besuchen, um die Absenderin des Briefes und somit die Mutter seines Sohnes herauszufinden. Zunächst fährt Don zu Laura (Sharon Stone), sieht sich allerdings erst den unbeholfenen Verführungsversuchen ihrer halbwüchsigen Tochter ausgesetzt, die in Dons Anwesenheit nackt durch die Wohnung spaziert – ein geschmackloser Fleck in diesem sonst schön bunten Film.

Die weiteren Stationen dieses Roadmovies führen Don zu Dora (Frances Conroy), die ihre Hippievergangenheit gegen eine langweilige Ehe mit einem Immobilienmakler eingetauscht hat, zu Carmen (Jessica Lange), die nach einer erfolgreichen Karriere als Anwältin nun eine „Tierkommunikations“-Praxis führt („Ich kann hören, was Tiere sagen“), und mit Männern im Allgemeinen und mit Don im Besonderen nichts mehr anzufangen weiß. Schlimmer ergeht es Don freilich bei seinem vierten Besuch. Denn Penny (Tilda Swinton), die in einer Art Kommune auf dem Land lebt, reagiert empört auf Dons Frage, ob sie einen Sohn habe. Pennys Zorn spürt Don am eigenen Leibe durch die Schläge, die ihm zwei Motorradfans aus ihrer Kommune versetzen.

Wenn schon in der Wahl des Sujets eine verblüffende Übereinstimmung zwischen Wenders und Jarmusch festgestellt werden kann, so wundert es nicht minder, dass die beiden Filmemacher zum selben Stilmittel greifen, um den Erkenntnisgewinn aus ihrer jeweiligen Reise sichtbar zu machen: Die beiden filmen den „Held“ in einer 360° Kreisfahrt, die all die verpassten Chancen in seinem Leben zum Ausdruck bringt.

Abgesehen davon unterscheiden sich jedoch die Regisseure in ihrer jeweiligen Filmgrammatik deutlich voneinander: Komponiert Wim Wenders betörend schöne, an die Gemälde von Edward Hopper erinnernde Einstellungen, so setzt Jim Jarmusch seinen seit „Stranger Than Paradise“ (1984) charakteristischen Erzählstil ein: Er benutzt weder Überblendungen noch sonstige Übergänge, um von einer Szene zur nächsten zu wechseln. Zwar steht in „Broken Flowers“ innerhalb der einzelnen Kapitel die Kamera nicht still wie in „Stranger Than Paradise“, aber auch hier werden die einzelnen Szenen durch Schwarzblenden getrennt, was zu einer Aneinanderreihung von Impressionen führt.

Spiegeln Wenders schöne Tableaus eine positive Sicht der Vereinigten Staaten wider, so bewegt sich Jarmuschs Vision des suburbanen Amerika – ähnlich seinen früheren Filmen „Stranger Than Paradise“ (1984) und „Down By Law“ (1986) – in einer Welt, die genau das Gegenteil dessen darstellt, was Reiseprospekte für die Vereinigten Staaten versprechen. Sie zeigt so etwas wie die Gegenseite des „amerikanischen Traums“.

„Broken Flowers“ ist mit vier nicht mehr ganz jungen, großartigen Schauspielerinnen (Sharon Stone, Frances Conroy, Jessica Lange, Tilda Swinton) als Dons frühere Freundinnen hervorragend besetzt. Die schauspielerische Hauptlast trägt indes Bill Murray. Zeichnete er sich bereits in Sofia Coppolas „Lost in Translation“ (2003) durch seine minimalistische Mimik aus, so geht es in „Broken Flowers“ eine Spur dramatischer weiter: In seinem Gesicht spiegelt sich regelrecht die Leere im Leben des Don Johnston wider.
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