UNKENRUFE - ZEIT DER VERSÖHNUNG | Unkenrufe - Zeit der Versöhnung
Filmische Qualität:   
Regie: Robert Glinski
Darsteller: Krystyna Janda, Matthias Habich, Dorothea Walda, Bhasker Patel, Udo Samel, Joachim Król, Mareike Carrière, Meret Becker
Land, Jahr: Deutschland / Polen / Großbritannien 2005
Laufzeit: 90 Minuten
Genre: Literatur-Verfilmungen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: X -


JOSÉ GARCÍA
Foto: NFP

Im Jahre 1992 veröffentlichte Günter Grass eine 248 Seiten starke Erzählung über den deutsch-polnischen Dialog, ein Herzensanliegen des 1927 in Danzig geborenen Nobelpreisträgers: Am Allerseelentag 1989 treffen sich in Gdansk ein deutscher Kunsthistoriker und eine polnische Restauratorin, die einige Gemeinsamkeiten haben: Beide sind verwitwet, beide sind Vertriebene, beider Eltern hatten sich gewünscht, einst in ihrer Heimaterde zu ruhen. So kommt es zur Idee einer Deutsch-Polnischen Friedhofsgesellschaft – die Vertriebenen sollen als Tote auf „Versöhnungsfriedhöfe“ zurückkehren dürfen.

Begleitet von den Unkenrufen des im Roman retrospektiv Erzählenden entwickelt sich daraus in den nächsten Jahren ein florierendes Wirtschaftsunternehmen und eine neue deutsche Landnahme in Polen bis hin zu Altersheimen für die „Beerdigungswilligen“ und „Bungagolf“-Anlagen für ihre Enkel. Die Erzählung gerät zur Satire. In seinen eigenen Worten wollte Günter Grass mit „Unkenrufe“ darauf aufmerksam machen, „dass wir allesamt den Fehler machen, im Verhältnis zwischen Deutschen und Polen vorschnell von Versöhnung zu reden. Ob das auf Kirchentagen geschieht oder sonst irgendwo, wird Versöhnung immer schon wie etwas Vorgegebenes, als Ergebnis gefordert und gefeiert zugleich. Das halte ich für falsch. Wir stehen ganz am Anfang und müssen – und das zeigt dieses Buch – an den Ort des Geschehens zurückgehen auf die Friedhöfe. Da finden wir, was wir uns wechselseitig angetan haben. Die Deutschen zuerst den Polen, dann umgekehrt auch die Polen den Deutschen.“

Der polnische Regisseur Robert Glinski hat in einer aufwändigen deutsch-polnischen Koproduktion „Unkenrufe“ verfilmt: Am Allerseelentag 1989 besucht der verwitwete Kunsthistoriker Alexander Reschke (Matthias Habich) Danzig, die Stadt seiner Kindheit. Aus der zufälligen Begegnung mit der ebenfalls verwitweten polnischen Restauratorin Aleksandra Piatowska (Krystyna Janda), die ihrerseits als Kind aus dem litauischen Wilna vertrieben wurde, entsteht die Idee, einen Friedhof für Deutsche in Polen und einen für Polen in Wilna zu errichten.

Kurze Zeit später sind nicht nur Aleksandra und Alexander ein Paar, sondern auch ihre Idee ist Wirklichkeit geworden. Mit Hilfe des deutschen Investors Vielbrand (Udo Samel) und einer Gesellschaftergruppe, der auch ein katholischer und ein evangelischer Pfarrer angehören, wird der Versöhnungsfriedhof eingeweiht. Doch bald stellen sich Schwierigkeiten ein: auf unsensibel mit der Geschichte umgehende Grabinschriften folgen Nazi-Schmierereien auf dem Friedhof. Darüber hinaus kommt es unter den polnischen und deutschen Stiftungsmitgliedern zu Spannungen. Als das Projekt zum reinen Geschäft verkommt, erkennen Aleksandra und Alexander, dass von der ursprünglichen Idee nichts mehr übrig geblieben ist.

Die Verfilmung konzentriert sich auf die heiter-melancholische Liebesgeschichte, die von den zwei großartigen Schauspielern Matthias Habich und Krystyna Janda glaubwürdig dargestellt wird. Zu den Stärken der Filmadaption gehört darüber hinaus die Figur der alten Kaschubin Erna Brakub (Dorothea Walda), die „eigentlich die Personifizierung der Unke ist, die so ihre Fäden spinnt und die Begebenheiten lenkt und leitet“ (Matthias Habich).

Obwohl sich nach der Uraufführung in Danzig Günter Grass zufrieden zeigte – „Es gelingt dem Film, ein ernstes Thema heiter zu behandeln, ohne Schwere. Das gefällt mir, und das entspricht der Erzählung“ –, offenbart vor allem die Dramaturgie allzu deutliche Schwächen. So finden Regisseur Robert Glinski und das Drehbuchtrio Klaus Richter, Pawel Huelle und Cezary Harasimowicz kaum die richtigen Mittel, um die „Unkenrufe“ ins Bild zu setzen. Die Kröte etwa, die Reschke auf dem Weg nach Danzig in die Quere kommt, so dass er gegen die Leitplanke fährt, führt lediglich zur Darstellung gängiger Klischees, die sich freilich als haltlos erweisen.

Trotz renommierter Schauspieler bleiben darüber hinaus die Gesellschafter, etwa der polnische katholische (Zbigniew Zamachowski) und der deutsche evangelische Geistliche (Joachim Król), die um des Geschäfts willen ihre hehren Ideale beiseite schieben, holzschnittartige Figuren.

Ungeschickt in die Geschichte eingefügt sind indes vor allem die bräunlich eingefärbten Rückblenden zur Illustration von Reschkes Kindheit in Danzig. Dass ihn die Kameraden der Hitlerjugend „Unke“ nannten und ihn als Strafe für zu wenig eingesammelte Kartoffelkäfer eine solche Kröte schlucken ließen, wirkt reichlich bemüht.
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