BROTHERS GRIMM | The Brothers Grimm
Filmische Qualität:   
Regie: Terry Gilliam
Darsteller: Matt Damon, Heath Ledger, Monica Bellucci, Peter Stormare, Lena Headey, Jonathan Pryce, Tomás Hanák
Land, Jahr: Tschechien / USA 2005
Laufzeit: 118 Minuten
Genre: Literatur-Verfilmungen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G


JOSÉ GARCÍA
Foto: Concorde

In seinem Spielfilm „Die Abenteuer des Baron Münchhausen“ („The Adventures of Baron Munchhausen“, 1988) gelang es dem britischen Regisseur Terry Gilliam, die bekannte Gestalt neu zu interpretieren. Dazu setzte Gilliam die eine zweite Ebene eröffnende Brechung ein, den leibhaftigen Karl Friedrich Hieronymus Baron Münchhausen einer Theateraufführung seiner berühmten Abenteuer beiwohnen zu lassen. Der „Lügenbaron“ bezichtigt die Darsteller der Geschichtsklitterung, um sodann die Regie selber zu übernehmen, sozusagen als ein Akt der eigenen Ehrenrettung.

Dieser fließende Übergang zwischen Fantasie und Realität, der bereits aus dem früheren Gilliams Science-Fiction-Film „Brazil“ (1985) bekannt war, wurde zum Markenzeichen des ehemaligen „Monty Python's“-Mitglieds: Gilliams Helden aus „Die Abenteuer des Baron von Münchhausen“, „König der Fischer“ (1991) oder „Twelve Monkeys“ (1995) versuchen stets, gleichzeitig in ihrer Fantasiewelt und in der Wirklichkeit zu leben.

Denselben Ansatz wendet der britische Filmemacher in seinem neuesten Film an, der merkwürdigerweise auch bei uns unter dem englischen Originaltitel „Brothers Grimm“ im Kino startet – als wollte der deutsche Verleih Concorde dadurch unterstreichen, dass Gilliams Film eine ganz eigenwillige Sicht der deutschen Dichter wiedergibt, die mit den geschichtlichen Leben der Volksgutsammler kaum etwas gemeinsam hat. Wie in „Die Abenteuer des Baron Münchhausen“ versucht Gilliam in „Brothers Grimm“ erneut die Grenzen zwischen Wahn und Realität zu verwischen.

Im neuen Gilliam-Film ziehen die zwei Brüder Will (Matt Damon) und Jake Grimm (Heath Ledger) zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als Napoleons Truppen weite Teile Deutschlands besetzt halten, durch die deutschen Lande. Sie haben sich auf die Befreiung der Landbevölkerung von Hexen, Gespenstern und Dämonen spezialisiert, deren Austreibung sie mit Hilfe zweier Subalternen selbst inszenieren. Als der französische General Delatombe (Jonathan Pryce) den beiden Betrügern auf die Schliche kommt, werden die gaunerhaften Geisterjäger unter der Folter von Delatombes rechter Hand Cavaldi (Peter Stormare) dazu verpflichtet, das Verschwinden von zehn Mädchen im verwunschenen Wald von Marbaden aufzuklären und die Mädchen zurück zu holen. Unter der Führung der Jägerin Angelica (Lena Heady) brechen die Brüder in den Wald auf, in dem der zugewucherte Turm der Spiegelkönigin (Monica Bellucci) steht.

Die Brücke zwischen Fantasiewelt und Wirklichkeit bilden die von Jakob/Jake aufgezeichneten Sagen – zu denen etwa auch die bereits Angelikas Vater bekannte Geschichte der „Königin im Spiegel“ gehört – die sich auf einmal als Realität erweisen. Den Bezug zur Welt der Gebrüder Grimm stellt Gilliam durch Zitate respektive Neuinterpretationen aus bekannten Märchen – Rotkäppchen, Hänsel und Gretel, Dornröschen, Aschenputtel, Rapunzel oder auch dem Froschkönig – her, die allerdings meistens lediglich für wenige Sekunden auf der Leinwand zu sehen sind, und bald wieder spurlos verschwinden, so dass von ihnen nichts übrig bleibt.

Stört inhaltlich die clowneske, ja stellenweise verunglimpfende Darstellung der Grimm-Brüder als Aufschneider, Hochstapler und Betrüger, so enttäuscht „Brothers Grimm“ filmisch durch das offensichtliche Unvermögen des Regisseurs, aus den zitierten Versatzstücken eine stimmige Welt zusammenzusetzen, die unterschiedlichen Episoden mit einheitlichem Erzählrhythmus in eine Gesamtgeschichte umzusetzen.

Zwar besticht Terry Gilliam erneut mit seinen digitalen Tricks, mit der entfesselten Kamera und den rasanten Kamerafahrten, mit seiner typischen Verwendung von Weitwinkelobjektiven und schrägen Kamerapositionen, mit skurrilen Ausstattungsmerkmalen, wozu etwa Cavaldis bizarre Folterwerkzeugen gehören, sowie dem gekonnten Einsatz von Farbkontrasten – den aller Farbigkeit geraubten Bildern etwa des Dorfes steht die cremefarbene, in helles Licht eingetauchte Welt der Königin im Spiegel entgegen. Die visuelle Wucht des Filmes wiegt jedoch seine inhaltlichen und dramaturgischen Schwächen kaum auf.
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