EDELWEISSPIRATEN | Edelweißpiraten
Filmische Qualität:   
Regie: Niko von Glasow
Darsteller: Anna Thalbach, Iwan Stebunov, Bela B. Felsenheimer
Land, Jahr: Deutschland 2002
Laufzeit: 97 Minuten
Genre: Historische Filme
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: X


JOSÉ GARCÍA
Foto: 3Rosen Filmverleih

Im sechzigsten Jahr nach Kriegsende besann sich das deutsche Kino nicht nur auf die letzten Tage Adolf Hitlers und das Ende der nationalsozialistischen Herrschaft („Der Untergang“, siehe Filmarchiv), sondern auch auf diverse Aspekte des deutschen Widerstands. So entstanden die filmisch wie inhaltlich anspruchsvollen Spielfilme „Der neunte Tag“ (siehe Filmarchiv) und „Sophie Scholl – Die letzten Tage“ (siehe Filmarchiv).

Neben politischen Widerstandsbewegungen, etwa der „Roten Kapelle“ um Harro Schulze-Boysen und Arvid Harnack und dem „Kreisauer Kreis“, die übrigens noch der filmischen Aufarbeitung harren, entstanden im nationalsozialistischen Deutschland weitere oppositionelle Gruppen von Jugendlichen, die sich dem Absolutheitsanspruch der Hitler-Jugend widersetzten. Für das Kino verarbeitete der amerikanische Regisseur Thomas Carter in „Swing Kids“ (1993) die Geschichte dieser hauptsächlich aus der Hamburger Oberschicht stammenden Jugendlichen, die sich durch ihre Kleidung, ihre Musik und ihre Haltung gegenüber dem Ausland von der HJ-Jugend abgrenzten.

Auch in Köln versuchten Jugendliche etwa ab 1941/42 sich innerhalb der Uniformierung und zunehmenden Militarisierung der Hitler-Jugend Freiräume zu schaffen. Nach ihrem Erkennungszeichen – einer Edelweißanstecknadel – wurden sie von der Gestapo „Edelweißpiraten“ genannt. Es waren mehrere tausend Jugendliche, die in der Regel aus dem Arbeitermilieu stammten, und sich in kleineren Gruppen regelmäßig trafen, aber nicht zu einer übergeordneten Organisation vernetzten. Obwohl im Oktober 1944 im Kölner Stadtteil Ehrenfeld dreizehn Angehörige der Edelweißpiraten als Kriminelle zum Tode verurteilt und öffentlich gehängt wurden, brauchte es mehr als sechzig Jahre, bis sie – am 16. Juni 2005 – die offizielle Anerkennung als Widerstandskämpfer erfuhren.

Mit dem Titel „Edelweißpiraten“ haben die Kölner Niko (Regie) und dessen Ehefrau Kiki von Glasow (Drehbuch) einen Spielfilm gedreht, der nach dessen Welturaufführung im Wettbewerb des Filmfestivals in Montreal/Kanada (26. August bis 6. September) nun im deutschen Kino startet. „Edelweißpiraten“ basiert vage auf den Erinnerungen von Jean Jülich, einem der letzten noch lebenden Edelweißpiraten, der mit erkennbar Kölschem Akzent auch die Rolle des Off-Erzählers zu Beginn („So, ich erzähl jetzt was, was ich eigentlich nie einem erzählen wollte, es wollte ja sowieso auch keiner hören. Aber da ich wohl bald tot bin, sage ich das, was ich zu sagen habe, und die nach mir kommen, können damit machen, was sie wollen ... Ich wird’ mich an die Wahrheit halten, so gut wie ich kann“) und am Ende („Ich hab das alles hier erzählt, damit sie nicht vergessen werden“) übernommen hat.

Der ruppig-trotzige Ton, der aus Jean Jülichs Rahmenerzählung spricht, überträgt sich auf die Inszenierung: schmutzig-bräunliche Farben („Wir waren die Schmuddelkinder des Widerstands“, so Jülich), eine nervöse Handkamera, sowie grobkörniges, an Dokumentationen erinnerndes Filmmaterial geben dem Film einen Anstrich spröder Authentizität.

„Edelweißpiraten“ erzählt von Karl (Iwan Stebunov), dessen Vater an der Ostfront kämpft. Der kleine Bruder Peter (Simon Taal) ist begeistertes Mitglied der HJ, der älteste Otto bereits im Krieg gefallen, er hinterlässt Cilly (Anna Thalbach) sowie zwei kleine, uneheliche Kinder. Aus den „Keilereien“ mit der Hitlerjugend in den zerbombten Hinterhöfen von Köln wird es plötzlich ernst, als Karl und seine Freunde in einem zerstörten Haus auf den schwer verwundeten KZ-Flüchtling Hans Steinbrück (Bela B. Felsenheimer) stoßen und ihn bei Cilly verstecken. Der überzeugte Widerstandskämpfer spornt die „Edelweißpiraten“ zu Sabotageakten an. Als aber die Gestapo zum Gegenschlag ausholt und Cilly mit ihren Kindern in die Schusslinie gerät, muss sich Karl zwischen bewaffnetem Kampf und dem Zurücklassen seiner Familie entscheiden

Obwohl sich der Film zum großen Teil auf die Rivalität zwischen Karl und Hans um die Liebe von Cilly und später auch um die des jungen Peter konzentriert, und dadurch das eigentliche Sujet etwas in den Hintergrund gerät, beleuchtet „Edelweißpiraten“ ohne Pathos ein Kapitel lang vergessener deutscher Geschichte.
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