LORD OF WAR – HÄNDLER DES TODES | Lord of War
Filmische Qualität:   
Regie: Andrew Niccol
Darsteller: Nicolas Cage, Ethan Hawke, Jared Leto, Bridget Moynahan, Ian Holm, Sammi Rotibi, Shake Tukhmanyan, Jean-Pierre Nshanian, Jasper Lenz
Land, Jahr: USA 2005
Laufzeit: 120 Minuten
Genre: Thriller
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: G ++, S, X


JOSÉ GARCÍA
Foto: 20th Century Fox

Der neuseeländische Filmregisseur Andrew Niccol (Jahrgang 1964) zeigte bereits mit seinem Spielfilmdebüt „Gattaca“ (1997) auf, dass er für gesellschaftspolitisch relevante Themen einen Weitblick besitzt, den er mit einem durchaus unterhaltsamen Filmgenre zu verknüpfen vermag. Lange Zeit war „Gattaca“ der einzig ernstzunehmende Spielfilm, der den Finger auf die Wunde der unheimlichen Seiten einer durch Eingriffe ins menschliche genetische Erbe veränderten Welt legte. Erst Michael Bays „Die Insel“ (siehe Filmarchiv) nahm sich erneut dieses Themas an, wirkte allerdings keineswegs so überzeugend wie „Gattaca“.

Niccols zweite Regiearbeit „Simone“ („S1mØne“, 2001) beschäftigte sich ebenfalls mit der „Erschaffung eines neuen Menschen“, diesmal in der Variante einer am Computer hergestellten Schauspielerin, die zum gefeierten Star wird. Im Gegensatz zu „Gattaca“ wurde „Simone“ wegen seiner klischeehaften, allzu konventionellen Inszenierung jedoch kein Erfolg, so dass er in Deutschland gar nicht im Kino startete, sondern als DVD veröffentlicht wurde.

Nun nimmt nach vierjähriger Pause Andrew Niccol auf dem Regiestuhl wieder Platz. Entstammt sein dritter Spielfilm „Lord of War – Händler des Todes“ nicht aus der Science-Fiction-Welt wie seine zwei ersten Regiearbeiten, so besitzt er nichtsdestoweniger größte politische Sprengkraft, zumal der Regisseur gar den Anspruch erhebt, die im Film gezeigte Geschichte eines Waffenhändlers beruhe auf Tatsachen. Denn er habe die Hauptfigur aus fünf tatsächlich existierenden Waffenhändlern zusammengefasst: „Im Gegensatz zur fiktiven Figur des Yuri Orlov basieren die gezeigten Vorgänge allesamt auf wahren Begebenheiten“, erklärt Niccol.

Bereits die erste Einstellung soll diese Authentizität unterstreichen: Mitten auf einem mit abgeworfenen Patronenhülsen übersäten, zerstörten Feld steht ein Mann mittleren Alters im Manageranzug, der sich dem Publikum zuwendet, um ihm seine Geschichte zu erzählen.

Nach einer Kamerafahrt, die den Werdegang eines Geschosses von seiner Entstehung in der Munitionsfabrik über die Verfrachtung an einen der Krisenherde dieser Erde bis zum Ziel verfolgt, nimmt die Erzählung des Waffenhändlers Yuri Orlov (Nicolas Cage) im New Yorker Stadtteil „Little Odessa“ im Jahre 1982 ihren Anfang, wo er als Kind einer ukrainischen Auswanderer-Familie aufwuchs, und zusammen mit seinem jüngeren Bruder Vitaly (Jared Leto) im Restaurant seiner Eltern arbeitete.

Als Yuri eines Tages Zeuge einer Schießerei wird, entscheidet er sich, mit Waffen zu handeln. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion versorgt sich Yuri mit Hilfe eines mit ihm verwandten hohen Offiziers in der Ukraine mit den überflüssig gewordenen Beständen an Waffen, Panzern und Kampfhubschraubern, die er vor allem an kleine Diktaturen in Afrika verkauft.

Bricht Yuris Bruder Vitaly unter dem Gewissenskonflikt zusammen, wobei er zu Drogen Zuflucht nimmt, so hält Yuri scheinbar mühelos ein Doppelleben aufrecht. Seine Frau Ava (Bridget Moynahan) ahnt zwar, dass Yuris Geschäfte in Wirklichkeit kaum etwas mit einem angeblichen „Transportwesen“ zu tun haben, hält sich aber aus Yuris „Beruf“ heraus. Größere Probleme bereitet Orlov der Interpol-Agent Jack Valentine (Ethan Hawke), der sich vorgenommen hat, dem Waffenschieber das Handwerk zu legen, und der ihn durch die halbe Welt verfolgt.

In eindrücklichen, teilweise surrealen Bildkompositionen und mit einem effektvollen Schnitt zeigt Regisseur Niccol die Gräueltaten des Krieges, die Bereicherung einiger Diktatoren und Waffenhändler auf Kosten der Armut von Millionen Menschen in weiten Teilen der Erde. Die elementare Brutalität wird durch skurrile Figuren und groteske Situationen abgemildert, ja erst erträglich gemacht. Insbesondere bemüht sich Regisseur Niccol um eine nicht immer gelungene Verknüpfung der bissigen Gesellschaftskritik mit der Ambivalenz eines Menschen wie Yuri Orlov, der sich einerseits die Folgen seiner Geschäfte bewusst wird, andererseits als fürsorglicher Familievater auftritt, der die Spielzeugpistole seines Sohnes in den Müll wirft.

Je menschlicher Hauptdarsteller Nicolas Cage seinen Yuri Orlov verkörpert, desto attraktiver wird indes die Filmfigur, weil die Handlung von seinem Standpunkt aus entwickelt wird, so dass sich dieser Charakter etwa im Kampf mit Interpol-Agent Jack Valentine als Identifikationsfigur für den Zuschauer anbietet.
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