STAY | Stay
Filmische Qualität:   
Regie: Marc Forster
Darsteller: Ewan McGregor, Ryan Gosling, Naomi Watts, Bob Hoskins, Elizabeth Reaser, Janeane Garofalo, Kate Burton, B.D. Wong, John Tormey, Becky Ann
Land, Jahr: USA 2005
Laufzeit: 99 Minuten
Genre: Thriller
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: S
Auf DVD: 8/2006


JOSÉ GARCÍA
Foto: Kinowelt

Das Medium Film wurde jahrzehntelang von einer linearen Erzählstruktur geprägt. Obwohl von Anfang an Rückblenden in die Haupthandlung eingefügt werden konnten, blieb die chronologische Reihenfolge der dargestellten Ereignisse die Grundstruktur im Spielfilm. Erst Quentin Tarantinos „Pulp Fiction“ (1994) entfachte eine Revolution der filmischen Erzählmuster, indem er zwei Schnitte im Zeitkontinuum vornahm, die „Pulp Fiction“ ungemein verschachtelt erscheinen ließ.

„Pulp Fiction“ fand einen würdigen Nachfolger in Christopher Nolans „Memento“ (2000), der ebenfalls die Chronologie aufbrach: „Memento“ setzte die Teile eines Puzzles in umgekehrter chronologischer Folge zusammen.

Möglichkeiten, eine lineare Erzählstruktur zu durchbrechen, bieten darüber hinaus auch so genannte „Mysterythriller“, die in scheinbar chronologischer Abfolge Sein und Schein durcheinanderwirbeln. Als Paradebeispiel dieses Genres gilt neben Paul Austers Regiedebüt „Lulu on the Bridge“ (1998) vor allem M. Night Shyamalans „The Sixth Sense“ (1999). Mit ungewohnten Bildperspektiven und ähnlichen Stilmitteln bewegt sich „The Sixth Sense“ stets auf einem schmalen Grat zwischen Realem und Traumhaftem, der erst in der Auflösung des Filmes stimmig zurechtgerückt wird.

Marc Forsters „Stay“, der an der „Panorama“-Sektion der diesjährigen Berlinale teilnahm und nun im regulären Kinoprogramm angelaufen ist, steht nun in der Nachfolge dieser Spielfilme.

Wie in „The Sixth Sense“ steht im Mittelpunkt von „Stay“ ein Psychiater: Sam Foster (Ewan McGregor), der von einer Kollegin den Fall des Kunststudenten Henry Lethem (Ryan Gosling) übernimmt. Henry leidet seit einem Unfall auf der New Yorker Brooklyn Bridge offenbar an Amnesie und Schuldgefühlen, kann andererseits erstaunliche Vorhersagen treffen. Um so besorgter zeigt sich der Psychiater, als Henry ihm eröffnet, an seinem 21. Geburtstag genau um Mitternacht werde er seinem Künstler-Vorbild nacheifern, der den Selbstmord als vollendetes Kunstwerk bezeichnete. Sam Foster bleiben nur noch drei Tage, die Tragödie zu verhindern.

Je mehr sich der Psychiater mit dem verwirrenden Leben Henrys beschäftigt, desto mehr gerät sein eigenes Leben aus den Fugen. Sam gefährdet sogar seine Beziehung zu seiner Frau Lila (Naomi Watts), eine Kunstdozentin, die er einst nach einem gescheiterten Selbstmordversuch behandelte – die Gemeinsamkeiten mit Henry werden immer offensichtlicher. Mit zunehmender Dauer wird die Grenze zwischen Realität und Wahnwelt immer durchlässiger.

Um diese unscharfe Trennung ins Bild zu rücken, findet Kameramann Roberto Schaefer überraschende Kompositionen und Perspektiven. Er zeigt bevorzugt Nahaufnahmen der Figuren, während die Hintergründe eher schillernd, verschwommen erscheinen

Noch stärker als durch seine außergewöhnliche Kameraarbeit besticht „Stay“ durch einen hervorragenden Schnitt mit unerwarteten Übergängen und raffinierten Überblendungen, die unterschiedliche Zeitebenen verbinden. Die immer hektischer werdenden Kamerabewegungen und die rasante Montage entwickeln einen eigenen visuellen Stil.

Die von „Stay“ aufgeworfenen Themen: Was ist real, was ist lediglich Projektion, was entspringt dem Traum oder einer Halluzination, stellt letztendlich die menschliche Wahrnehmungsfähigkeit in Frage. Die überraschende, genretypische Auflösung in „Stay“ beantwortet denn auch nicht alle Fragen, die das Vexierspiel aufgeworfen hatte. Aber sie soll sie auch nicht vollständig beantworten.

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DVD-Bonusmaterial
Außer den üblichen Trailern und Interviews mit Hauptdarstellern und dem Regisseur bietet es einen wegen des außergewöhnlichen Filmlooks besonders aufschlussreichen Audiokommentar von Regisseur und den für Schnitt, Kamera sowie Design verantwortlichen Crew-Mitgliedern, ein Featurette über die Filmmusik sowie eine angesichts des Filmsujets ausgesprochen relevante Dokumentation.
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