THE NEW WORLD | The New World
Filmische Qualität:   
Regie: Terrence Malick
Darsteller: Colin Farrell, Q'Orianka Kilcher, Christopher Plummer, Christian Bale, August Schellenberg, Wes Studi, David Thewlis, Yorick Van Wageningen
Land, Jahr: USA 2005
Laufzeit: 135 Minuten
Genre: Historische Filme
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G


JOSÉ GARCÍA
Foto: Warner Bros.

Zu den Gründungsmythen der Vereinigten Staaten gehört die legendenhafte Rettung John Smiths durch die Häuptlingstochter Pocahontas. John Smith gehörte zur Besatzung der drei kleinen Segelschiffe, die im April 1607 im Auftrag der königlichen Virginia Company in der „Neuen Welt“ eine neue Heimat gründen wollten. Obwohl bereits im Jahre 1585 Sir Walter Raleigh eine erste englische Kolonie im neuen Kontinent errichtet hatte, war Raleighs Siedlungsversuch gescheitert. So wurde Jamestown, der von John Smith gegründete Stützpunkt, die erste dauerhafte Besiedelung englischer Auswanderer im Gebiet der heutigen Vereinigten Staaten, wo später Baltimore und Washington entstehen sollten, und zwar dreizehn Jahre vor der Ankunft der „Pilgerväter“ an Bord des Schiffes „Mayflower“ (1620).

Historisch gesichert ist Pocahontas Eintreten für John Smith jedoch keineswegs. In einem Beitrag für „Die Zeit“ schreibt Klaus Theweleit, Soziologe und Autor eines vierbändigen Werkes über den „Pocahontas-Komplex“, John Smith erwähne Pocahontas’ Tat erst in seiner letzten Darstellung aus dem Jahre 1624, in seinem vierten Buch zu Virginia. „Zu diesem Zeitpunkt, 17 Jahre nach dem Vorfall, sind alle an der Szene Beteiligten tot, außer ihm selbst. Smith darf als einer der Miterfinder eines neuen Genres gelten, des ‚historischen Romans’“, führt Theweleit dazu aus.

Terrence Malicks bildgewaltiges Spielfilmepos „The New World“ übernimmt indes, wenigstens in seiner ersten Hälfte, den Standpunkt John Smiths: Kaum sind die Engländer an Land gegangen, soll Captain Smith (Colin Farrell) wegen einer Meuterei auf der Überfahrt hingerichtet werden, aber der Oberbefehlshaber Christopher Newport (Christopher Plümmer) begnadigt ihn. Als Captain Smith eine Expedition ins Landesinnere anführt, wird er von den Eingeborenen gefangen genommen. Ehe jedoch das Todesurteil vollstreckt werden kann, wird John Smith von der Lieblingstochter (Q'Orianka Kilcher) des mächtigen Häuptlings Powhatan gerettet.

„The New World“ erzählt die legendäre zarte Romanze zwischen dem Europäer und der Eingeborenen, aber auch verbürgte Tatsachen wie Pocahontas’ Versorgung der Engländer mit Nahrungsmitteln – „Ohne sie wären wir verhungert“, schrieb in einem Bericht einer der Siedler im Jahre 1608 – sowie ihre Heirat mit dem Tabakpflanzer John Rolfe (Christian Bale) und schließlich ihre Reise nach England an den Hof Jakobs I.

In der Filmsprache des Kinos von Terrence Malik wird allerdings neben der eigentlichen Handlung dem eigenen visuellen Konzept eine genauso große Bedeutung eingeräumt. Wie bereits in seinem letzten Film, dem mit dem „Goldenen Bären“ der Berlinale 1999 ausgezeichneten „Der schmale Grat“ („The Thin Red Line“), hört der Zuschauer die Gedanken der Protagonisten aus dem Off. Die langsamen, häufig subjektiven Kamerafahrten, die meisterhaft komponierten Bildeinstellungen sowie die sprunghaft geschnittene Bilder statt fließender Abfolge von Nahaufnahmen lassen „The New World“ gar als eine Fortsetzung von „Der schmale Grat“ gelesen werden.

Beginnt „Der schmale Grat“ mit der Landung amerikanischer Soldaten auf die pazifische Salomon-Insel Guadalcanal, so zeigen die ersten Bilder von „The New World“ ebenfalls Wasser: Eingeborene schwimmen im Meer, während die drei englische Schiffe, untermalt von Richard Wagners „Rheingold“-Vorspiel, zur Landung ansetzen.

Sowohl in Guadalcanal als auch an der amerikanischen Küste findet der „weiße Mann“ einen Zustand vor, der mit viel Sonne und üppiger Natur zu unberührtem Paradies idealisiert wird. Malick zeigt die Eingeborenen als Menschen, die „kein Lug und Trug, weder Gier noch Eifersucht“ kennen: Während unter den Engländern sogar Kannibalismus vorkommt, erscheinen die „Indianer“ als Naturwesen, die von den Engländern aus dem Paradies vertrieben werden.

Dieses naive Bild von paradiesischer Unberührtheit setzt sich in der Naturreligion fort, der Pocahontas offensichtlich anhängt, da sie zur „Mutter“ Natur betet. Zwar wird sie später auf den Namen Rebecca getauft, und in England wird sie mit erstaunter Bewunderung die Kathedrale besuchen, aber der Regisseur lässt offen, ob diese Taufe echter Überzeugung entsprang. In sein Konzept vom „Naturparadies“, das vom Einfall der „Zivilisation“ zerstört wird, passt sie jedenfalls kaum.
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