|
||||||||||||||||
JOSà GARCÃA Foto: Warner Bros. Zu den Gründungsmythen der Vereinigten Staaten gehört die legendenhafte Rettung John Smiths durch die Häuptlingstochter Pocahontas. John Smith gehörte zur Besatzung der drei kleinen Segelschiffe, die im April 1607 im Auftrag der königlichen Virginia Company in der âNeuen Weltâ eine neue Heimat gründen wollten. Obwohl bereits im Jahre 1585 Sir Walter Raleigh eine erste englische Kolonie im neuen Kontinent errichtet hatte, war Raleighs Siedlungsversuch gescheitert. So wurde Jamestown, der von John Smith gegründete Stützpunkt, die erste dauerhafte Besiedelung englischer Auswanderer im Gebiet der heutigen Vereinigten Staaten, wo später Baltimore und Washington entstehen sollten, und zwar dreizehn Jahre vor der Ankunft der âPilgerväterâ an Bord des Schiffes âMayflowerâ (1620). Historisch gesichert ist Pocahontas Eintreten für John Smith jedoch keineswegs. In einem Beitrag für âDie Zeitâ schreibt Klaus Theweleit, Soziologe und Autor eines vierbändigen Werkes über den âPocahontas-Komplexâ, John Smith erwähne Pocahontasâ Tat erst in seiner letzten Darstellung aus dem Jahre 1624, in seinem vierten Buch zu Virginia. âZu diesem Zeitpunkt, 17 Jahre nach dem Vorfall, sind alle an der Szene Beteiligten tot, auÃer ihm selbst. Smith darf als einer der Miterfinder eines neuen Genres gelten, des âhistorischen Romansââ, führt Theweleit dazu aus. Terrence Malicks bildgewaltiges Spielfilmepos âThe New Worldâ übernimmt indes, wenigstens in seiner ersten Hälfte, den Standpunkt John Smiths: Kaum sind die Engländer an Land gegangen, soll Captain Smith (Colin Farrell) wegen einer Meuterei auf der Ãberfahrt hingerichtet werden, aber der Oberbefehlshaber Christopher Newport (Christopher Plümmer) begnadigt ihn. Als Captain Smith eine Expedition ins Landesinnere anführt, wird er von den Eingeborenen gefangen genommen. Ehe jedoch das Todesurteil vollstreckt werden kann, wird John Smith von der Lieblingstochter (Q'Orianka Kilcher) des mächtigen Häuptlings Powhatan gerettet. âThe New Worldâ erzählt die legendäre zarte Romanze zwischen dem Europäer und der Eingeborenen, aber auch verbürgte Tatsachen wie Pocahontasâ Versorgung der Engländer mit Nahrungsmitteln â âOhne sie wären wir verhungertâ, schrieb in einem Bericht einer der Siedler im Jahre 1608 â sowie ihre Heirat mit dem Tabakpflanzer John Rolfe (Christian Bale) und schlieÃlich ihre Reise nach England an den Hof Jakobs I. In der Filmsprache des Kinos von Terrence Malik wird allerdings neben der eigentlichen Handlung dem eigenen visuellen Konzept eine genauso groÃe Bedeutung eingeräumt. Wie bereits in seinem letzten Film, dem mit dem âGoldenen Bärenâ der Berlinale 1999 ausgezeichneten âDer schmale Gratâ (âThe Thin Red Lineâ), hört der Zuschauer die Gedanken der Protagonisten aus dem Off. Die langsamen, häufig subjektiven Kamerafahrten, die meisterhaft komponierten Bildeinstellungen sowie die sprunghaft geschnittene Bilder statt flieÃender Abfolge von Nahaufnahmen lassen âThe New Worldâ gar als eine Fortsetzung von âDer schmale Gratâ gelesen werden. Beginnt âDer schmale Gratâ mit der Landung amerikanischer Soldaten auf die pazifische Salomon-Insel Guadalcanal, so zeigen die ersten Bilder von âThe New Worldâ ebenfalls Wasser: Eingeborene schwimmen im Meer, während die drei englische Schiffe, untermalt von Richard Wagners âRheingoldâ-Vorspiel, zur Landung ansetzen. Sowohl in Guadalcanal als auch an der amerikanischen Küste findet der âweiÃe Mannâ einen Zustand vor, der mit viel Sonne und üppiger Natur zu unberührtem Paradies idealisiert wird. Malick zeigt die Eingeborenen als Menschen, die âkein Lug und Trug, weder Gier noch Eifersuchtâ kennen: Während unter den Engländern sogar Kannibalismus vorkommt, erscheinen die âIndianerâ als Naturwesen, die von den Engländern aus dem Paradies vertrieben werden. Dieses naive Bild von paradiesischer Unberührtheit setzt sich in der Naturreligion fort, der Pocahontas offensichtlich anhängt, da sie zur âMutterâ Natur betet. Zwar wird sie später auf den Namen Rebecca getauft, und in England wird sie mit erstaunter Bewunderung die Kathedrale besuchen, aber der Regisseur lässt offen, ob diese Taufe echter Ãberzeugung entsprang. In sein Konzept vom âNaturparadiesâ, das vom Einfall der âZivilisationâ zerstört wird, passt sie jedenfalls kaum. |
||||||||||||||||
|