BROKEBACK MOUNTAIN | Brokeback Mountain
Filmische Qualität:   
Regie: Ang Lee
Darsteller: Heath Ledger, Jake Gyllenhall, Ann Hathaway, Michelle Williams, Randy Quaid, Kate Mara, Linda Cardellini, Graham Beckel
Land, Jahr: USA 2005
Laufzeit: 134 Minuten
Genre: Zwischenmenschliche Beziehungen
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: U, X


JOSÉ GARCÍA
Foto: TOBIS

Obwohl mit Preisen – darunter dem „Goldenen Löwen“ der Internationalen Filmfestspiele Venedig 2005 – überhäuft, konnte „Brokeback Mountain“ bei der Oscarvergabe nicht die erwartete Ausbeute erreichen, insbesondere nicht den begehrtesten Oscar als „Bester Film“ gewinnen.

In von genretypischen melancholischen Gitarrenklängen der oscar-prämierten Musik Gustavo Santaolallas unterstützten, epischen „Western“-Bildern, die in Totalen eine wunderschön-spröde Landschaft einfangen, schildert Ang Lee die langsam-vorsichtige Annährung von Ennis Del Mar (Heath Ledger) und Jack Twist (Jake Gyllenhaal): Die erst 19-Jährigen schützen eine Schafherde vor Wilderern und Raubtieren auf dem (fiktiven) Berg Brokeback im Wyoming des Jahres 1963. Wochenlang gehen sie wortkarg ihren Beschäftigungen nach, um dann urplötzlich eines Nachts in Leidenschaft füreinander zu entbrennen. Obwohl sich Ennis und Jack am nächsten Morgen gegenseitig versichern, sie seien nicht homosexuell und das solle ein einmaliger Vorfall bleiben, verbindet sie nun eine neue Intimität. Der Sommer in den Bergen von Wyoming ist jedoch bald zu Ende, und ihre Wege trennen sich.

Ennis heiratet kurze Zeit später seine Verlobte Alma (Michelle Williams). Jack geht ebenfalls den Bund fürs Leben mit der Rodeo-Reiterin, aus begütertem Elternhaus stammenden Lureen (Anne Hathaway) ein. Die Zeit vergeht, Kinder werden geboren: Ennis und Alma bekommen zwei Töchter, Jack und Lureen einen Sohn. Dass die bürgerliche Existenz Ennis und Jack zunehmend einengt, setzen Regisseur Ang Lee und sein Kameramann Rodrigo Prieto allzu deutlich ins Bild: die Panoramabilder der Berge lassen – vor allem bei Ennis – einer beengten Wohnung Platz. Aus dieser Eingeengtheit brechen Jack und Ennis hin und wieder aus, indem sie von Zeit zu Zeit „Anglerausflüge“ in den Bergen zu zweit unternehmen.

Kann dieser Gegensatz zwischen den weiten Natur- und den einschnürenden Innenaufnahmen als ein virtuoses filmisches Stilmittel bezeichnet werden, so ist der uneinheitliche Erzählrhythmus wohl das auffälligste dramaturgische Manko von „Brokeback Mountain“: Der ruhige Erzählfluss des Filmbeginns wird in der zweiten Hälfte zu einer eintönigen Wiederholung des immer Gleichen: Unzufriedenes Familienleben, das in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen durch die Zeit am „Brokeback Mountain“ unterbrochen wird. Zu den Unzulänglichkeiten des ebenfalls mit dem Oscar ausgezeichneten, nach einer Kurzerzählung Annie Proulxs entstandenen Drehbuchs von Larry McMurtry und Diana Ossana gehört ebenfalls, dass von den Kindern lediglich Ennis’ älteste Tochter Alma jun. irgendeine bemerkenswerte Rolle spielt, während ihre Schwester sowie Jacks Sohn aus dem Film vollends verschwinden.

Daher erscheinen Bezeichnungen wie „Meisterwerk“ für diesen eher durchschnittlichen Spielfilm kaum verständlich. Der ambitionierte Film bringt sich selbst zwar, etwa durch den Ausspruch „Alles was wir haben ist hier, ist Brokeback!“ mit seinem wohl bewussten Anklang an den berühmten Leitsatz aus „Casablanca“ („Uns bleibt immer noch Paris“) in die Nähe tragischer Liebeserzählungen wie eben „Casablanca“ oder auch „Von Winde verweht“. Hinter einem solchen Bemühen verbirgt sich jedoch allzu deutlich der ideologische Anspruch, mit einer gleichgeschlechtlichen „Liebesgeschichte“ die „Tabus und Vorurteile“ der – wie der Filmverleih ausführt – „engstirnigen Moralvorstellungen in der konservativen US-Provinz“ durchbrechen zu wollen.

Die Romantisierung der immer währenden Rückkehr der zwei Männer an den Ort ihrer ersten Begegnung „Brokeback Mountain“ kontrastiert mit dem trostlosen Familienleben, das sie als Fassade führen, und das nicht nur sie, sondern auch ihre Ehefrauen unglücklich macht: Nicht umsonst gehört die Szene, in der Ennis’ Frau Alma den wahren Charakter der Beziehung ihres Mannes zu Jack entdeckt, zu den ergreifendsten Augenblicken von „Brokeback Mountain“. Dadurch gelangt Ang Lees Film freilich in die Nähe des Thesenfilms: Die Handlung und die Figuren dienen zur Illustration einer vorgefertigten Meinung.

Dass sich Ennis und Jack ihrer Beziehung ausschließlich in Ausnahmesituationen hingeben dürfen, wird von den Filmemachern als tragische Folge einer „unerfüllten Liebe“ dargestellt. Dieser Eskapismus enthebt sie allerdings schlichtweg der Bewährungsprobe im Alltag. Auch deshalb trifft die Bezeichnung „Liebesfilm“ für „Brokeback Mountain“ keinesfalls zu.
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