TIGER UND DER SCHNEE, DER | La tigre e la neve
Filmische Qualität:   
Regie: Roberto Benigni,
Darsteller: Roberto Benigni, Nicoletta Braschi, Jean Reno, Tom Waits, Emilia Fox, Gianfranco Varetto, Giuseppe Battiston
Land, Jahr: Italien 2005
Laufzeit: 114 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 6 Jahren
Einschränkungen: --
Auf DVD: 12/2006


JOSÉ GARCÍA
Foto: Concorde

Roberto Benigni wurde in Deutschland insbesondere mit seinem mit drei Oscar ausgezeichneten Spielfilm „Das Leben ist schön“ („La vita è bella“, 1997) bekannt: Die mit Slapstick-Elementen durchsetzte märchenhafte Tragikomödie machte sich über die nationalsozialistische Schreckensherrschaft lustig, ohne jedoch das Grauen zu verharmlosen.

Nachdem Benignis nächster Film „Roberto Benigni’s Pinocchio“ (siehe Filmarchiv) im Jahre 2002, vor allem wegen des überdrehten Spiels Roberto Benignis Schiffbruch erlitt, variiert der italienische Schauspieler und Regisseur in seinem aktuellen Film „Der Tiger und der Schnee“ das Thema seines großen Erfolgfilmes „Das Leben ist schön“, indem er „den Schrecken und den Wahnsinn des Irak-Krieges mit tragikomischen Elementen zu verbinden“ sucht (Filmbewertungsstelle Wiesbaden in ihrem Gutachten zur Verleihung des Prädikats „besonders wertvoll“).

Tatsächlich scheint die Hauptfigur in „Der Tiger und der Schnee“, der Dichter Attilio de Giovanni (Roberto Benigni), eine Neuauflage des verträumten, romantischen, aber enorm redegewandten Guido aus „Das Leben ist schön“ zu sein, der mit seinen fantasiereichen Einfällen das Herz seiner Angebeteten, der schönen Lehrerin Dora, gewinnt: Attilio schert sich um die Weltpolitik genauso wenig, wie sich Guido um das Heraufziehen von Faschismus und Antisemitismus im Italien des Jahres 1939 kümmerte.

Attilio ist Universitätsdozent für Poesie, der letztens eine Sammlung seiner Verse mit dem Titel „Der Tiger und der Schnee“ veröffentlicht hat. Trotz seiner Affäre mit einer jüngeren Kollegin träumt er jede Nacht von der Hochzeit mit seiner angebeteten Vittoria (Nicoletta Braschi). Die reale Vittoria, die als Verlagslektorin mit dem irakischen Dichter Fuad (Jean Reno) an dessen neuem Buch arbeitet, zeigt freilich kein Interesse am Attilios Werben um sie. Als sie zu Fuad nach Bagdad fliegt, wird Vittoria am ersten Tag des zweiten Irak-Krieges verletzt. Attilio schmuggelt sich als falscher Arzt einer Hilfsorganisation in den Irak ein, um für die im Koma liegende Vittoria die fehlende, rettende Medizin in einem völlig zerstörten Land zu finden. Tatsächlich gelingt es ihm, durch einen Posten paranoider, vor Angst zitternder US-Soldaten, die ihn für einen Selbstmordattentäter halten, ins umkämpfte Bagdad zu gelangen.

Bereits die erste Sequenz in einer märchenhaft anmutenden Kulisse mit „Teatro Buffo“-Einlagen, auf die nach einem Schnitt realistische Bilder aus Rom im März 2003 folgen, deutet die Mischung aus Traum- und Realszenen an, die „Der Tiger und der Schnee“ bestimmt. Benigni verknüpft Fantasie mit Wirklichkeit. Die Irak-Kulisse fügt sich ins Bild ein: Der Irak-Krieg liefert Roberto Benigni lediglich die Folie, auf der er eine Liebesgeschichte entfaltet.

In „Das Leben ist schön“ porträtierte Benigni einen Vater, der aus Liebe zu seinem kleinen Sohn die Gräuel eines Konzentrationslagers verleugnete. In „Der Tiger und der Schnee“ erzählt der italienische Regisseur und Schauspieler von einem Mann, der mitten in einem unsinnigen Krieg für seine Liebe unter Einsatz seines Lebens zu kämpfen bereit ist.

Obwohl Benignis zappeliges, überdrehtes Spiel wie in „Pinocchio“ manchmal die Nerven des Zuschauers über Gebühr belastet, gelingt ihm dieser Balanceakt zwischen den Grausamkeiten des Krieges und einer jede Unwägbarkeit besiegenden Liebe. Wenn auch mit seinem neuen Film Benigni die Intensität von „Das Leben ist schön“ nicht erreicht, liest sich „Der Tiger und der Schnee“ erneut wie eine Liebeserklärung an seine Ehefrau und Muse Nicoletta Braschi samt deutlichem Plädoyer für eheliche Treue. Wenn am Filmende mitten in Rom der titelgebende Tiger vom Schnee umweht zu werden scheint, dann liegt auf dieser Szene derselbe Zauber, der die Traumsequenz am Anfang des Filmes bestimmte.

„Der Tiger und der Schnee“ wird leitmotivisch von mehreren Interpretationen des Songs „You Can Never Hold Back Spring“ von Tom Waits begleitet, der in Jim Jarmuschs „Down by Law“ (1986) sowie „Coffee and Cigarettes“ (2003) zusammen mit Roberto Benigni spielte.
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