SCHLÄFER | Schläfer
Filmische Qualität:   
Regie: Benjamin Heisenberg
Darsteller: Bastian Trost, Mehdi Nebbou, Loretta Pflaum, Gundi Ellert, Wolfgang Pregler, Charlotte Eschmann, Jürgen Geißendörfer, Marco Schuler
Land, Jahr: Österreich / Deutschland 2005
Laufzeit: 100 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: X -
Auf DVD: 10/2006


JOSÉ GARCÍA
Foto: Zorro Film

Die Terroranschläge vom 11. September 2001 haben die Sprache um neue Begriffe bereichert. So lernten wir damals, dass ein „Schläfer“ ein zwar bereits angeworbener Agent ist, der aber noch ein normales Leben führt, während er auf seinen Einsatz wartet. Wie soll aber ein „Schläfer“ entlarvt werden? Das Schlüsselwort heißt „Observierung“: Der Verdächtige wird beobachtet, etwa auch mit Hilfe von Berufskollegen.

In seinem Spielfilmdebüt „Schläfer“ thematisiert der Filmregisseur Benjamin Heisenberg die Anwerbung eines jungen Mannes seitens des Verfassungsschutzes: Der junge Wissenschaftler Johannes Merveldt (Bastian Trost) tritt gerade am Lehrstuhl für Virologie der Technischen Universität München eine Doktorandenstelle an, als er von einer Mitarbeiterin des Geheimdienstes angesprochen wird. Zu Johannes’ Kollegen am Hochschulinstitut gehört der Algerier Farid Madani (Mehdi Nebbou), in dem der Verfassungsschutz einen „Schläfer“ vermutet. Johannes soll ihn deshalb beobachten. Lehnt der angehende Wissenschaftler zunächst ab, so ist doch die Saat des Misstrauens gesät.

Jede irgendwie suspekt vorkommende Geste Farids – und sei es so banal wie ein auf Arabisch geführtes Gespräch – nimmt Johannes von da an durch die Brille des Verdachts wahr. Könnten darüber hinaus die mit Silberpapier zugeklebten Fenster in Farids Wohnung nicht ein „Indiz“ dafür sein, dass der freundliche Kollege etwas verbirgt?

Ist die sich schnell entwickelnde Freundschaft zwischen Johannes und Farid von Anfang an mit Misstrauen durchsetzt, so droht die Beziehung regelrecht zu zerbrechen, als sich die beiden in dieselbe Kellnerin Beate (Loretta Pflaum) verlieben, die sich für Farid entscheidet. Erst dann beschließt Johannes, das Angebot des Verfassungsschutzes anzunehmen. Zunächst fällt ihm kaum etwas ein, was er den Geheimdienstbeamten über den Arbeitskollegen erzählen könnte. Das Interesse Johannes’, bei Farid doch noch Hinweise auf einen „Schläfer“ zu finden, steigert sich jedoch merklich, als eine berufliche Konkurrenzsituation eintritt, bei der wiederum Farid vorgezogen wird.

Zwar wirkt „Schläfer“ als Thriller vorsehbar, weil das von Regisseur Benjamin Heisenberg selbst verfasste Drehbuch nicht primär genretypischen Gesetzen folgt, nach denen der Zuschauer mit ihn verunsichernden Indizien hin- und hergerissen wird: Ist er es (ein Spion, ein Verbrecher oder eben ein „Schläfer“) oder ist er es nicht? Heisenberg setzt vielmehr auf den „11. September-Effekt“: Nach dem islamistischen Terroranschlag scheint jeder „Araber“ ein potentieller Täter, ein „Schläfer“ zu sein. Laut des Regisseurs ist sein Langfilmdebüt „ein Film über einen gesellschaftlichen Zustand der Verunsicherung, mehr als über die Gefahr durch den islamistischen Terror, oder die Schuld oder Unschuld einzelner Charaktere“.

Diese Verunsicherung wird durch eine Kameraführung in Szene gesetzt, mittels derer Benjamin Heisenberg die sich wandelnde Wahrnehmung seines Protagonisten Johannes, den schleichenden Prozess der Verdächtigung beim jungen Wissenschaftler verdeutlicht. Zur Authentizität trägt insbesondere die Darstellung des Universitätsalltags entscheidend bei. Regisseur Heisenberg, ein Enkel des Physik-Nobelpreisträgers 1932 Werner Heisenberg, schildert das Umfeld von Johannes und Farid mit im Kino selten gesehener Realitätsnähe.

Im Vergleich etwa zu Florian Henckel von Donnersmarcks Spielfilmdebüt „Das Leben der anderen“ (siehe Filmarchiv) bleiben allerdings die Figuren etwas blass, weshalb „Schläfer“ die Dichte des jüngst mit sieben Deutschen Filmpreisen ausgezeichneten Stasi-Dramas von Henckel von Donnersmarck nicht erreichen kann.

Ähnlich „Das Leben der anderen“ erzählt indes auch „Schläfer“ von moralischen Fragen. Besonders interessant nimmt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach der Religion aus: Als Johannes von seiner pflegebedürftigen Großmutter, bei der er wohnt, gefragt wird, ob er mit ihr beten möchte, weicht er zwar aus, aber am Ende sucht er doch im Gebet Erlösung. Denn letztlich zeugt „Schläfer“ davon, dass alle Entscheidungen, die wir im Leben treffen, eine moralische Dimension besitzen.
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