EINE SCHWALBE MACHT DEN SOMMER | Une hirondelle a fait le printemps
Filmische Qualität:   
Regie: Christian Carion
Darsteller: Michel Serrault, Mathilde Seigner, Jean-Paul Roussillon
Land, Jahr: Frankreich 2001
Laufzeit: 103 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: S


JOSÉ GARCÍA


In einer hektischen Großstadt wie Paris träumen vermutlich Millionen Menschen vom einfachen Leben auf dem Land. Weil dies jedem Zuschauer offenbar einleuchtet, braucht sich ein französischer Film nicht lange mit den Gründen dieser Sehnsucht aufzuhalten. Deshalb führt „Eine Schwalbe macht den Sommer“ ohne lange Vorgeschichte unmittelbar ins Geschehen. Er konfrontiert uns direkt mit einem solchen Entschluss der dreissigjährigen Sandrine. Und doch kommt ihr Vorhaben, ihren lukrativen Job, den Freund und Paris zu verlassen, selbst Sandrines Mutter trotzdem etwas zu plötzlich vor.

Sandrine macht allerdings mit ihrem Plan ernst und schreibt sich in eine Landwirtschaftsschule in der Nähe von Grenoble ein. Nachdem die Städterin dort ihre Ausbildung beendet hat, kauft sie einen Bauernhof hoch oben in den Bergen, um sich in der Einsamkeit niederzulassen. Eine Idylle findet sie allerdings kaum vor; der Film spart unangenehme Situationen wie das Schlachten eines Schweins oder das Totgeborenwerden von Zicklein nicht aus, die realitätsnah-drastisch gezeigt werden. Trotzdem scheint Sandrine in den Voralpen eine echte neue Lebensperspektive gefunden zu haben: Sie kann wider Erwarten nicht nur mit den Ziegen gut umgehen oder mit dem Traktor über die Felder fahren, sondern macht den heruntergekommenen Hof wieder flott und verdient sich durch Zimmervermietung an Öko-Touristen auch noch Einiges dazu.

Sandrines neues Leben hat nur einen Haken: Anderthalb Jahre lang muss sie noch den eigensinnigen Vorbesitzer Adrien im Nebenhaus ertragen, der jede Neuerung mit Argusaugen beobachtet. Denn der alteingesessene Adrien hält Sandrines Erfolg selbstverständlich für eine Schwalbe, der noch keinen Sommer macht. Aber da hat sich der alte Bauer geirrt; auch seine Tricks helfen nicht, Sandrine das Landleben zu vergraulen. Nicht einmal ihr Freund, der unter irgendwelchem Vorwand auf einmal vor der Tür steht, bringt sie zunächst von ihrer Entscheidung ab und wieder in die Stadt.

„Eine Schwalbe macht den Sommer“ konzentriert sich auf die komplexe Beziehung zwischen der jungen Frau und dem alten Bauer – auch die Kamera zeigt Sandrine und Adrien vorwiegend in Nahaufnahmen. Lediglich die Beziehung Sandrines zu ihrem Freund, die zwar explizite Bilder ausspart, in ihrer Permissivität aber die sympathische Geschichte doch trübt, lenkt von der eigentliche Handlung ab.

Obwohl das Drehbuch wohl kaum Originalität für sich reklamieren kann, und die Story trotz der einen oder anderen überraschenden Wendung im Grunde vorhersehbar bleibt, macht es dennoch Spass, dem grandiosen Schauspiel zweier hervorragender Darsteller zuzuschauen. Michel Serrault kann bereits auf eine jahrelange Erfahrung in der Darstellung älterer Männer zurückblicken, die zu einer jungen Frau eine Vater-Tochter-Beziehung entwickeln. Solche Figuren verkörperte er bereits etwa in „Nelly und Monsieur Arnaud“ (1995) und „Das Leben ist ein Spiel“ (1998). In „Eine Schwalbe macht den Sommer“ füllt er die Rolle des mürrischen Neiders, der allmählich sein grosses Herz enthüllt, mit vielsagenden Blicken und der Mimik eines alten Kauzes aus. Aber auch Mathilde Seigner hält einer Kamera stand, die ihr immer sehr nahe rückt, und überzeugt als gefühlvolle Grossstadtpflanze, die auf dem Lande zu neuem Leben erblüht.

So entsteht die Geschichte einer wunderbaren Freundschaft vor der schönen Kulisse der Voralpen. Und weil sie im richtigen Tempo, psychologisch ausgeklügelt und mit knochentrockenem Witz erzählt wird, wundert es nicht, dass der liebenswerte Film in Frankreich mehr als 2,5 Millionen Besucher ins Kino lockte.

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