WORKINGMAN’S DEATH. BILDER ZUR ARBEIT IM 21. JAHRHUNDERT | Workingman’s Death. Bilder zur Arbeit im 21. Jahrhundert
Filmische Qualität:   
Regie: Michael Glawogger
Darsteller: --
Land, Jahr: Österreich / Deutschland 2005
Laufzeit: 122 Minuten
Genre: Dokumentation
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: --


JOSÉ GARCÍA
Foto: realfiction

Im Jahre 1935 wurde der Bergmann Aleksej Stachanov zum „Helden der Arbeit“ in der Sowjetunion erklärt, weil er in nur einer Schicht 102 Tonnen Kohle gefördert haben soll. Archivmaterial über den einstigen „Helden“ stehen am Anfang der fünfteiligen Dokumentation „Workingman’s Death. Bilder zur Arbeit im 21. Jahrhundert“ des österreichischen Regisseurs Michael Glawogger.

Von dieser glorreichen Vergangenheit springen die Bilder in die Gegenwart: Genau dort, wo einst Aleksej Stachanov umjubelt wurde, beginnt eine Weltreise, bei der Michael Glawogger in fünf verschiedenen Ländern – Ukraine, Indonesien, Nigeria, Pakistan und China – Menschen nachspürt, die am Anfang des 21. Jahrhunderts schwerste körperliche Arbeit verrichten.

Wirkt die Propaganda in den ehemaligen Bergwerkzentren der Ukraine noch heute nach, so sieht der Alltag ernüchternd aus: Im ersten Kapitel seiner Dokumentation („Helden“) zeigt der Film arbeitslose Bergleute, die im Donbass durch lediglich vierzig Zentimeter hohe, nur notdürftig abgestützte Stollen kriechen, um dort illegal Kohle für den Eigenbedarf und für den Schwarzmarkt abzubauen.

Die zweite Episode seines Filmes mit dem Titel „Geister“ führt Glawogger nach Ostjava, Indonesien. Dort gewinnen Männer auf dem Krater des Kawah Ijen Schwefel. Sie tragen ein Baumwolltuch über Mund und Nase zum Schutz gegen die Dämpfe. In zwei mit einer Stange verbundenen Weidenkörben transportieren sie die giftig-gelben Schwefelbrocken. Mit einer Last von 100 Kilo auf ihren Schultern klettern die Männer die steinigen Pfade des Vulkans hinunter. Ihnen folgen mit Wackelkamera Regisseur Glawogger und sein Kameramann Wolfgang Thaler auf ihrem Weg vorbei an zahlreichen Touristen.

In Nigeria besucht Michael Glawogger einen riesigen Markt in Port Harcourt, wo von morgens bis abends Kühe und Ziegen geschlachtet, zerteilt, gewaschen, gehäutet und geröstet werden. Dieses dritte Kapitel ist mit „Löwen“ überschrieben – die Arbeiter auf dem überdimensionalen Schlachthof fühlen sich offenbar so stark und selbstbewusst wie diese Tiere.

Die Dokumentarfilm-Reise führt weiter nach Gaddani, Pakistan. Hier zerlegen Hunderte „Brüder“ mit mehr oder weniger bloßen Händen zwischen Explosionen und herabstürzenden Trümmern alte Tankschiffe. „Der Tod ist immer bei uns“, sagt einer dieser Arbeiter.

Die fünfte Episode zeigt die „Zukunft“ in einem Stahlwerk in China. In Anshan, in der Provinz Liaoning glauben chinesische Stahlarbeiter an den Aufschwung durch die technische Modernisierung. Diese Zukunft ist in Duisburg allerdings bereits Vergangenheit, denn im Ruhrgebiet wurden die Hochöfen stillgelegt. Dort entstand ein Freizeitpark, wo „Workingman’s Death. Bilder zur Arbeit im 21. Jahrhundert“ auch endet.

Die Welt, die Michael Glawogger filmisch erschließt, besteht aus einem harten Überlebenskampf, der dem Westeuropäer weitgehend fremd geworden ist. Ein Leben mit dem Tod als ständigem Begleiter. Dennoch: die Dokumentation erhebt keinen Zeigefinger, klagt nicht an. Obwohl vom Thema her ganz anders als Philip Grönings Dokumentarfilm „Die große Stille“ (siehe Filmarchiv), setzt „Workingman’s Death“ ebenso auf die Kraft der Bilder: Michael Glawogger fügt seinem Film genauso wenig wie Philip Gröning Kommentare und Interviews im üblichen Sinne bei. Das Schicksal der Menschen in diesen Extremsituationen erklärt sich von selbst.

Die Bilder setzten sich durch die Farbgebung in den unterschiedlichen Episoden deutlich voneinander ab: Herrscht in der Ukraine ein Grau in Grau vor, so springt das Gelb-Grün des Schwefels in Indonesien ins Auge. In Nigeria dominiert das Rot des Blutes und das Schwarz des Rußes. In Pakistan gesellt sich wiederum zum Rost des Schiffswracks das Blau des Meeres, und in China bestimmen die gelb-roten Funken in den Hochöfen die Farbskala. Nur im Ruhrgebiet funkelt der nächtliche Freizeitpark in unwirklich anmutenden knallbunten Farben.

Diese Bilder erzeugen indes kein Mitleid. Sie ergründen vielmehr die Würde einer körperlichen Arbeit, die den Menschen in der westlichen Welt so gut wie abhanden gekommen ist.
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