ADAMS ÄPFEL | Adams Æbler
Filmische Qualität:   
Regie: Anders Thomas Jensen
Darsteller: Ulrich Thomsen, Mads Mikkelsen, Nikolaj Lie Kaas, Paprika Steen, Nicolas Bro, Ali Kazim, Gyrd Løfqvist, Lars Ranthe, Ole Thestrup
Land, Jahr: Dänemark 2005
Laufzeit: 92 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G
im Kino: 9/2006
Auf DVD: 5/2007


José García
Foto: Delphi

In seinem Spielfilmdebüt „Flickering Lights“ („Blinkende Lygter“, 2000) erzählte der dänische Regisseur Anders Thomas Jensen die Geschichte einer Gangsterbande, der eher unverhofft die Wiedereingliederung in die Gesellschaft gelingt. Das vom Regisseur selbst verfasste Drehbuch arbeitet seine verschrobenen Charaktere fein heraus, die von Ulrich Thomsen, Søren Pilmark, Mads Mikkelsen und Nikolaj Lie Kaas glaubwürdig verkörpert wurden. Gleichzeitig ist „Flickering Lights“ die Geschichte einer klassischen Männerfreundschaft.

Ebenfalls um Männerfreundschaft und um Katharsis geht es in Jensens zweitem Spielfilm „Dänische Delikatessen“ („De grønne slagtere“, 2003). Obwohl die Geschichte der zwei von Mads Mikkelsen und Nikolaj Lie Kaas dargestellten Freunde nicht die Dichte des Spielfilmerstlings erreicht, besticht auch „Dänische Delikatessen“ durch eine eigenwillige Verbindung von tragischen und teilweise makabren sowie komischen Elementen, mit denen tiefgreifende Fragen auf allegorische Weise behandelt werden. Eine Verknüpfung, die außerdem die Drehbücher auszeichnen, die Anders Thomas Jensen für bekannte dänische Regisseure, insbesondere für Lone Scherfigs „Wilbur“ (siehe Filmarchiv) geschrieben hat.

In seinem nun im deutschen Kino anlaufenden dritten Spielfilm „Adams Äpfel“ („Adams Æbler“), bei dem Jensen erneut das Drehbuch geschrieben und Regie geführt hat, behält der 1972 geborene dänische Regisseur diesen Stil bei.

Im Mittelpunkt von „Adams Äpfel“ steht der Neonazi Adam (Ulrich Thomsen). Nach einer Gefängnisstrafe muss er die Bewährungszeit beim gutmütigen Pfarrer Ivan (Mads Mikkelsen) absolvieren, der Straffälligen wie dem Trinker und Vergewaltiger Gunnar und dem arabischen Tankstellenräuber Khalid, zu denen sich später eine schwangere Alkoholikerin (Paprika Steen) gesellt, die Chance einer Wiedereingliederung in die Gesellschaft anbietet.

Die Naivität und Gutmütigkeit, mit der Ivan auf die Widerborstigkeit seiner Schäfchen reagiert, macht den Menschenhasser Adam einfach wütend. Die Unbekümmertheit des Pfarrers erlebt er bereits beim ersten Gespräch, als Ivan ihn auffordert, sich für seine Bewährungszeit ein Ziel zu suchen. Zynisch antwortet Adam, er wolle einen Apfelkuchen backen. Doch der Pfarrer nimmt Adam beim Wort, und steigert sich sofort mit größter Begeisterung in diese Aufgabe hinein.

Fassungslos muss Adam mit ansehen, wie Ivan jeden Rückschlag als Versuchung des Teufels ansieht. Während aber Gunnar und Khalid der manischen Güte Ivans aus dem Weg gehen, reizt es Adam, den Gutmenschen Ivan vom Bösen zu überzeugen. Auch der Neonazi steigert sich in eine „Aufgabe“ hinein, erst recht als er in einer Bibel das Buch Hiob entdeckt: Adam macht sich zum Ziel, das Weltbild des Pfarrers zu erschüttern. Damit beginnt ein allegorischer, mit absurdem Humor durchsetzter und an das alttestamentliche Buch Hiob angelehnter Streit um Gut und Böse.

Mit der Leichtigkeit der Inszenierung in bis an den Rand des Manierismus perfekt komponierten und fotografierten Bildern und der genauen Beobachtung von Menschen und Situationen korrespondiert das überzeugende Ensemble, zu dem zwar verschiedene Typen gehören, die jedoch nie zu reinen Abziehbildern verkommen.

Klischees vermeidet Anders Thomas Jensen ebenfalls in der Erzählung seiner kathartischen Geschichte, die nichtsdestoweniger mit seinem ausgesprochen feinen Gefühl sowohl für Timing als auch für überraschend-groteske Wendungen eine Fabel über existentielle Fragen wie Schuld und Erlösung darstellt.

„Adams Äpfel“ wurde mit dem seit 2003 jährlich vergebenen Kulturpreis der dänischen Pastoren „Gabriel“ ausgezeichnet. In der Jurybegründung heißt es: „Ein Neo-Nazi als Medium der Erlösung, dieser Adam, dieser nackte, gefallene Mensch, muss zu seinem eigenen Erstaunen erkennen, dass er nicht imstande gewesen ist, das Gute, das er nicht wollte, abzuwählen, geschweige denn zu verhindern.“

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