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Filmische Qualität:   
Regie: Amos Gitai
Darsteller: --
Land, Jahr: Israel / Belgien / Frankreich 2006
Laufzeit: 97 Minuten
Genre: Dokumentation
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 9/2006


José García
Foto: mec film

Das Haus als Metapher. Das Bild eines „gemeinsamen Hauses“ Europa, an dem gebaut werden solle, wurde jahrzehntelang von der Politik bemüht. Der 1950 in Haifa geborene Filmregisseur Amos Gitai verwendet das Bild sozusagen genau umgekehrt: Ein Jerusalemer Haus, ein Mikrokosmos der israelischen und der palästinensischen Gesellschaft, dient als Verbildlichung der Lage, wenn nicht im ganzen Nahen Osten, so doch wenigstens in Jerusalem.

Im Jahre 1980 drehte der wohl bekannteste israelische Regisseur den Dokumentarfilm „House“ über ein Haus in Westjerusalem, das 1948 von seinem Besitzer, einem palästinensischen Arzt, aufgegeben werden musste. Das Haus wurde von den israelischen Behörden als „verlassen“ erklärt, 1956 an jüdisch-algerische Einwanderer vermietet und später von einem Universitätsprofessor gekauft, der es in eine Patriziervilla umwandelte.

Amos Gitai kehrte 1998 in dieses Haus zurück, um eine zweite Dokumentation „A House In Jerusalem“ zu drehen. Hatte der Regisseur die palästinensische Familie Dejani, die ehemaligen Eigentümer des Hauses, im ersten Film kennen gelernt, so betrachtet im zweiten Teil dessen Sohn das Haus seiner Vorfahren. Gitai zeigt die Veränderungen an dem Gebäude und in der Gegend, aber auch den ursprünglichen Besitzer des Hauses, der nach fünfzig Jahren noch immer unter der Enteignung leidet.

Mit dem nun im Kino anlaufenden „News From Home/News From House“ schließt Amos Gitai seine „House“-Trilogie ab. Den Bogen zum ersten Film spannt der Regisseur mit Schwarzweißaufnahmen von 1980, mit denen „News From Home“ beginnt: palästinensische Steinmetze, die den Ausbau des Hauses betreiben. Im Laufe des neuen Filmes „News From Home“ stellt der Regisseur den Zusammenhang seiner Trilogie in einer Videoinstallation her: Auf zwanzig Monitoren laufen Filmbilder aus der gesamten Langzeitdokumentation.

Im letzten Film beschränkt Gitai seinen Blick indes nicht auf das Haus in Westjerusalem. Er reist darüber hinaus nach Amman, wohin der Sohn des inzwischen verstorbenen ersten Besitzers Dejani gezogen ist. Der Arzt zeigt Gitai vor jenem Haus geschossene Familienfotos. In Amman wohnt auch eine weitere Verwandte, eine achtzigjährige Dame, die nach 1948 in Jerusalem nur noch zwei Mal war.

Der Filmemacher besucht dann die jetzige Bewohnerin des Hauses, eine in Istanbul geborene Jüdin. Sie erzählt von ihrem Vater, einem Uhrmacher aus Deutschland, der die Uhren in den türkischen Moscheen reparierte. Auch sie findet nicht gerecht, in einem Haus zu wohnen, das einer anderen Familie gehörte. Aber: „Es ist die Geschichte. Ich habe sie nicht gemacht“, fügt sie hinzu.

Mit ruhiger Kamera – keine Handkamera, keine schnellen Schnitte – nimmt Gitai die Veränderungen wahr. In einem Interview mit der „Berliner Zeitung“ führt der Regisseur dazu aus: „Diese Trilogie behandelt die Beziehungen zwischen Israelis und Palästinensern, die sich im Mikrokosmos der Bewohner eines Hauses in Jerusalem spiegeln“.

Mit seiner „House“-Trilogie beleuchtet Amos Gitai die Geschichte des Nahostkonflikts aus einer anderen Perspektive als der des Fernsehens: „Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass das Kino nicht die Rolle der Abendnachrichten übernehmen soll, sondern dass es die Aufgabe hat, die Vereinfachungsmechanismen der Medien außer Kraft zu setzen. Am Ende soll Kino nicht Hass schüren, sondern die gegenseitige Verständigung nähren.“

So bemüht sich der Regisseur, keine Partei zu ergreifen, vielmehr beiden Seiten gerecht zu werden. Die Offstimme, mit der er hin und wieder seine Bilder begleitet, erfüllt diese Funktion des Abwägens, der Selbstreflexion. „News From Home“ erachtet Amos Gitai als einen Beitrag zu einer friedlichen Lösung des Konflikts: „Der Nahe Osten erlebt jetzt seine Stunde der Wahrheit. Ich glaube, wir werden gezwungen uns zu entscheiden, ob wir uns eine Form der Koexistenz vorstellen können oder nicht. Ich hoffe, dass diese Debatte friedlich geführt werden wird und nicht kriegerisch. Wir müssen andere Wege finden, miteinander zu sprechen oder geteilter Meinung zu sein, aber keinesfalls auf so mörderische Art und Weise wie jetzt.“
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