EIN FREUND VON MIR | Ein Freund von mir
Filmische Qualität:   
Regie: Sebastian Schipper
Darsteller: Daniel Brühl, Jürgen Vogel, Sabine Timoteo, Jan Ole Gerster, Peter Kurth
Land, Jahr: Deutschland 2006
Laufzeit: 84 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: S
im Kino: 10/2006
Auf DVD: 4/2007


José García
Foto: X Filme

Das Kino liebt die Metanoia, den Sinneswandel eines zumeist jüngeren Menschen, den das Nachdenken über sein bisheriges Leben im Laufe der Spielfilmhandlung zur Umkehr führt. Die hier verwendeten theologischen Begriffe weisen auf den Ursprung des Schauspiels im Mittelalter, auf die so genannten „Sakramentsspiele“ hin, die zunächst das abendländische Theater und später ebenfalls die Kinogeschichte entscheidend beeinflusst haben.

Eine säkulare Variante dieser „Metanoia“-Handlung lieferten Ende der achtziger Jahre Spielfilme, die das Lebensgefühl der „Yuppies“ mit ihrem schnell erworbenen Reichtum in kritischer Weise behandelten. Besonders „Wall Street“ (Oliver Stone, 1987) und „Rain Man“ (Barry Levison, 1988) zeigten die Verwandlung eines zunächst nur auf seinen Vorteil bedachten Geschäftsmanns in einen nachdenklichen und verantwortungsbewussten Menschen.

Obwohl sich in den letzten zwanzig Jahren das Lebensgefühl grundlegend geändert hat, gibt es den „Yuppie“ (young urban professional person, zu deutsch: junge, in der Stadt lebende und beruflich erfolgreiche Person) offenkundig noch. Zum Beispiel Karl (Daniel Brühl), die Hauptfigur in Sebastian Schippers Spielfilm „Ein Freund von mir“.

Karl arbeitet als Nachwuchs-Führungskraft in einer großen Versicherung. Beruflich erfolgreich ist er schon – zu Beginn von „Ein Freund von mir“ bekommt er gerade den begehrtesten Preis der Branche überreicht, um den ihn alle Kollegen beneiden. Karl ist der Preis indes ziemlich gleichgültig. Im Gegensatz zu erfolgorientierten, materialistisch eingestellten „Yuppies“ machen Karl weder beruflicher Erfolg noch das behagliche Büro und die teuren Anzüge glücklich. Das Gefühl der Leere, seine Unbehaustheit spiegelt sich in der halbeingerichteten Wohnung deutlich wider.

Obwohl eigentlich zufrieden mit ihm, möchte Karls Chef mehr aus dem jungen Mann herausholen, und verschreibt ihm eine Schocktherapie: Karl soll bei einem Autovermieter am Flughafen, der bei der Versicherung Kunde werden möchte, „undercover“ Versicherungsrisiken abschätzen. Dafür soll er sich für einen Tag als Fahrer bei der Autovermietung einschleichen.

Dort trifft Karl auf Hans (Jürgen Vogel), der sich als genau das Gegenteil vom schüchternen, verschlossenen Versicherungsangestellten erweist: Hans lebt in den Tag hinein, jobbt hier und da, freut sich einfach des Lebens – Hans als „extrovertiert“ zu bezeichnen, wäre darüber hinaus die reinste Untertreibung. Er drängt sich Karl förmlich auf. Bald nimmt Hans seinen neuen Freund zu seiner „Königin“, wie er seine Freundin Stelle (Sabine Timoteo) nennt, womit eine Dreierkonstellation mit zusätzlichem Spannungspotenzial etabliert wird.

In seinem Spielfilmdebüt „Absolute Giganten“ (1998) erzählte Regisseur Sebastian Schipper bereits von einer Männerfreundschaft. Dem Sujet ist er in seinem zweiten Spielfilm treu geblieben. In „Ein Freund von mir“ rückt der Regisseur jedoch die Entstehung einer Freundschaft zwischen gegensätzlichen Charakteren mit teils humoristischen Einlagen, teils mit einer durch die Musik der britischen Band Gravenhurst und durch verschwommene Bilder hervorgerufenen melancholischen Stimmung in den Mittelpunkt.

Trotz aller Schauspielkunst der zwei Hauptakteure Daniel Brühl und Jürgen Vogel, der hier sein komödiantisches Talent voll ausspielen kann, trotz einer in ihren kurzen Auftritten wunderbar agierenden Sabine Timoteo, nehmen sich die Charaktere jedoch zu klischeehaft aus, wird die Figur des Hans doch lediglich als Gegenentwurf zu Karl gezeichnet, so dass Regisseur Schipper letztlich keine psychologische Studie gelingt.

Gleichwohl ist „Ein Freund von mir“ ein amüsanter Film über die Selbstfindung eines jungen Mannes, der eine gewisse Metanoia durchlebt: Durch die Freundschaft mit dem ungleichen Hans denkt Karl über sein zwar erfolgreiches, aber nicht glückliches Leben nach, lernt ein neues, einfaches Leben kennen.
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