CHILDREN OF MEN | Children of Men
Filmische Qualität:   
Regie: Alfonso Cuarón
Darsteller: Clive Owen Julianne Moore, Michael Caine, Chiwetel Ejiofor, Charlie Hunnam, Peter Mullan, Danny Huston, Claire-Hope Ashitey
Land, Jahr: Großbritannien / USA 2006
Laufzeit: 109 Minuten
Genre: Science-Fiction/Fantasy
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G +
im Kino: 11/2006
Auf DVD: 3/2007


José García
Foto: UIP

Das Science-Fiction-Genre erfüllt im Film die gesellschaftlich relevante Funktion, aus den Auswirkungen gegenwärtiger Entwicklungen ein Zukunftsszenario zu entwerfen. Zwar beschäftigen sich Science-Fiction-Filme weiterhin häufig mit menschlichen Schöpfungen wie Robotern, aber langsam interessiert sich der Film etwa auch für die Konsequenzen genetischer Eingriffe bei Menschen – durch künstliche Befruchtung oder Klonen. So lieferte bereits 1997 Andrew Niccols mit „Gattaca“ das beklemmende Bild einer Welt, in der sich Eltern ihre Wunschkinder „maßschneidern“ lassen können. Michael Bays „Die Insel“ (2005) entwarf wiederum eine düstere Zukunft, in der das Klonen zur tüchtigen Geschäftsidee geworden ist.

Alfonso Cuaróns „Children of Men“, der bei den Filmfestspielen in Venedig Weltpremiere feierte und nun im deutschen Kino anläuft, dreht die Schraube noch eine Windung weiter. Die Filmadaption eines Romans der britischen Autorin P. D. James setzt die aktuelle demografische Entwicklung weiter fort, bis die Menschheit unfruchtbar geworden ist.

„Children of Men“ setzt im Jahre 2027 in dem Augenblick an, als die Nachricht vom Tod des jüngsten Erdbewohners im Alter von achtzehn Jahren die Menschen erschüttert. Die Menschheit altert, seitdem aus unerklärlichen Gründen 18 Jahre zuvor alle Frauen unfruchtbar wurden, unaufhaltsam ihrem Untergang entgegen. In wenigen Bildern schildert Cuaróns Film den Zustand einer Erde ohne Kinder: Ohne Zukunftshoffnung versinkt die Welt in Chaos, wie die Fernsehnachrichten verdichtet vorführen.

Nur in Großbritannien ist ein halbwegs geregeltes Leben weiterhin möglich, das allerdings teuer erkauft wurde: Mit harter Hand regiert dort ein totalitäres Regime, das sich mit Internierungslagern und Deportationen gegen den Zustrom von Flüchtlingen aus aller Welt abschottet.

Organisieren einige Gruppen einen gewaltsamen Widerstand gegen die diktatorische Regierung, so haben sich die meisten Menschen angepasst. Zu ihnen gehört auch der einstige Aktivist Theo (Clive Owen), der mittlerweile in einem Ministerium arbeitet. Einzige Abwechslung in seinem desillusionierten Leben sind gelegentliche Besuche bei seinem alten Freund Jasper (Michael Caine), der in einem Versteck vor den Toren von London ein Leben als Althippie führt.

Theos Leben ändert sich indes schlagartig, als er entführt und zu seiner geschiedenen Frau Julian (Julianne Moore) geführt wird. Die Widerstandsgruppe, die Julian anführt, kämpft im Untergrund für die Rechte der Flüchtlinge. Sie brauchen Theos Hilfe, um Reisepapiere für die junge Kee (Clare-Hope Ashitey) aufzutreiben, damit diese zu einem Schiff des sagenumwobenen „Human Project“ gebracht wird. Kee könnte helfen, den Fortbestand der Menschheit zu sichern, denn sie ist schwanger.

Dass Kees Schwangerschaft das Wunder sein könnte, auf das die ganze Welt gehofft hat, verwandelt „Children of Men“ in eine Erlösungsgeschichte, zumal die Inszenierung der Reaktionen auf das Kind auf die Geburt eines „Friedensfürsten“ deutlich anspielt.

„Children of Men“ besitzt kein futuristisches Produktionsdesign. Dass die darin entworfene Welt unserer so sehr ähnelt, macht gerade dieses Zukunftsszenario umso bedrückender. Dazu trägt entscheidend der quasi dokumentarische Inszenierungsstil mit wenig Licht, viel Handkamera und langen Kamerafahrten bei, mit dem Cuarón und sein kongenialer Kameramann Emmanuel Lubezki ganze Plansequenzen aus der Sicht der Hauptpersonen filmen. Dadurch entsteht ein selten gesehenes Gefühl der Unmittelbarkeit, das an eine Kriegsreportage mitsamt Blutsspritzern auf der Linse erinnert, und so den Zuschauer ins Geschehen hineinzieht.

Die Unmittelbarkeit von „Children of Men“ erstreckt sich allerdings auch auf seine Zukunftsvision, die gerade deshalb so beklemmend wirkt, weil sie Situationen und Entwicklungen auf die Spitze treibt, die bereits heute aktuell sind, ob es sich um die demografische Entwicklung, um die Gewalt in unseren Städten, um den Terrorismus und dessen Bekämpfung oder um die Flüchtlingsströme handelt, die aus Afrika nach Europa drängen.

Obwohl „Children of Men“ die düstere Vision von einer perspektivlosen Welt entwirft, lässt der Film jedoch der Hoffnung, der Erlösung, Raum.
Diese Seite ausdrucken | Seite an einen Freund mailen | Newsletter abonnieren