MONDSCHEINKINDER | Mondscheinkinder
Filmische Qualität:   
Regie: Manuela Stacke
Darsteller: Leonie Krahl, Lucas Calmus, Lucas Hardt, Renate Krößner, Walter Kreye, Leonore von Stürler, Pia Micaela Barucki, Nina Sarakini, Henriette Mehner
Land, Jahr: Deutschland 2005
Laufzeit: 87 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ohne Altersbeschränkung
Einschränkungen: --
im Kino: 12/2006


José García
Foto: Piffl Medien

Immer wieder zeigt das Kino Spielfilme mit Kindern, die nicht eine heile Welt vorgaukeln, sondern auch bewusst Konflikte und Ängste ansprechen, mit denen Kinder konfrontiert werden. Dies ist fast zu einem Kennzeichen des iranischen Kinos und insbesondere der Filme des kurdischen Regisseurs Bahman Ghobadi („Die Zeit der trunkenen Pferde“, „Schildkröten können fliegen“) geworden. Ein weiteres Beispiel für dieses Sujet bot etwa auch letztes Jahr der japanische Spielfilm „Nobody Knows“ (siehe Filmarchiv), in dessen Mittelpunkt vier auf sich allein gestellte Kinder in einer japanischen Großstadt stehen.

In ihrem Abschlussfilm an der Hochschule für Fernsehen und Film HFF München „Mondscheinkinder“, der nun im regulären Kinoprogramm startet, behandelt Regisseurin Manuela Stacke ebenfalls ernste Themen: Krankheit und Sterben.

Im Mittelpunkt von „Mondscheinkinder“ steht der sechsjährige Paul, der an der Krankheit Xeroderma pigmentosum (XP) leidet. „Xeroderma pigmentosum“ ist eine sehr seltene Hautkrankheit, bei der UV-Licht die Erbsubstanz (DNA) in den Hautzellen schädigt. Diese Schädigung führt bei den Betroffenen schon in frühester Kindheit zu der Ausbildung bösartiger Hauttumoren an den sonnenexponierten Körperstellen, die häufig einen frühzeitigen Tod bedingen. Die Betroffenen sind dazu gezwungen, UV-Strahlen zu vermeiden und umfangreiche Lichtschutzmaßnahmen zu ergreifen. Daher der volkstümliche Name „Mondschein-Krankheit“.

Deshalb lebt Paul (Lucas Calmus) in einer vollkommen abgedunkelten Wohnung. Da Pauls alleinerziehende Mutter (Renate Krößner) mit der Situation überfordert ist, kümmert sich seine 12-jährige Schwester Lisa (Leonie Krahl) liebevoll um Paul. Für den kleinen Bruder erfindet sie die Geschichte vom Astronauten aus einem anderen Planeten, der durch einen Unfall auf die Erde gekommen ist. Dort muss der gestrandete Raumschiffkapitän das gleißende Sonnenlicht meiden. Pauls Enttäuschung darüber, dass er tagsüber nicht draußen spielen und nicht einmal in die Schule darf, wird durch die Zuneigung der Schwester abgemildert.

Schwierig wird es, als Lisa ihre erste romantische Verliebtheit erfährt. Sie ist zwischen der Verantwortung für den Bruder und den Verabredungen mit Simon (Lucas Hardt) hin- und hergerissen. Auf den Eindringling reagiert Paul naturgemäß eifersüchtig. Nachdem sich jedoch die Krankheit soweit verschlimmert hat, dass Pauls Tod naht, sind Lisa und Simon für den Jungen da. Weil sich auch Simon für die Weltraumfahrt interessiert, hilft auch er Paul, sich auf seine „schwierige Weltraummission“ vorzubereiten.

Leicht hätte Pauls Geschichte zu einem tränentriefenden Melodram werden können. Regisseurin Manuela Stacke reichert aber Katrin Milhahns Drehbuch mit einem feinsinnigen Humor und mit Animationssequenzen an, die dem Film wiederum die Schwere nehmen.

Die Kameraführung bringt den Zuschauer immer nahe an die beiden Hauptdarsteller. Durch die häufigen Naheinstellungen drückt die Kamera die Beengtheit, in der die Geschwister leben, deutlich aus. Der Blick öffnet sich erst, als Lisa Simon kennenlernt. Im kindgerechten, ruhigen Rhythmus erzählt der Film einfühlsam und fantasievoll Pauls und Lisas Schicksal.

Obwohl Pauls Krankheit und Sterben den Mittelpunkt der Handlung bilden, zeichnet „Mondscheinkinder“ vor allem das Drama Lisas, die wegen der Krankheit ihres Bruders in der Schule als Außenseiterin gilt. Der Ausflug in fremde Galaxien ist auch für sie eine Flucht aus der Isolation.

So zeichnet „Mondscheinkinder“ die Entwicklung einer 12-Jährigen, die einen schwierigen Prozess durchläuft. Dazu führt Manuela Stacke aus: „Traurig, aber tröstlich finde ich die Geschichte um Lisas Erfahrungen zwischen liebevoller Verantwortung für den todkranken Bruder und ihrer ersten Liebe. Ich erzähle von der Aufregung und Romantik dieser ersten Liebe, die trotz allem nicht vergessen machen kann, dass der Kampf um Leben und Tod seinen Lauf nimmt. Die Schönheit dieser Geschichte liegt in der ungewöhnlichen Phantasie und Eigenverantwortung, mit der Lisa dem Familienschicksal begegnet.“ Dass dies der Regisseurin auf unaufdringliche Weise gelingt, belegen die Auszeichnungen, die der Film einheimsen konnte: den Max-Ophüls-Preis und der Publikumspreis in Saarbrücken sowie den GFP (German Film Productions) -Förderpreis beim Filmfest in Emden.
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