HAPPY TIMES | Xingfu Shiguang
Filmische Qualität:   
Regie: Zhang Yimou
Darsteller: Dong Jie, Zhao Benshan, Li Xuejian, Fu Biao, Niu Ben
Land, Jahr: China 2002
Laufzeit: 96 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: S


JOSÉ GARCÍA


Zhang Yimou gehört zu den weltweit bekanntesten chinesischen Filmregisseuren. Zwischen 1987, als er mit „Das Rote Kornfeld“ sein Regiedebüt gab, und 1999 drehte der 1950 geborene Zhang neun Spielfilme. Kann deshalb seine Filmografie als nicht besonders umfangreich bezeichnet werden, so erstaunt um so mehr die hohe Zahl internationaler Preise, die er mit diesen neun Werken bisher gewann: In Berlin erhielt er 1988 den Goldenen Bären für „Das Rote Kornfeld“ sowie 2000 den Silbernen Bären für „Heimweg“. In Venedig wurde Zhang zweimal mit dem Goldenen – 1992 für „Die Geschichte der Qiu Ju“ und 1999 für „Keiner weniger“ – und einmal mit dem Silbernen Löwen (1991 für „Rote Laterne“) ausgezeichnet. Beim Filmfestival von Cannes gewann er 1994 den Grossen Preis der Jury für „Leben“. Für diesen Film wurde er auch mit dem Oscar als bester nicht-englischsprachiger Film ausgezeichnet. Oscar-Nominierungen brachten ihm darüber hinaus „Ju Dou“ (1991), „Rote Laterne“ (1992) und „Shanghai Serenade“ (1996) ein.

In Zhangs sechs ersten Spielfilmen spielte die weibliche Hauptrolle Gong Li. Mit diesen Rollen wurde die Chinesin mit dem Beinamen „schönstes Gesicht Asiens“ als erste fernöstliche Schauspielerin überhaupt einem breiten westlichen Publikum bekannt. Inzwischen führte Gong Li zwar bereits den Vorsitz der Internationalen Jury bei den Filmfestivals Berlin (2001) und Venedig (2002). Als Schauspielerin fand sie jedoch seit der Trennung von Zhang Yimou mit Ausnahme ihrer Nebenrolle in Chen Kaiges „Lebe wohl, meine Konkubine“ nicht mehr zu ihrer früheren schauspielerischen Leistung.

Auch Zhang Yimou stand nach dem Zerwürfnis mit Gong Li vor einem Neuanfang. Solche Fälle sind in der Filmkunst geläufig, wie etwa „Manhattan Murder Mistery“ (Woody Allen, 1993) zeigt: Als im Jahre 1992 die Beziehung zwischen Woody Allen und Mia Farrow zerbrach, rief der New Yorker Regisseur seine alte Freundin Diane Keaton an und drehte mit ihr und sich selbst in den Hauptrollen „Manhattan Murder Mistery“, eine Art Übergangsfilm, der in seinem Filmschaffen eine deutliche Zäsur markierte.

Zhang Yimous „Übergangsfilm“ hiess „Keep Cool“ (1996). Zum ersten Mal spielte ein Film Zhangs in der Grossstadt und nicht auf dem Lande. „Keep Cool“ blieb allerdings ein Solitär, nicht nur weil er der einzige nicht preisgekrönte Spielfilm Zhang Yimous ist, sondern auch weil sich nach „Keep Cool“ der chinesische Regisseur mit „Keiner weniger“ (1998) und „Heimweg“ (1999) wieder dem Land als Bühne für seine Filme zuwandte.

Nach dreijähriger Pause knüpft nun Zhang Yimou, den das Magazin „Time“ im Jahre 1998 zu den „zehn einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt“ zählte, gerade an den Film an, der in seiner Gesamtproduktion kaum Aufmerksamkeit weckte. Wie „Keep Cool“ spielt „Happy Times“ in der Grossstadt, wenngleich im aktuellen Film die Stadt als solche weit weniger als in „Keep Cool“ die Handlung beeinflusst. Ähnlich diesem „Übergangsfilm“ besitzt darüber hinaus „Happy Times“ bisweilen surreale Züge. Im Gegensatz zu „Keep Cool“ werden sie jedoch nicht mit der Technik – etwa mit verwackelter Kamera – erzeugt; sie liegen vielmehr in der Dramaturgie selbst.

„Happy Times“ erzählt vom frühpensionierten Fabrikarbeiter Zhao, für den die dicke Frau, die sich auf seine Kontaktanzeige gemeldet hat, die letzte Chance zu sein scheint, überhaupt zu heiraten. Weil sie nicht nur dick, sondern ebenso geldgierig ist, gibt sich Zhao als reicher Hotelbesitzer aus. Die Dicke wittert nun die Chance, ihre blinde Stieftochter Wu Ying loszuwerden und bittet Zhao, sie im Hotel anzustellen. Um nicht die Wahrheit zu verraten, kommt er auf eine wahnwitzige Idee: Mit Hilfe seiner gutherzigen ehemaligen Kollegen richtet der angebliche Hotelbesitzer einen fiktiven Massagesalon ein, damit Wu arbeiten kann.

Was ein Rührstück in Aschenputtel-Manier zu werden drohte, entwickelt sich zu einer bittersüssen Komödie mit skurrilen Elementen, aber ebenso zu einem Plädoyer für Menschlichkeit. Obwohl Wu bald die Inszenierung „durchschaut“, lässt sie sich gerne täuschen. Denn vom Vater verlassen, von der Stiefmutter ausgebeutet, findet sie in Zhao erstmals jemand, der sie freundlich behandelt. Unter den Fittichen Zhaos erlebt sie die „glückliche Zeit“, auf die der Filmtitel anspielt. Wie etwa in den Filmen des Finnen Aki Kaurismäki, so zuletzt in „Der Mann ohne Vergangenheit“, bewahren auch bei Zhang Yimou die Gebeutelten und Ausgegrenzten der Gesellschaft ihre Menschenwürde.
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