MEIN FÜHRER - DIE WIRKLICH WAHRSTE WAHRHEIT ÜBER ADOLF HITLER | Mein Führer - Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler
Filmische Qualität:   
Regie: Dani Levy
Darsteller: Helge Schneider, Ulrich Mühe, Sylvester Groth, Adriana Altaras, Ulrich Noethen, Stefan Kurt, Lambert Hamel
Land, Jahr: Deutschland 2007
Laufzeit: 95 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: X -
im Kino: 1/2007
Auf DVD: 9/2007


José García
Foto: X Verleih

Darf über Adolf Hitler gelacht werden? Diese Frage stellt sich gleichsam von allein, wenn es um Dani Levys neu anlaufenden Spielfilm „Mein Führer. Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“ geht. Die Diskussion wird indes nicht jetzt, mehr als sechzig Jahre nach Hitlers Tod, dem Holocaust und dem Ende des Krieges, zum ersten Mal geführt. Dieser Skepsis begegneten bereits im Jahre 1940 „Der große Diktator“ von Charlie Chaplin sowie „Sein oder Nichtsein“ von Ernst Lubitsch (1942). Beide Filme gelten heute freilich als Klassiker, nicht nur im Subgenre „Hitler-Komödie“.

Allerdings: Chaplin behauptet in seiner Autobiographie, er hätte seinen Film „Der große Diktator“ nicht gedreht, wenn er 1940 schon Kenntnis von den Konzentrationslagern gehabt hätte. Und: In Lubitschs „Sein oder nicht sein“ wird eigentlich nur über ein Hitler-Double gelacht.

Nun hat Dani Levy eine Hitler-Parodie mit dem Titel „Mein Führer. Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“ gedreht. Der Untertitel spielt auf die Doku-Dramen der letzten Jahre genauso wie insbesondere auch auf den Authentizitätsanspruch von Oliver Hirschbiegels „Der Untergang“ (siehe Filmarchiv) an.

Äußerten beim „Untergang“ manche Feuilleton-Autoren Bedenken, dieses „Bunker-Drama“ zeige ein „allzu menschliches“ Bild Hitlers, so lieferte der Film Dani Levy die Initialzündung zu seinem Filmprojekt, wie der Regisseur in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ ausführt: „Als ich von dem Projekt erfahren habe, also noch bevor es den Film gab, hat es mich schon in den Fingern gejuckt, einen Gegenfilm dazu zu machen, eine Art subversive Antwort darauf.“ Direkte Anspielungen auf den „Untergang“ finden sich in Levys Film freilich nicht – abgesehen von der Tatsache, dass die Figur des Heinrich Himmler in den beiden Filmen von demselben Schauspieler (Ulrich Noethen) verkörpert wird.

Dani Levys „subversive Antwort“ auf den „Untergang“ ist ein depressiver Hitler (Helge Schneider), der am Neujahrstag 1945 – „Der totale Krieg ist so gut wie total verloren“, heißt es dazu im Presseheft – vor den Pappkulissen eines unzerstörten Berlins eine kämpferische Rede halten soll, die von der Wochenschau ins ganze Land übertragen wird, um die Massen noch einmal zu begeistern. Damit Hitler wieder auf die alte Rede-Kampfeslust getrimmt wird, heckt Goebbels (Sylvester Groth) einen Plan aus: Der jüdische Darsteller Adolf Grünbaum (Ulrich Mühe), der Hitler einst Schauspielunterricht erteilte, soll aus dem KZ Sachsenhausen in die Reichskanzlei geholt werden.

Eigentlich möchte Adolf G. Adolf H. umbringen, aber er befindet sich in einem Dilemma: Soll er den Tyrannen ermorden oder seine eigene Familie, die zu ihm in den Keller der Reichskanzlei ziehen darf, retten? Im Laufe seines Schauspielunterrichts nehmen die Sitzungen immer mehr psychotherapeutische Züge an. So erinnert sich Hitler daran, dass sein Vater ihn immer geschlagen hat.

Dani Levy setzt auf Slapstick-Einlagen, wobei er Charlie Chaplins Meisterwerk nachahmt: Die berühmte Weltglobus-Nummer aus dem „Großen Diktator“ eignet er sich etwa dadurch an, dass in „Mein Führer“ die Weltkugel als Hausbar benutzt wird. Darüber hinaus zitiert Levy Chaplins Film am Schluss, als dem echten Adolf die Stimme versagt, und der Schauspieler-Adolf eine Rede mit einem Plädoyer für Menschlichkeit hält.

In Oliver Hirschbiegels „Der Untergang“ wird die abgeschlossene Welt des Führerbunkers immer wieder mit dem Endkampf um die Reichshauptstadt Berlin parallel geschnitten, so dass es dem Zuschauer deutlich wird, was Hitler bewirkt hat. Die eindringlichen Bilder einer Stadt in Schutt und Asche, in der sich Tod und Verwesung breit machen, verhindern, dass der „Untergang“ irgendwelche Sympathien für Hitler wecken könnte.

In „Mein Führer“ ist Grünbaum die einzige Figur, die „nicht komödiantisch über die Stränge schlagen darf“ (Ulrich Mühe über seine Rolle), weil er „das Bewusstsein für die Situation unter den Nazis immer im Blick hat“. Trotz seiner ausgezeichneten Schauspielkunst kann jedoch Mühe letztlich nicht allein für eine ausgewogene tragikomische Mischung sorgen. Dies, das Psychologisierende (Hitler wird Massenmörder, weil er als Knabe von seinem autoritären Vater Prügel bezog) und nicht zuletzt die Halbherzigkeit mancher komödiantischer Situationen lassen Levys „Mein Führer“ deutlich verharmlosender erscheinen als Hirschbiegels „Der Untergang“.


Unterschiedliche Stimmen zum Film „Mein Führer“

Um den Film „Mein Führer. Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“ entbrannte bereits die Diskussion, ehe Dani Levys Komödie überhaupt gezeigt wurde. So sprach der Schriftsteller Ralph Giordano (83) von „Bauchgrummeln“. Dies gelte „gerade im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen den Worten ‚Hitler’ und ‚Humor’“, sagte Giordano am in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Auch Autor Rolf Hochhuth kritisierte die Filmkomödie „Mein Führer“ von Regisseur Dani Levy als „Verklärung“ Adolf Hitlers und seiner Zeit. Es sei „unerklärlich, wie ein Mann, der selbst Jude ist, so eine Geschichtsfälschung ins Kino bringen kann“, sagte Hochhuth.

Die Publizistin Lea Rosh (70), Initiatorin des Holocaust-Mahnmals in Berlin, übte ebenfalls scharfe Kritik an Dani Levys Hitler-Satire. „Ich sehe keine Möglichkeiten, Hitler lächerlich zu machen – es sei denn, man ist ein Genie wie Charlie Chaplin“, so Rosh. Levys Film verniedliche das Grauen.

Verärgert über den Film zeigte sich außerdem der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann. „Ich komme selbst aus einer Holocaust-Familie. Daher habe ich schlimme Bauchschmerzen, wenn man das Thema Hitler und Holocaust zur Komödie macht“. In dem Film werde bagatellisiert, verharmlost und verniedlicht. „Hier kann ich einfach nicht mitlachen, denn jedes Lachen würde mir sofort im Hals stecken bleiben“, sagte Graumann.

Auf die Bedenken Giordanos geht etwa Andreas Platthaus in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ein: „Wenn sich nun Skeptiker wie Ralph Giordano melden, die fürchten, dass Hitler als Witzfigur verharmlost werde, muss man nur auf eine Ausgabe der SS-Zeitschrift ‚Das Schwarze Corps’ von 1940 verweisen, in der der Superman-Comic zum Gegenstand einer geifernden Polemik wurde. Witzfigur – das wollte Hitler um keinen Preis sein, in der Führer-Inszenierung sollte kein Humor zu finden sein. Diesen Triumph darf man ihm nicht gönnen.“

Noch härter ins Gericht mit Ralph Giordano ging der türkische Schauspieler und Kabarettist Serdar Somuncu: „Wir brauchen keine Witzpolizei. Mir ist lieber, die Leute lachen über Hitler, als dass sie ihn vergessen“, sagte Somuncu. „Niemand wird uns Künstler davon abhalten, unsere Interpretation Hitlers zu geben, so wie auch niemand ernsthaft unterstellen kann, dass wir mit unseren Arbeiten zu einer Verharmlosung des Holocausts beitragen wollten.“

Einen weiteren Gesichtspunkt in die Diskussion bringt die Sicht etwa des Dresdner Historikers Rainer Pommerin. Laut dem Professor und Inhaber des Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte an der Technischen Universität (TU) Dresden könne Komödie kein fundiertes Wissen über einen Unrechtsstaat ersetzen. In einem dpa-Gespräch erläuterte Pommerin, das „Herunterholen“ der NS-Führung in der Hitler-Satire sei kontraproduktiv. „Ist es doch gerade die den Nazis vom Großteil der Bevölkerung eingeräumte Glaubwürdigkeit, die die Voraussetzung zu den zahllosen Verbrechen bildete“, sagte der Dresdner Historiker. „Stellt man dazu die dürftigen Geschichtskenntnisse besonders bei Jugendlichen in Rechnung, so muss eine rücksichtslose Aufklärung der brutalen Handlungen des NS-Regimes erfolgen.“ Ihm sei das Lachen bei der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den brutalen Menschenversuchen, dem Holocaust sowie den Kriegsverbrechen des NS-Regimes vergangen. Pommerin betonte: „Die ermordeten Juden verlangen eine dokumentarische Ehrfurcht vor der Wahrheit.“

Während darüber diskutiert wird, ob man über Hitler lachen und ihn damit möglicherweise verharmlosen darf, distanzierte sich Hauptdarsteller Helge Schneider vom fertigen Film, er hätte sich darin „mehr Adolf Hitler gewünscht“, erzählt er in einem Interview. In seiner endgültigen Fassung liege der Fokus nun „mit aller Gewalt auf der jüdischen Geschichte“. Nach seiner Ansicht gehe es in „Mein Führer“ nun „nur noch darum, wie Hitler gesehen werden soll: Nämlich als Schwächling. Das ist mir zu profan“, so Helge Schneider.
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