SCHRÄGER ALS FIKTION | Stranger than Fiction
Filmische Qualität:   
Regie: Marc Forster
Darsteller: Will Ferrell, Maggie Gyllenhaal, Dustin Hoffman, Queen Latifah, Emma Thompson, Tony Hale, Kristin Chenoweth, Denise Hughes, Eli Goodman
Land, Jahr: USA 2006
Laufzeit: 113 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: X -
im Kino: 2/2007
Auf DVD: 7/2007


José García
Foto: Sony

Spätestens seit Luigi Pirandellos „Sechs Personen suchen einen Autor“ (1921) stehen die Beziehungen zwischen einem Schriftsteller und seinen Figuren, und damit die Entstehung eines literarischen Werkes, selbst im Mittelpunkt der Handlung. Eine filmische Version dieser Mechanismen lieferte im Jahre 2002 der amerikanische Regisseur Spike Jonze nach einem Drehbuch von Charlie Kaufman in „Adaption“. In „Adaption“ lässt sich ein Drehbuchautor namens Charlie Kaufman (gespielt von Nicolas Cage) von einer Hollywood-Studiomanagerin überreden, für ihr Studio einen Tatsachenroman für die Leinwand zu adaptieren. Eine weitere Ebene fügt „Adaption“ dadurch hinzu, dass zur Umschreibung des Romans zum Filmdrehbuch die Entstehung der Vorlage, des Tatsachenromans, hinzutritt.

Von der Beziehung zwischen einer Autorin und deren Figuren handelt ebenfalls Marc Forsters Spielfilm „Schräger als Fiktion“ („Stranger than Fiction“) nach einem Drehbuch von Zach Helm. Im Leben des Steuerbeamten Harold Crick (Will Ferrell) spielen Zahlen die Hauptrolle, nicht nur naturgemäß beruflich, sondern auch privat: die Minuten für die Mittags- und für die Kaffeepause, die Zahl der Schritte von der Wohnung bis zur Bushaltestelle, die Zahl der Bürstenstriche beim Zähneputzen ... Bis Harold eines Tages eine Stimme einer allwissenden Erzählerin hört, die sein Leben beschreibt.

Die Erzählstimme gehört der einst gefeierten Autorin Karen Eiffel (Emma Thompson), die seit geraumer Zeit am Schluss ihres Romans „Death and Taxes“ arbeitet. Dieser handelt von einem Steuerbeamten namens Harold Crick, dessen Leben von Zahlen bestimmt ist. So zählt er etwa die Minuten für die Mittags- und für die Kaffeepause, die Zahl der Schritte von der Wohnung bis zur Bushaltestelle, die Zahl der Bürstenstriche beim Zähneputzen .... Nun leidet Autorin Eiffel an einer Schreibblockade – sie sucht verzweifelt nach dem „perfekten“ Tod für seinen Helden. Obwohl der real existierende Harold Crick im Gegensatz zum Zuschauer dies alles nicht weiß, fühlt er sich höchst beunruhigt, als die allwissende Erzählstimme von seinem baldigen „überraschenden Tod“ spricht. Harold sieht sich genötigt, in eine Erzählung einzugreifen, die offenbar sein Leben diktiert.

Einen einfachen Ratschlag erhält er vom verschrobenen Literaturprofessor Jules Hilbert (Dustin Hoffman): Aus der offensichtlichen Tragödie soll Harold eine Komödie machen. Dazu müsse er eine simple Formel anwenden, eine Liebesgeschichte einführen zwischen zwei Menschen, die sich hassen. Passend dazu fällt Harold die reizende Bäckerin Ana Pascal (Maggie Gyllenhaal) ein, die sich weigert, ihre Steuern zu zahlen. So beginnt er, etwas linkisch zwar, aber dennoch wirkungsvoll der hübschen Bäckerin den Hof zu machen.

In seinem Spiel mit den literarischen Genres Komödie und Tragödie lässt „Schräger als Fiktion“ etwa an Woody Allens „Melinda und Melinda“ (siehe Filmarchiv) denken, der aus derselben Ausgangslage mit kleinen Veränderungen in der Handlung von der Tragödie zur Komödie wechselte, und in dem ebenfalls Will Ferrell eine der Hauptrollen spielte.

Der mit herrlich scharfzüngigen Dialogen voll gespickte Film liefert jedoch auch eine poetische Reflexion über das Verhältnis von Wahrheit und Fiktion. Der (Original-)Titel des Films beruft sich auf Mark Twain: „Truth is stranger than fiction“. „Die Wahrheit ist merkwürdiger als Fiktion... Denn Fiktion ist dazu verpflichtet, sich an Wahrscheinlichkeiten zu halten; die Wahrheit aber nicht.“ Damit variiert „Schräger als Fiktion“ ebenfalls den bekannten Ausspruch Oscar Wildes, nach dem das Leben die Kunst imitiere, nicht umgekehrt.

„Schräger als Fiktion“ vereint ein großartiges Schauspieler-Ensemble, an dessen Spitze ein Darsteller steht, dem man eine solche Leistung zunächst kaum zugetraut hätte. Denn obwohl Will Ferrell im erwähnten „Melinda und Melinda“ bereits unter Beweis gestellt hatte, dass er auch im Charakterfach bestehen kann, war er bislang eher in Slapstick-Rollen bekannt. In „Schräger als Fiktion“ zieht er ganz andere Register, so dass er neben Dustin Hoffman und Emma Thompson überzeugen kann.

Obwohl „Schräger als Fiktion“ ein leicht inszenierter Hollywood-Film ist, der darüber hinaus gegen Schluss zu sehr auf ein Happy End hinausläuft, deutet er auch tief greifende Fragen, etwa Vorherbestimmung und Freiheit, an. Denn Marc Forsters Film könnte auch als Metapher gelesen werden, inwieweit der Einzelne in sein vermeintlich vorherbestimmtes Schicksal selbst eingreifen kann.
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