LETTERS FROM IWO JIMA | Letters From Iwo Jima
Filmische Qualität:   
Regie: Clint Eastwood
Darsteller: Ken Watanabe, Kazunari Ninomiya, Tsuyoshi Ihara, Ryo Kase, Shidou Nakamura, Yuki Matsuzaki, Hiroshi Watanabe, Takumi Bando
Land, Jahr: USA 2006
Laufzeit: 141 Minuten
Genre: Action/Western
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: G +
im Kino: 2/2007
Auf DVD: 6/2007


José García
Foto: Warner Bros.

Episches Erzählen wurde zu einem Markenzeichen im klassischen Hollywood, wofür Regisseure wie etwa John Ford stehen. Nach jahrzehntelanger Pause kehrt zurzeit der epische Film zurück auf die Leinwand, so zuletzt in Robert de Niros zweiter Regiearbeit „Der gute Hirte“ (siehe Filmarchiv). Was jedoch Regisseur De Niro lediglich vereinzelt gelingt, das schafft sein Landsmann Clint Eastwood in „Letters from Iwo Jima“: Über die gesamte epische Breite eines Filmes atmosphärisch dicht zu erzählen. „Letters from Iwo Jima“ lief im Wettbewerb der gerade abgeschlossenen Berlinale außer Konkurrenz und startet nun im regulären Kinoprogramm.

Auf der 21 km² großen Insel Iwo Jima fand im Frühjahr 1945 eine der entscheidenden Schlachten im Pazifikkrieg statt, bei der fast 7 000 US-amerikanische Soldaten und mehr als 20 000 Japaner das Leben verloren. Besonders bekannt wurde Iwo Jima durch das berühmte Foto der sechs Soldaten, die eine US-amerikanische Flagge hissen, das als Vorlage für das „United States Marine Corps War Memorial“ diente. Clint Eastwood hat die Schlacht aus den zwei unterschiedlichen Perspektiven gefilmt: Aus der US-amerikanischen im kürzlich angelaufenen „Flags Of Our Fathers“, aus der japanischen in „Letters from Iwo Jima“. So drehte Eastwood letzteren konsequent auf Japanisch – bei der diesjährigen „Golden Globe“-Preisverleihung konnte deshalb paradoxerweise der US-amerikanische Film eines US-amerikanischen Regisseurs die Auszeichnung für den „besten nicht-englischsprachigen Film“ gewinnen.

Als Erzählrahmen dient Clint Eastwood die Entdeckung von Hunderten von Briefen durch japanische Archäologen im Boden der kargen Insel im Jahre 2005. Diese Briefe geben den japanischen Soldaten ein Gesicht. In „Letters from Iwo Jima“ sind vielmehr – für westliche Zuschauer durchaus ungewohnt – die US-amerikanischen Soldaten die Gesichtlosen.

Zu den japanischen Soldaten gehört der Bäcker Saigo (Kazunari Ninomiya), der nur überleben möchte, um seine neugeborene Tochter kennen zu lernen, der Olympia-Sieger Baron Nishi (Tsuyoshi Ihara), der ehemalige Militärpolizist Shimizu (Ryo Kase) und der überzeugte Soldat Leutnant Ito (Shidou Nakamura). Die japanischen Soldaten werden von Generalleutnant Tadamichi Kuribayashi (Ken Watanabe) befehligt, der an einer amerikanischen Militärakademie studiert hat und die amerikanische Kultur schätzt. Der Film bringt dem Zuschauer diese Figuren mittels Rückblenden nahe.

Kuribayashi weiß, dass er gegen die Übermacht der anrückenden Amerikaner gar keine Chance hat, dass er die Eroberung der Insel lediglich verzögern kann. Und er bricht mit den Traditionen der Kaiserlichen Armee, etwa mit körperlichen Züchtigungen, aber auch mit dem „ehrenvollen Tod“ durch Selbstmord. Kuribayashi lässt er gegen den Widerstand seiner eigenen Offiziere Tunnel in die Berge treiben, wo sich die japanischen Soldaten möglichst lange verteidigen können.

Das nuancierte Bild, das Clint Eastwood von den japanischen Soldaten liefert, läuft den gängigen Klischees von fanatischen Kämpfern, die eher Harakiri begehen als sich ergeben, und in etlichen amerikanischen Spielfilmen der fünfziger und sechziger Jahre zementiert wurde, entgegen. Aber auch das Bild des „heldenhaften“ amerikanischen Soldaten erfährt eine Revision. So erschießt in einer der wenigen Szenen, in denen Amerikaner individuell gezeigt werden, ein amerikanischer Soldat einen Deserteur, obwohl er den ausdrücklichen Befehl erhalten hatte, ihn zu bewachen.

Dadurch verdeutlicht Clint Eastwood, dass auf beiden Seiten Menschen kämpften, die zu Heldentaten, aber auch zu feigen Handlungen fähig waren. Dass die einen gar nicht anders als die andern sind, veranschaulicht der Regisseur in einem der anrührendsten Augenblicke von „Letters from Iwo Jima“: Nach dem Tod eines amerikanischen Gefangenen liest ein japanischer Offizier einen Brief vor, den der Verstorbene von seiner Mutter erhalten hatte und bei sich trug. Ein Brief, der den „Briefen aus Iwo Jiwa“ aufs Haar gleicht.

In „Letters from Iwo Jima“ herrschen ausgebleichte Farben, fast schwarz-weiße Töne vor, in die sich lediglich das Rot des Blutes mischt. Die entsättigten Farben stellen jedoch kein ästhetisches Konzept dar. Sie schlagen vielmehr wie der epische Erzählgestus einen Bogen zu den Kriegsfilmen des klassischen Hollywood.

„Letters From Iwo Jima“ wurde in den Kategorien Bester Film und Bester Regisseur für den Oscar 2007 nominiert.
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