STRAJK - DIE HELDIN VON DANZIG | Strajk – Die Heldin von Danzig
Filmische Qualität:   
Regie: Volker Schlöndorff
Darsteller: Katharina Thalbach, Andrzej Chyra, Dominique Horwitz, Andrzej Grabowski, Krzysztof Kiersznowski, Dariusz Kowalski
Land, Jahr: Deutschland / Polen 2006
Laufzeit: 104 Minuten
Genre: Historische Filme
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 3/2007
Auf DVD: 3/2008


José García
Foto: Progress Film-Verlein

Das Leben schreibt doch die besten Geschichten. Diese Aussage, die gerne bemüht wird, wenn es um Verfilmungen „nach einer wahren Begebenheit“ geht, trifft jedenfalls auf eine Reihe Filmwerke zu, die in den letzten Jahren in Deutschland entstanden sind, und auch im Ausland große Beachtung gefunden haben. So etwa „Der Untergang“, „Sophie Scholl – Die letzten Tage“ und „Der neunte Tag“. Beim letzteren, auf den unter dem Titel „Pfarrerblock 25487. Dachau 1941–1942“ veröffentlichten Erinnerungen des luxemburgischen katholischen Geistlichen Jean Bernard basierenden Spielfilm (siehe Filmarchiv) führte Volker Schlöndorff Regie.

Nun hat sich der deutsche Regisseur einer Episode angenommen, deren Bedeutung für die europäische Geschichte sich ein Viertel Jahrhundert danach erst richtig erschließt: die Gründung der Gewerkschaft Solidarnosc in der Danziger Lenin-Werft im August 1980. Die Bilder mit einem Lech Walesa, der sich mit dem berühmten Sprung über die Werksmauern an die Spitze einer Bewegung setzte, gingen um die Welt. Weniger bekannt ist der Auslöser des Streiks, der zur Solidarnosc-Gründung führen sollte: die Entlassung der Kranführerin Anna Walentynowicz. Sie hatte es öffentlich gewagt, bessere Arbeitsbedingungen einzufordern, was für die Werftleitung eine schwere Verletzung der Arbeitsdisziplin und einen Kündigungsgrund darstellte. Dagegen formierte sich schnell Widerstand.

„Strajk – Die Heldin von Danzig“ ist eine Filmbiografie, ein „Biopic“, auf der Grundlage des Lebens der Anna Walentynowicz von 1961 bis 1980. Der Film beginnt mit der Verleihung des Ordens „Heldin der Arbeit“ an die bescheidene Schweißerin, die im Schlöndorffs Film Agnieszka Kowalska heißt und von Katharina Thalbach gespielt wird, im Jahre 1961 auf einer Art Theaterbühne, während im Fernsehen Bilder vom Mauerbau in Berlin laufen. Dass sie Jahr für Jahr die Auszeichnung erhält, macht sie nicht gerade beliebt unter ihren Kollegen, die nach dem Motto verfahren: „Die da oben tun so, als würden sie uns bezahlen und wir tun so, als würden wir arbeiten“.

Die Handlung erstreckt sich mit teilweise größeren Zeitsprüngen über zwei Jahrzehnte. Dass die Protagonistin von einer einzigen Schauspielerin, der 52-jährigen Katharina Thalbach, dargestellt wird, sorgt für eine gewisse Irritation: Als junge Frau, die einen jungen Mann liebt (dargestellt von einem ebenfalls nicht mehr jugendlichen Dominique Horwitz, Jahrgang 1957), ist Katharina Thalbach trotz Maske und offener Haare kaum glaubwürdig. Den Zuschauer macht darüber hinaus auch der Ton stutzig: Thalbach und Horwitz sind die einzigen Darsteller, die im Original Deutsch reden – die Stimmen der restlichen (durchweg polnischen) Schauspieler wird synchronisiert, eine gewöhnungsbedürftige Mischung.

Schauplatz ist die berühmte Lenin-Werft in Danzig, aber auch Agnieszkas kleine Wohnung, die einen Einblick in ihr bescheidenes Leben gewährt, handelt es sich doch schließlich um ihr Porträt. Hin und wieder werden Dokumentationsbilder hineingeschnitten. Viel Gespür für Geschichte zeigt Volker Schlöndorff, wenn er die Worte Johannes Pauls II. bei seinem ersten Polen-Besuch auswählt: Es waren in der Tat das „Komm, Heiliger Geist, und Du wirst das Angesicht der Erde, dieser Erde, erneuern“ des Mannes, der bereits vor seiner Papstwahl den Kommunisten in Nowa Huta die Stirn geboten hatte, die von der Arbeiterschaft und von der gläubigen Katholikin als Ans verstanden wurden, endlich die Veränderung, die Erneuerung Polens – und in der Folge des halben Kontinents – zu wagen.

Der Rest ist Geschichte: „Strajk“ zeigt etwa auch den riesigen Kugelschreiber mit dem Bild des Papstes, mit dem Lech Walesa den Vertrag mit der Regierung unterschrieb, und wie dieser auf den Schultern seiner Mitstreiter herausgetragen wurde. Währenddessen gerät bereits damals die Frau in Vergessenheit, die den Stein ins Rollen gebracht hatte.

Dass die echte Anna Walentynowicz jedoch eine wahre kämpferische , beweist sie paradoxerweise damit, dass sie gegen Schlöndorffs Film protestiert. Der polnischen Zeitung „Rzeczpospolita” sagte die heute sechsundsiebzigjährige Anna Walentynowicz, Schlöndorff gehe „rüpelhaft” mit ihrer Biographie um, das Drehbuch sei „unannehmbar”. Demgegenüber betonte der deutsche Regisseur anlässlich der Uraufführung von „Strajk – Die Heldin von Danzig“ in Danzig, „das ist kein Eins-zu-eins-Porträt. Ich mache ja keine Dokumentarfilme“, es handele sich um einen Spielfilm – wohl aber „nach einer wahren Begebenheit.“
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