FÄLSCHER, DIE | Die Fälscher
Filmische Qualität:   
Regie: Stefan Ruzowitzky
Darsteller: Karl Markovics, August Diehl, Devid Striesow, Martin Brambach, August Zirner, Veit Stübner, Sebastian Urzendowsky, Andreas Schmidt
Land, Jahr: Deutschland / Österreich 2006
Laufzeit: 98 Minuten
Genre: Historische Filme
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G +, S
im Kino: 3/2007
Auf DVD: 9/2007


José García
Foto: universum

Interview mit Regisseur Stefan Ruzowitzky: siehe unten

Nachdem in den letzten Jahren der Nationalsozialismus erneut einer filmischen Aufarbeitung unterzogen wurde („Der Untergang“, „Sophie Scholl – Die letzten Tage“, „Der neunte Tag“, „Napola – Elite für den Führer“), scheint die Zeit reif zu sein für die Verfilmung ausgefallenerer Geschichten, die sich auch in dieser dunklen Zeit zugetragen haben.

So etwa das „Unternehmen Bernhard“, die womöglich größte Fälscheraktion aller Zeiten: In den Blocks 18 und 19 im Konzentrationslager Sachsenhausen, streng isoliert vom übrigen Lager, wurde ab 1942 eine Fälscherwerkstatt eingerichtet. Dort ließen die Nazis von 144 jüdischen Häftlingen ausländische Währungen, vor allem englische Pfundnoten im Nennwert in Milliardenhöhe, drucken. Mit dieser Aktion sollte einerseits durch enorme Inflation die Volkswirtschaften der Alliierten destabilisiert, andererseits dem NS-Regime erhebliche Einnahmen aus Geldschöpfung zugeführt werden, da es die gefälschten Banknoten auf dem internationalen Finanzmarkt verkaufen konnte.

Einer der zwei heute noch lebenden „Fälscher“, der 1917 in der Slowakei geborene Adolf Burger, veröffentlichte im Jahre 1997 seine Erlebnisse unter dem Titel „Des Teufels Werkstatt – Die Geldfälscherwerkstatt im KZ Sachsenhausen“. Basierend auf diesem Tatsachenbericht hat der österreichische Drehbuchautor und Filmregisseur Stefan Ruzowitzky den Spielfilm „Die Fälscher“ gedreht, der am Wettbewerb der Berlinale 2007 teilnahm und nun im regulären Kinoprogramm anläuft.

In „Die Fälscher“ spielt Burger (August Diehl) jedoch nicht die Hauptrolle. Regisseur Ruzowitzky stellt vielmehr den „professionellen“ Fälscher Salomon Sorowitsch (Karl Markovics) in den Mittelpunkt (siehe auch das Interview mit Regisseur Ruzowitzky): In einer Art Rahmenhandlung kommt nach dem Krieg eben dieser Sorowitsch mit einem mit Dollars prall gefüllten Koffer im Casino von Monte Carlo an. Wie es dazu gekommen ist, zeigt der Film nach einem Schnitt: 1936 wird Sorowitsch wegen Geldfälschung verhaftet, nach einigen Zwischenstationen landet er im KZ Sachsenhausen.

Was ihn dort erwartet, beschreibt Adolf Burger in seinen Memoiren mit folgenden Worten: „Der Block sah wie eine Mausefalle aus.(...) Als wir hineinkamen, sahen wir einen weißgetünchten Saal mit modernen Druckmaschinen und arbeitenden Häftlingen. Diese waren nicht kahlgeschoren, trugen saubere Häftlingsbekleidung. SS-Hauptscharführer Werner (...) übergab uns dem Blockältesten. Artur Lewin, einem politischen Häftling aus Berlin. Er brachte uns zuerst in den Schlafraum. Erstaunt starrten wir auf die nur zweifach übereinander gestellten Pritschen mit weißem Laken, Decken und Kopfkissen. Im Vergleich mit den schrecklichen Bedingungen im KZ Birkenau war mir, als wäre ich von der Hölle in den Himmel gekommen. Jeder bekam seinen Platz zugeteilt und dazu ein Spind für persönliche Sachen. So ein Luxus. Aber in diesem Moment wurde mir auch die schreckliche Wahrheit bewusst: Von hier kommst du nie lebendig raus. Eine vom Nazi-Staat errichtete Geldfälscherwerkstatt bedeutet ein Staatsgeheimnis, dessen Zeugen nur der Tod erwartet.“

Stefan Ruzowitzky setzt die Szenen im Block 18-19 im KZ Sachsenhausen mit zurückgenommenen Farben, schnellen Kamerabewegungen und außergewöhnlichen Perspektiven, etwa mit Einstellungen in leichter Untersicht, um. Diese Stilmittel erinnern an die kalten Farben und die nervöse Handkamera sowie die schnellen Schnitten, mit denen Volker Schlöndorff das Lagerleben in „Der Neunte Tag“ schilderte.

„Die Fälscher“ stehen vor dem moralischen Dilemma, ihr eigenes Leben aufs Spiel zu setzen, indem sie die Aktion sabotieren, oder der erzwungenen Mitarbeit zuzustimmen, und dadurch zum Überleben des Nationalsozialismus beizutragen. Ruzowitzky stellt zwei Positionen gegenüber: Adolf Burger verkörpert den entschiedenen Standpunkt, keine Mitarbeit zu leisten. Sorowitsch übernimmt den pragmatischen Part, ihn interessieren diese moralischen Fragen kaum, die er etwa so entscheidet: „Ich möchte den Nazis nicht den Gefallen tun, mich für mein Überleben zu schämen.“

So stellt sich die Frage, die ja als die zentrale des Films anzusehen ist (siehe Interview mit dem Regisseur): Wer verhält sich hier richtig? Der „pragmatische“ Gauner oder der Idealist, der mit seinen Prinzipien sein Leben und das der anderen KZ-Insassen riskiert?



Interview mit Stefan Ruzowitzky

„Die Fälscher“ zeigt ein eher außergewöhnliches Kapitel der Nazi-Zeit. Sind Sie bei der Realisierung auf Probleme gestoßen?
Natürlich bestand die Schwierigkeit darin, dass der Holocaust als eine Art „kollateraler Schaden“ abgewertet werden könnte. Ich hätte nicht gewagt, den alltäglichen Horror in einem Konzentrationslager darzustellen. Denn ich habe mir immer gesagt: „Das kann man nicht drehen.“ Deshalb hat es mich gereizt, eine etwas „andere“ Geschichte zu erzählen, über eine groteske Enklave mitten in einem KZ. Mir war es allerdings klar, dass der Film hochpolitisch wird. Deshalb haben wir versucht, nichts zu überzeichnen. Die Tischtennisplatte, zum Beispiel, und viele Details mehr sind authentisch – kein Drehbuchautor hätte sich getraut, solche Dinge zu erfinden. Die Produktionsfirmen haben letztlich auf Authentisches positiv reagiert.

Ist die Zeit also reif für „Paradiesvögel“, die es auch in der nationalsozialistischen Zeit gegeben hat?
Aus Achtung vor den Opfern konnte vieles bislang nicht gezeigt werden. Aber die Generation sowohl der Täter als auch der Opfer stirbt aus. Heute besteht das Kinopublikum vielmehr aus der Enkelkinder-Generation. Dies eröffnet ganz andere Zugänge zu dieser Trauerarbeit.

Haben Sie durch den Film mehr über die Zeit verstanden?
Ja, schon. Wir wussten, dass wir uns in einem Haifisch-Becken bewegten mit starken Emotionen. Um nicht in die ganz vielen Fettnäpfchen zu treten, mussten wir gründlich recherchieren. Deshalb habe ich den Schauspielern immer wieder gesagt, sie sollen viel lesen über die Zeit.

Sind die komödiantischen Aspekte auch authentisch?
In diesem Zusammenhang hat es uns sehr geholfen, dass Veit Stübner – der Darsteller des „Atze“ – aus der DDR kommt, und im SED-Gefängnis gesessen hatte. So sagte er uns: „In einer solchen Situation erzählt man sich Witze“. Denken Sie, auch wenn dies auf einer anderen Ebene geschieht, etwa an „Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch“. Am Ende des besagten „Tages“ kann er doch sagen, dass er irgendwie Glück gehabt hat, dass er etwas zu essen gefunden hat, dass er noch lebt.

Für Authentizität sorgt auch der heute 90-jährige Adolf Burger.
Für mich war es ohne Zweifel sehr bewegend, als Adolf Burger und Jack Plappler, die letzten Überlebenden, am Set waren. Allerdings war der echte Burger noch viel radikaler, als er im Film dargestellt wird. In „Die Fälscher“ ist freilich nicht er die Hauptfigur, sondern der „professionelle“ Fälscher Sorowitsch, weil mich diese Figur fasziniert hat. Er hatte bereits Gefängniserfahrung, wie ich auch in einer Szene deutlich gemacht habe. Sorowitsch beziehungsweise Salomon Smolianoff, wie der echte Fälscher hieß, war ganz anders als die gutbürgerlichen Intellektuelle, die ihn umgaben. Nach dem Krieg fiel er übrigens in Argentinien auf, als er Alte Meister „wiederentdeckte“.

In Ihrem Film stehen sich zwei Positionen gegenüber, die eine gewisse moralische Berechtigung besitzen.
Ich hoffe, dass sich der Zuschauer die Frage stellt: Wie hätte ich mich in einer solchen Situation verhalten? Denn Salomon Sorowitsch hat Recht, aber auch Adolf Burger hat Recht. Alle haben Recht. Es ist also nicht mehr so klar, wer sich richtig verhält. Dies ist im Grunde genommen das Thema des Films. So sind sich noch heute die Überlebenden nicht darüber einig, ob der leitende SS-Offizier der „Operation Bernhard“ nun ein Verbrecher sei, weil er sechs Fälscher umbringen ließ – oder nicht doch ein Held, weil er das Leben der anderen Fälscher gerettet habe.

Ist ein „Happy End“ hier angemessen?
Das „ultimative Happy-End“ steht am Anfang der „Rahmenhandlung“. Da sitzt ein Überlebender mit den Taschen voller Geld und einer schönen Frau im Arm an der Cote d‘Azur. Dann aber stellt er sich die Frage: „Habe ich etwas Falsches gemacht? Habe ich moralisch versagt?“ Davon handelt eigentlich der Film.

Mit Drehbuchautor und Regisseur Stefan Ruzowitzky sprach José García.
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