JUNTA | Garage Olimpo
Filmische Qualität:   
Regie: Marco Bechis
Darsteller: Antonella Costa, Carlos Echeverría, Dominique Sanda, Chiara Caselli, Enrique Pineyro
Land, Jahr: Argentinien/Italien 1999
Laufzeit: 98 Minuten
Genre: Historische Filme
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: G++, S, X


JOSÉ GARCÍA


Als im März 1976 in Argentinien ein Militäraufstand Präsidentin Isabel Perón ihres Amtes enthob, blickte das sudamerikanische Land bereits auf eine lange Tradition von militärischen Staatsstreichen zurück, die sich seit 1930 aneinander reihten. Der populistische General Juan Domingo Perón, der Argentinien in den Jahren 1946 bis 1955 regiert hatte, nach einem Militärputsch ins Exil hatte gehen müssen, schließlich aber im Oktober 1973 durch eine allgemeine Volksabstimmung wieder die Präsidentschaft übernommen hatte, verstarb im Juli 1974. Nachfolgerin wurde seine dritte Frau Isabel Perón; während ihrer Regierung verschlechterte sich die politische und wirtschaftliche Lage des Landes rapide.

Den unter der Präsidentschaft Isabel Peróns herrschenden offenen Terror linker und rechter Gruppierungen verlagerte die Militärjunta um die Generäle Videla, Agosti und Massera in den Untergrund: Während sich im Straßenbild das Leben nach und nach normalisierte, „verschwanden“ in den Jahren 1976–1983 etwa 30 000 Argentinier in illegalen Gefängnissen.

Der Name eines dieser Konzentrationslager – die ehemalige Kfz-Werkstatt „Garage Olimpo“ – dient Marco Bechis als Originaltitel für seinen, mit autobiografischen Elementen durchsetzten Film. Bechis, Jahrgang 1957, war zwanzig Jahre alt, als er von der Geheimpolizei verhaftet und zehn Tage lang mit verbundenen Augen Folter und Misshandlungen ausgesetzt blieb. Bechis hatte Glück: Er wurde in ein ordentliches Gefängnis verlegt; ein mit seinen Eltern bekannter General sorgte für seine Freilassung. Die Figur, die im Mittelpunkt von „Junta“ steht, trägt ebenfalls authentische Züge: die 18jährige Italo-Argentinierin Maria, die in den Slums den Armen Lesen und Schreiben beibringt und in einer Oppositionsgruppe mitarbeitet, wird in die verlassene Werkstatt Olimpo verschleppt. Als „Folter-Spezialist“ dieser Einheit stellt sich der junge Felix heraus, der in Marias eigenem Haus zur Untermiete wohnt. Dies markiert den Beginn einer krankhaften Beziehung: Er, in Maria verliebt, versucht, sie zu beschützen – und seine Stellung als „Beschützer“ auszunutzen. Sie sieht darin ihre einzige Überlebenschance – die sich allerdings als trügerisch erweist: Im Gegensatz zu Marco Bechis kam Maria nie mehr frei; ihre Hinterbliebenen führen derzeit eine Klage gegen den argentinischen Staat.

In „Junta“ hat der Regisseur seine vorwiegend akustischen Erlebnisse im Folterlager eingearbeitet: das stets überlaute Radio, das die Schreie der mit Elektroschocks Gefolterten zu übertönen versucht, und immer wieder die „Ping-Pong“-Klänge der sich die Zeit vertreibenden Peiniger – von der Entdeckung von Tischtennisbällen bei Ausgrabungen in einem Folterkeller wurde in einer von „Arte“ Anfang Juni ausgestrahlten Dokumentation berichtet. Diese banalen Verrichtungen wie etwa auch das Abstempeln an der Stechuhr gehören zusammen mit der eindrücklichen Schlusssequenz zu den Stärken dieses mit einem Dutzend internationalen Preisen ausgezeichneten Films.

Trotz dieser wirkungsvollen Details sowie der emotionell berührenden Geschichte, die sich im theoretisch-politischen Diskurs wohltuend zurücknimmt, ist „Junta“ kein rundum gelungener Film: zu uneinheitlich nehmen sich die dokumentarisch wirkenden Szenen im unterirdischen Gefängnis und die spielfilmartige Inszenierung des „normalen“ Lebens an der Oberfläche aus. Der mitunter voyeuristische Blick auf die Hauptdarstellerin entwertet darüber hinaus die Folterszenen, in denen ihr Körper geschunden wird, die wegen ihrer kruden Bilder den Zuschauer ohnehin auf eine harte Probe stellen.

Dass die argentinische Militärdiktatur auf der Leinwand zurückhaltender und zugleich solider inszeniert werden kann, zeigte auf der Berlinale ein weiterer argentinischer Film: „Kamchatka“, der aus der Perspektive eines zehnjährigen Kindes die Auswirkungen des argentinischen Militärputsches auf eine gutbürgerliche Familie erzählte. „Kamchatka“ verzichtete auf jegliche Effekte –die Bedrohung blieb immer im Hintergrund. Leider hat sich bislang kein deutscher Verleih gefunden, der „Kamchatka“ ins reguläre Kinoprogramm bringt.
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