SHOOTING DOGS | Beyond the Gates
Filmische Qualität:   
Regie: Michael Caton-Jones
Darsteller: John Hurt, Hugh Dancy, Dominique Horwitz, Claire-Hope Ashitey, Louis Mahoney, Nicola Walker, Steve Toussaint
Land, Jahr: Großbritannien / Deutschland 2005
Laufzeit: 114 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G
im Kino: 5/2007


José García
Foto: timebandits

Zu den furchtbarsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit in einem an solchen Ereignissen nicht gerade armen ausgehenden 20. Jahrhundert gehört ohne Zweifel der Völkermord in Ruanda im April 1994. Nach dem ungeklärten Attentat auf das Flugzeug des damaligen Präsidenten ergriff die Bevölkerungsmehrheit der Hutus die Gelegenheit, die verhasste dominierende Minderheit der Tutsis auszulöschen. Vor den Augen der Vereinten Nationen, die sich nicht zum Eingreifen durchringen konnten, wurden zwischen Mai und Juli 1994 rund 800 000 Menschen grausam ermordet.

Im Jahre 2004 thematisierte der in Sachen Gewalt zurückgenommene, aber nichtsdestoweniger emotionale Spielfilm „Hotel Ruanda“ (siehe Filmarchiv) den Völkermord aus der Sicht des Hotelbesitzers Paul Rusesabagina. Der auf historischen Tatsachen beruhende Film konzentrierte sich auf einen Zufluchtsort im Krieg: das von Rusesabagina geleitete „Des Mille Collines“-Hotel, in dem mehr als 1200 Menschen vor mordenden Hutus Schutz suchten.

Eine weitere Zufluchtstätte während des Massakers in Ruanda steht nun im Mittelpunkt des Spielfilms, der nach mehreren Filmfestival-Teilnahmen in den Jahren 2005 und 2006 nun im regulären Kinoprogramm anläuft: Michael Caton-Jones’ „Shooting Dogs“ („Beyond the Gates“), der den Genozid an den Tutsis erneut behandelt.

Nach Beginn des Massakers flüchten sich Schwarze wie Weiße in eine internationale Schule in Ruandas Hauptstadt Kigali, die der britische Missionar Pater Christopher (John Hurt) leitet. Dort verbringt ein Auslandsjahr der junge, idealistische Lehrer Joe Connor (Hugh Dancy). In der Missionsschule beziehen Stellung belgische UN-Soldaten unter Capitaine Charles Delon (Dominique Horwitz). Das Refugium stellt sich allerdings bald als Gefängnis heraus, aus dem es für Tutsis kein Entkommen gibt. Lediglich die Europäer, die in der Schule ebenfalls Zuflucht gefunden hatten, werden von den UN-Soldaten rechtzeitig außer Landes gebracht. Ähnlich „Hotel Ruanda“ schildert „Shooting Dogs“ das Versagen der Weltgemeinschaft schonungslos.

„Shooting Dogs“ richtet seine Aufmerksamkeit indes auf das moralische Dilemma, mit dem seine Protagonisten konfrontiert werden: Nachdem die UN-Truppen den Befehl zum Abzug erhalten haben, stehen der Lehrer und der Missionar vor der Entscheidung, sich selbst zu retten oder mit seinen Freunden in den sicheren Tod zu gehen. Insbesondere eine Szene, in der mitten im Chaos Pater Christopher sich in aller Seelenruhe für die Eucharistiefeier ankleidet, während er Joe den Standpunkt des Priesters darlegt, liest sich wie eine filmische Hommage an die unzähligen Missionare, die ihr Leben auf der ganzen Welt gelassen haben. Dass selbst in einer solchen „Hölle“ Hoffnung auf Vergebung und Erlösung geben kann, führt „Shooting Dogs“ dem Zuschauer eindringlich, aber zugleich zurückhaltend vor Augen.

Ein John Hurt in Höchstform verkörpert den zwar fiktiven, jedoch an den echten kroatisch-bosnischen Priester P. Vjeko Curic angelehnten Pater Christopher. Der Franziskaner Vjeko Curic, der 1994 Tausenden von Menschen das Leben rettete, ist insofern mit der Entstehungsgeschichte von „Shooting Dogs“ verwoben, als er im Mai 1994 dem BBC-Team von David Belton Schutz vor den Hutus gewährte. Beltons Erlebnisse flossen in das Drehbuch von „Shooting Dogs“ ein, den er auch mitproduzierte.

Nach dem Genozid startete Pater Curic Hausbauprojekte in Ruanda, „Projekte des Friedens und der Versöhnung“. Nachdem er bereits 1996 einem Anschlag nur knapp entkommen konnte, wurde Vjeko Curic am 31. Januar 1998 ermodert. Zu seinem Tod sagte tags darauf Papst Johannes Paul II. nach dem Angelus auf dem Petersplatz: „Er ist ein weiteres Opfer in der langen Reihe von Missionaren, die ihre Liebe zu Christus und zum afrikanischen Volk mit der Hingabe ihres Lebens bezeugt haben“.

Obwohl der Musikeinsatz hin und wieder aufs Überwältigen zielt, geht „Shooting Dogs“ mit der bildlichen Darstellung der Gewalt genauso wohltuend sparsam um wie „Hotel Ruanda“. Regisseur Caton-Jones gelingt es, mit seinem an den Originalschauplätzen gedrehten Film eine in Abgrenzung zu „Hotel Ruanda“ eigenständige Sicht der schrecklichen Ereignisse zu bieten. Die Beteiligung etlicher Überlebender des Massakers bei der Produktion von „Shooting Dogs“, die im Abspann gezeigt werden, verleiht dem Spielfilm von Michael Caton-Jones zusätzliche Authentizität.
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