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JOSà GARCÃA Kinder können sich zuweilen ganz furchtbar einsam fühlen und sehnlichst einen Freund wünschen. Dies wissen auch die Autoren von Kinderbüchern und -filmen: In einem der besten Animationsfilme des vergangenen Jahres, dem Disney-Zeichentrickfilm âLilo & Stitchâ betete das fünfjährige hawaiianische Mädchen Lilo um âeinen Freund â jemanden, der nicht sofort wegläuftâ. Die Waise Lilo, die von ihrer älteren Schwester Tina grossgezogen wird, darf sich dann einen Hund als Spielkameraden aussuchen. Ein Hund wäre ebenfalls dem siebenjährigen Lillebror das liebste Geschenk. Der Junge lebt mit seiner Familie in Stockholm und sehnt sich wie Lilo nach einem Spielgefährten. Denn seine Schwester und sein Bruder sind Lilos Schwester Tina ähnlich bereits Teenager und kaum an ihrem kleinen Bruder interessiert. Lillebrors Begeisterung kennt deshalb keine Grenzen, als eines guten Tages ein rundlicher Kerl mit einem Propeller auf dem Rücken zu seinem Fenster angeflogen kommt. Dieser stellt sich als Karlsson vom Dach vor. Nicht gerade bescheiden behauptet der fröhlichen Kerl im mittleren Alter von sich âder weltbeste Karlssonâ und sehr klug obendrein zu sein. Zu seiner unendlichen Angeberei gesellen sich noch weitere Eigenschaften hinzu, die Lillebror und der Zuschauer bald entdecken: Gefrässigkeit, Egoismus und eine unbändige Lust, Leute zu ärgern. Obwohl jede Begegnung mit dem Chaoten zu einer Katastrophe führt, freut sich der einsame Junge riesig darüber, endlich einen Freund gefunden zu haben. Welcher Siebenjähriger wird denn schon von einem Kameraden zu einem Flug über den Dächern der Stadt eingeladen? Karlsson nimmt Lillebror sogar in sein kleines Haus auf dem Dach eines Mietshauses in Vasastan, mitten in Stockholm, mit. Die Figur des âKarlsson vom Dachâ geht auf Astrid Lindgren (1907â2002) zurück, die ihre Geschichten um Lillebror und den gefrässigen Mann mit einem Propeller auf dem Rücken ab 1955 schrieb. Zusammen mit âPippi Langstrumpfâ gehört Karlsson zu Lindgrens Figuren, die durchweg zu Klassikern der Kinderbuchliteratur wurden. Nicht nur in der äusseren Gestalt, sondern vor allem in ihrer rotzfrechen Art ähnelt dem rundlichen Karlsson eine beliebte deutsche Kinderbuchfigur: âdas Samsâ. Die Realverfilmung âDas Samsâ wurde ein Meisterwerk des Kinderfilms und ein grosser Kassenerfolg dazu, zum einen dank der idealen Besetzung der Haupt- und zahlreicher Nebenrollen, zum andern aber auch wegen des genialen Wechselspiels zwischen erwachsenem und kindlichem Verhalten, das Jung und Alt gleichermassen anspricht. Während aber âDas Samsâ einer unaufdringlichen, aber wirksamen Pädagogik verpflichtet ist, und selbst aus dem Bösewicht âExperiment 626â in âLilo & Stitchâ durch die Geborgenheit der Familie ein lieber Freund wird, lässt der angeberische und egoistische âKarlsson auf dem Dachâ jegliche Wandlung in seiner Lebensführung vermissen. Zur schnippischen Figur des Karlsson kontrastiert darüber hinaus optisch die niedlich-natürliche Zeichnung, die im Film dominiert. Eine solche geradlinige Animation passt eher zur episch-getragenen Erzählweise und den darin transportierten traditionellen Werten etwa von âSpirit â Der wilde Mustangâ, kaum aber zu den Streichen des gefrässigen Angebers. Dass Karlssons Figur dennoch liebenswert bleibt, liegt nicht allein an seiner unbekümmerten, zu allerlei Spässen aufgelegten Art und an seinem Erfindungsreichtum etwa bei der Ergreifung zweier Einbrecher. Zumindest in der deutschen Fassung besitzt Karlsson darüber hinaus einen entscheidenden Vorteil in der Stimme von Jürgen Vogel. Der deutsche Schauspieler, der seine erste Kinderfilmerfahrung 2000 in âEmil und die Detektiveâ sammelte, in dem er mit sichtlichem Vergnügen den Gangster Max Grundeis spielte, leiht Karlsson seine lausbübische Stimme. Die von ihm prägnant gesprochenen Sätze â von Karlssons Standard-Begrüssung âHeissa Hopsaâ bis zu âdas stört keinen grossen Geistâ â setzen spassige Akzente. Sie gehören zu den durchaus witzigen Höhepunkten von âKarlsson vom Dachâ. |
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