ALS DER WIND DEN SAND BERÜHRTE | Si le vent soulève les sables
Filmische Qualität:   
Regie: Marion Hänsel
Darsteller: Issaka Sawadogo, Carole Karemera, Asma Nouman Aden, Said Abdallah Mohamed
Land, Jahr: Belgien / Frankreich 2006
Laufzeit: 96 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G
im Kino: 7/2007
Auf DVD: 1/2008


José García
Foto: Kinowelt

Zu den neuen Trends, die seit einiger Zeit im Kino beobachtet werden können, gehört zweifellos die Einbeziehung Afrikas als Filmschauplatz. Spielfilme wie „Blood Diamond“ (siehe Filmarchiv) und „Shooting Dogs” (siehe Filmarchiv) haben den Blick auf die Probleme des schwarzen Kontinents geschärft, etwa auf die Bürgerkriege und deren Finanzierung sowie auf die damit einhergehende Korruption.

Diese Filme zeichnen sich allerdings durch einen ausgeprägten europäischen Blick aus, wobei etwa in „Blood Diamond“ Afrika zuweilen lediglich die Folie bildet, auf der sich eine actiongeladene Story erzählen lässt. Die Innenansicht des Kontinents und seiner Menschen bleibt Nebenhandlungen vorbehalten. Selbst Gavin Hoods mit dem Oscar 2006 für den „besten nichtenglischsprachigen Film“ ausgezeichneter Spielfilm „Tsotsi“ (siehe Filmarchiv), der vom Überlebenskampf unter Jugendlichen in einem Ghetto am Rand von Johannesburg handelt, entgeht nicht den Klischees einer typischen Hollywood-Inszenierung. „Tsotsi“ könnte genauso gut in irgendeinem Vorort einer europäischen Großstadt angesiedelt sein.

Ganz anders Marion Hänsels „Als der Wind den Sand berührte“ („Si le vent soulève les sables“), der von einem grundlegenden Problem Afrikas erzählt: von der Versteppung und der mit der Ausweitung der Wüste verbundenen Wasserknappheit sowie deren Auswirkungen. Um diese abstrakten Begriffe erlebbar zu machen, bereitet sie die Regisseurin dramaturgisch in einer fiktiven Geschichte auf.

Der im Jahre 2006 am Wettbewerb des Filmfestivals von San Sebastian beteiligte „Als der Wind den Sand berührte“ beginnt mit einer überaus dramatischen Exposition: Die junge Mouna (Carole Karemera) bekommt ihr drittes Kind, ein Mädchen. Der Vater, der Dorflehrer Rahne (Issaka Sawadogo), erhält vom Dorfältesten den Rat, das Baby zu ersticken. Die Mutter weigert sich jedoch. Mouna hat dem Gespräch der Männer gelauscht und flieht festentschlossen mit dem Kind. Rahne beugt sich. Er akzeptiert Shasha, wie die Kleine heißen soll.

Nun macht der Film einen Sprung von etwa sieben Jahren. Aufgrund des Wassermangels sieht sich Rahnes Familie wie die anderen Dorfbewohner gezwungen, das Dorf zu verlassen. Während sich die meisten Dorfbewohner für den Süden entscheiden, glaubt Rahne seine Zukunft und die seiner Familie im Osten finden zu können. So bricht er mit seiner Frau Mouna, den drei Kindern und ihrer kleinen Ziegenherde sowie dem Dromedar „Chamelle“ zu einer Wanderung auf, die durch Kriegsgebiete und die Wüste führt.

Obwohl „Als der Wind den Sand berührte“ auf einer literarischen Vorlage – dem Roman „Chamelle“ von Marc Durin-Valois – basiert, mutet der Film über weite Strecken wie eine Dokumentation an. Dies ist größtenteils auf die Kamera von Walter Vanden Ende zurückzuführen, die meistens der Familie einfach folgt, ohne viel über die Figuren zu enthüllen. Dieser halbdokumentarische Charakter eröffnet auf der anderen Seite den Blick für den heimlichen Protagonisten von Marion Hänsels Film: die bezaubernd schöne, aber auch lebensbedrohliche Wüste. Eher beiläufig erzählt „Als der Wind den Sand berührte“ von einem Skandal Afrikas, von den marodierenden Truppen. So bietet der Familie etwa eine Gruppe Soldaten, die einen Brunnen bewachen, Wasser und Schutz – als Gegenleistung muss Rahne den verbrecherischen Soldaten jeden Tag ein Tier abliefern. Die wahren Absichten der Soldaten erkennt Rahne noch rechtzeitig. So kann er mit seiner Familie entkommen. Bald aber geraten sie in die Hand von noch schlimmeren Banditen, die einen der Söhne entführen, um aus ihm einen Kindersoldaten zu machen. Für die Rebellen soll die kleine Shasha sogar als Versuchskaninchen durch ein Minenfeld laufen.

Diese gehören zu den wenigen emotionsgeladenen Momenten in einem Film, der ohne viel Pathos auskommt. Dadurch weitet sich die Familiengeschichte zu einer allgemein gültigen Erzählung über die Lage Afrikas. Marion Hänsel hält das Gleichgewicht zwischen der bloßen Reportage und der Ästhetik eines Hollywood-Filmes. Dazu trägt ebenfalls auch das leicht elliptische Erzählen, sowie insbesondere der wirkungsvolle Schnitt bei.
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