AUF ANFANG [:REPRISE] | Reprise
Filmische Qualität:   
Regie: Joachim Trier
Darsteller: Espen Klouman Høiner, Anders Danielsen Lie, Christian Rubeck, Pål Stokka, Odd-Magnus Williamson, Viktoria Winge, Rebekka Karijord, Silje Hagen
Land, Jahr: Norwegen / Schweden 2006
Laufzeit: 105 Minuten
Genre: Zwischenmenschliche Beziehungen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: X
im Kino: 8/2007
Auf DVD: 6/2008


José García
Foto: MFA +

Zu den Lieblingsfiguren von Filmdrehbuchautoren gehören junge, kreative Menschen. Für die Branche, in der besagte junge Menschen ihrer schöpferischen Arbeit nachgehen, wählen Regisseure und Autoren bevorzugt die Werbe- oder eben die Filmbranche. Dass die Protagonisten eines Kinofilmes angehende Schriftsteller sein sollen, ist höchst ungewöhnlich. Wenn sie die Hauptrollen in einem Spielfilmdebüt spielen, dann beweist der Regisseur darüber hinaus viel Mut.

Der norwegische Regisseur Joachim Trier, der zusammen mit Eskil Vogt auch das Drehbuch mitverfasst hat, erzählt von den Freunden Erik (Espen Klouman Høiner) und Phillip (Anders Danielsen Lie), die am Anfang ihrer Karriere als Schriftsteller stehen. In der Eingangssequenz sieht sie der Zuschauer ihr jeweiliges Manuskript in den Briefkasten werfen. Was folgt, schildert Trier zunächst einmal als Hypothese: Die zwei Bücher würden, wenn auch keine kommerziellen Erfolge, so doch etwas wie „Kult-Klassiker“. Nach Auslandsaufenthalten und Schaffensperioden mit Höhen und Tiefen würden Erik und Phillip Jahre später sogar an einem gemeinsamen Buch arbeiten.

Nachdem Joachim Trier die Biografien von Erik und Phillip mit im schnellen Tempo geschnittenen kurzen Sequenzen dargeboten hat, macht der Regisseur einen scharfen Schnitt. Der Film geht – daher auch der Titel – zurück „auf Anfang“. So erscheint erst jetzt der Filmtitel. Die Bilder wechseln von schwarzweiß auf Farbe, was anzeigt: Der Film verlässt seine konjunktivische Ebene, die Geschichte von Erik und Phillip beginnt eigentlich erst jetzt. Die Buchmanuskripte werden erneut in den Briefkasten geworfen. Die Lebensläufe der zwei Freunde führen allerdings nun in unterschiedliche Richtungen.

Denn Eriks Manuskript wird vom Verlag abgewiesen, Phillips Buch ein Erfolg. Der zum Liebling der norwegischen Kulturszene avancierte Phillip kommt mit dem Erfolg allerdings nicht zurecht. Sechs Monate später wird er aus einer psychiatrischen Klinik entlassen. Erik holt ihn zusammen mit ein paar Freunden ab.

Phillip versucht seine ehemalige Freundin Kari (Viktoria Winge) zurückzugewinnen, weil er davon überzeugt ist, dass seine Rückkehr zur Normalität mit dem Gleichgewicht in Sachen Liebe verknüpft ist. Der Film entwickelt sich zunehmend zu einem Dreiecksverhältnis zwischen Erik, Phillip und Kari.

Wie bereits andere Filme, welche die literarische Arbeit zum Sujet haben, etwa Spike Jonzes „Adaption“ (2002, siehe Filmarchiv) oder Marc Forsters „Schräger als Fiktion“ (2006, siehe Filmarchiv), arbeitet „Auf Anfang“ mit einer nicht-linearen Erzählstruktur. Dies zeigt sich nicht nur in dem bereits angesprochenen Sprung zurück „auf Anfang“. Auch später – etwa bei einer gemeinsamen Reise von Phillip und Kari nach Paris¬ – weiß der Zuschauer nicht, ob es sich um die Wirklichkeit, um Erinnerungen oder auch um Wunschvorstellungen handelt.

Sein überaus literarisches Konzept verfolgt „Auf Anfang“ nicht so sehr durch die literarisch anspruchsvollen Texte des Off-Erzählers, sondern eher durch diese Verwischung der Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen der Realität und der Vorstellungswelt, entfalten doch weltbekannte zeitgenössische Schriftsteller ihre Geschichten auf unterschiedlichen Zeitebenen, vermischen auch sie Reales mit Traumwelten.

Dieses Konzept geht mit für ein Spielfilmdebüt erstaunlich sicherer Hand vollends auf, so dass es nicht verwundert, dass „Auf Anfang“ („Reprise“) mehrfach ausgezeichnet und von Norwegen offiziell für die Nominierungen zum Oscar 2007 für den besten nicht-englischsprachigen Film vorgeschlagen wurde. Dabei ist Triers Film alles andere als verkopft, denn er lässt seine Figuren zu Menschen aus Fleisch und Blut werden. „Auf Anfang“ behandelt darüber hinaus Themen, die auf junge Erwachsene zielen, etwa die Vereinbarkeit von Liebe und Beruf sowie die Bedeutung, die den eigenen Wünschen und Träumen beigemessen wird, sowie die Wichtigkeit von Entscheidungen, von denen der weitere Verlauf eines Lebens abhängt. Zum Lebensgefühl der porträtierten Generation trägt insbesondere auch der hervorragend zusammen gemischte Soundtrack bei.
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