HALF MOON | Niwe mang
Filmische Qualität:   
Regie: Bahman Ghobadi
Darsteller: Ismail Ghaffari, Allah Morad Rashtiani, Hedye Tehrani, Hassan Poorshirazi, Golshifteh Farahani
Land, Jahr: Iran / Österreich / Frankreich 2006
Laufzeit: 107 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 8/2007
Auf DVD: 1/2008


José García
Foto: Pandora Film

Seit Bahman Ghobadi beim Filmfestival Cannes 2000 mit seinem ersten Spielfilm „Die Zeit der trunkenen Pferde“ (siehe Filmarchiv) die „Camera d’Or“ für ein Erstlingswerk gewann, gehört der 1969 geborene Regisseur kurdisch-iranischer Abstammung zu den großen Hoffnungen des internationalen Kinos. Mit seinen nächsten, mehrfach ausgezeichneten Filmen „Verloren im Irak“ (2002, siehe Filmarchiv) und „Schildkröten können fliegen“ (2004, siehe Filmarchiv) setzte Ghobadi seinen halbdokumentarischen Inszenierungsstil fort. Seinen bisherigen drei Spielfilmen gemeinsam ist darüber hinaus Ghodabis Anliegen, auf die Lage des kurdischen Volks aufmerksam zu machen.

Im nun anlaufenden vierten Ghobadi-Film „Half Moon“ („Niwemang“, 2006) scheint der kurdische Drehbuchautor und Regisseur an „Verloren im Irak“ anzuschließen. Darin macht sich der alte Musiker Mirza nach dem Krieg zwischen dem Iran und dem Irak mit seinen zwei Söhnen auf den Weg, um seine vor 23 Jahren verschwundene, noch immer geliebte Frau Hanareh zu suchen.

Im Mittelpunkt von „Half Moon“ steht erneut ein alternder bekannter Musiker, Mamo (Ismail Ghaffari), der nach Jahrzehnten der Unterdrückung die Erlaubnis für einen Auftritt im Irak erhalten hat. Zusammen mit seinen zehn Söhnen bricht er in den Irak auf, wo er anlässlich des Sturzes von Saddam Hussein ein großes Konzert geben will, das er als symbolischen „Schrei der Freiheit“ versteht. Musik wird gerade für die Kurden als Moment der nationalen Identität angesehen.

Aber zunächst muss Mamo seinen treuen Freund Kako überzeugen, dass er ihn und seine Söhne in seinem klapprigen Bus über die Grenze bringt. Nacheinander steigen in den Bus die zehn Söhne Mamos, die ihn wie in den alten Zeiten als Orchester begleiten sollen. Mamo hat zwar für sie alle Transitpapiere bekommen, aber nicht für Hesho, die ehemalige Sängerin.

Mamo besteht indessen auf die Teilnahme Heshos: Für seine Musik kommt nur die Stimme einer jungen Frau in Frage. Deshalb fahren die Musiker zunächst einmal zu dem (fiktiven) „Dorf der verbannten Sängerinnen“, wo Hesho mit 1334 anderen Frauen lebt. Mamo gelingt es, sie aus dem Dorf heraus und in einem Versteck im Bus über die Grenze zu schmuggeln. Ein paar Mal probt sie nun mit dem alten Mann während der Fahrt.

Diese Fahrt ist allerdings mit allerlei Schwierigkeiten verbunden. Schließlich wird Hesho von Grenzsoldaten entdeckt, die darüber hinaus de Instrumente von Mamos Söhnen zerstören. Wie aus dem Nichts taucht eine geheimnisvolle junge Frau mit dem hübschen Namen Niwemang („Halbmond“) auf, die Mamo verspricht, dass er an diesem Abend mit seinen Söhnen auf der Bühne stehen wird.

Spätestens hier verlässt der Film die realistische Ebene, um schön vom neuseeländischen Kameramann Nigel Bluck eingefangene surreale Bilder aus der abgelegenen kurdischen Bergwelt im Grenzgebiet zwischen dem Iran und dem Irak zu liefern, in denen der Tod immer präsent ist.

Damit setzt sich aber auch Bahman Ghobadi von seinem bisherigen halbdokumentarischen Stil ab, um sich etwa dem iranischen Kino eines Abbas Kiarostami (insbesondere „Der Geschmack der Kirsche“) anzunähern. Zwar bleibt er seinem Sujet treu, den Lebensbedingungen des kurdischen Volkes zu zeigen. Die filmische Bildersprache wird jedoch von einem magischen Realismus geprägt, der stellenweise an das Kino des bosnischen Regisseurs Emir Kusturica gemahnt.

So erweist sich „Half Moon“ als eine Fortsetzung von „Verloren im Irak“ mit anderen Gestaltungsmitteln. Die durchaus komischen und romantischen Züge, die „Verloren im Irak“ noch besaß, werden hier von der Symbolik ersetzt. Denn das Konzert im Irak, für das Mamo und seine Söhne alle Beschwernisse auf sich nehmen, besitzt metaphorischen Charakter. Bahman Ghobadi bleibt indes in politischer Hinsicht seinen früheren Filmen treu: Auf die Unterdrückung der Kurden hinzuweisen.

„Half Moon“ entstand als Beitrag zum Mozart-Jahr 2006. In Interviews führt Regisseur Ghobadi denn auch aus, dass sein Film eine Hommage an Mozart sei: „Mozarts Requiem hat mich zu diesem Film geführt. Während des Schreibens und Filmens musste ich immer wieder über Mozart und Mamo am Ende ihrer beider Leben nachdenken“. Wie Mozart kämpft Mamo für seine musikalische Vision bis zum Schluss.
Diese Seite ausdrucken | Seite an einen Freund mailen | Newsletter abonnieren