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José GarcÃa Foto: Prokino Vor vier Jahren wurde Agnès Jaouis Regieerstling âLust auf anderesâ (âLe goût des autresâ) mit dem französischen Filmpreis âCésarâ in vier Kategorien ausgezeichnet und darüber hinaus für den Oscar nominiert. Der Erfolg kam freilich nicht von ungefähr, hatte sich doch die französische Regisseurin mit âTypisch Familieâ (1996) und âDas Leben ist ein Chansonâ (1998) bereits als Drehbuch-Mitautorin einen Namen gemacht. âLust auf anderesâ überraschte wegen seiner Doppelbödigkeit: vordergründig eine Satire auf Kulturbanausentum, dekuvrierte der Film â dessen Drehbuch erneut von Agnès Jaoui und ihrem Ehemann Jean Pierre Bacri stammte â den Dünkel einer Künstlerwelt, die sich für souverän hält, aber eigentlich vom âGeschmack der anderenâ (so der Originaltitel) völlig abhängig ist. Dass die zwei weiblichen Protagonisten von âLust auf anderesâ die biologische Uhr immer lauter ticken hören, und sich nichts sehnlicher als Kinder und eine Familie wünschen, erzürnte gewisse Linksintellektuelle, konnte aber den Publikumserfolg nicht schmälern. Das präzis beobachtete Beziehungsgeflecht litt allerdings mitunter an einem uneinheitlichen Rhythmus der unterschiedlichen Parallelstränge. Das erneut vom Gespann Jaoui-Bacri geschriebene Skript für âSchau mich an!â enthält keine Parallelhandlungen im eigentlichen Sinne. Vielmehr folgt das Drehbuch einer spiralförmigen Struktur: den Mittelpunkt des Filmes bildet die zwanzigjährige (Marilou Berri), die dem Schönheitsideal der Werbung kaum entspricht, und auÃerdem unter der Nichtbeachtung durch ihren Vater, den eitlen, allseits umschwärmten Schriftsteller und Verleger Etienne (Jean-Pierre Bacri), leidet. Die Erfahrung, dass sich andere Menschen stets erst dann für sie interessieren, wenn sie von ihrem berühmten Vater hören, macht auch bei ihrer Gesangslehrerin Sylvia (Agnès Jaoui). Sylvia erkennt in Etiennes Bekanntschaft die Chance, der bisher nicht besonders erfolgreichen Karriere ihres Mannes Pierre als Schriftsteller neuen Auftrieb zu geben. Der Reigen an Gesellschaftsporträts, der damit beginnt, erinnert an die besten Filme Woody Allens aus den achtziger Jahren. Und tatsächlich gibt es in âSchau mich an!â eine lange Einstellung, die als Hommage auf Allens berühmtesten Film âDer Stadtneurotikerâ gelesen werden kann. âDer Stadtneurotikerâ enthält eine in der Filmliteratur viel diskutierte Totale: zwei Freunde gehen gemeinsam auf dem Bürgersteig, der Kamera entgegen. Zuerst kaum sichtbar, kommen sie näher und näher auf die Kamera zu. Die Szene in âSchau mich an!â, in der Sylvia und Pierre zum ersten Mal Etienne besuchen wollen, zitiert offensichtlich diese Einstellung: Der Zuschauer hört sie viel früher, als er sie sieht. Jaouis Ensemblefilm thematisiert durch die Vater-Tochter- sowie durch die Beziehung zwischen dem erfolglosen Schriftsteller und dem Starverleger die Sehnsucht nach Anerkennung sowie den Preis, den die Menschen dafür zu zahlen bereit sind. Eine Frage der Machtausübung gewissermaÃen. Dazu erklärt Agnès Jaoui: âDas Problem war weniger die Perspektive des Tyrannen einzunehmen, als die Position desjenigen, der sich der Unterdrückung beugt.â Der vielschichtige Film spricht freilich noch eine weitere Tyrannei an: mit immer wieder in den Film eingeschnittenen Plakaten und TV-Spots aus der Modebranche geiÃelt Agnès Jaoui das vom âGeschmack der anderenâ oktroyierte Image. Etienne, Pierre, Sylvia, und noch andere: die akribisch gezeichneten Charakterstudien stellen Menschen dar, die âstets zu wissen glauben, was sie an Stelle der anderen tun würden. Doch sie haben keinen blassen Schimmer, wie man sich selbst richtig verhält.â (Jaoui). Der französischen Regisseurin gelingt es, eine Satire um den Widerstand gegen ein von der Gesellschaft vorgeschriebenes, aus Schönheit und Erfolg bestehendes âImageâ zu inszenieren. Die Persiflage kommt indes dank des geistreichen Dialogwitzes, einer wunderbar klassischen Musik und der tiefgründigen Komik ohne saures Moralin aus. âSchau mich an!â gehört zweifellos zu den besten Spielfilmen des Kinojahres. Mit ihrer intelligenten Gesellschaftsstudie beweist Agnès Jaoui, dass sie zu den anregendsten Filmemachern Europas zählt. |
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