MY BLUEBERRY NIGHTS | My Blueberry Nights
Filmische Qualität:   
Regie: Wong Kar-wai
Darsteller: Norah Jones, Jude Law, Rachel Weisz, Natalie Portman, David Strathairn, Chan Marshall, Tim Roth, Ed Harris, Benjamin Kanes, Geoff Falk, Bill Hollis, Arnita Williams
Land, Jahr: USA / Hongkong / China 2007
Laufzeit: 95 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: G
im Kino: 1/2008
Auf DVD: 7/2008


José García
Foto: Prokino

Wong Kar-wais Filme zeichnen sich durch eine melancholische Stimmung und durch einen eigenwilligen Umgang mit der Zeit und dem Raum aus. Seine Filmwelt wird von Menschen bevölkert, die in einem klaustrophobisch wirkenden Zeit-Raum-Gefüge gefangen sind, weil sie meistens einer unerfüllten Liebe nachtrauern.

Die schwermütige Atmosphäre drückt der aus Shanghai stammende, in Hongkong aufgewachsene Wong mit einer ihm eigenen Filmsprache aus, die bereits in „Chungking Express“ (1994) voll ausgebildet ist und in „In der Mood for Love“ (2000) ihren bisherigen Höhepunkt erreichte. Mit der Handkamera eingefangene, bunt-grelle Bilder in eigenwilligen Bildausschnitten, die durch Zeitlupe und Zeitraffer verfremdet werden, avancierten zu den Markenzeichen seines individuellen Stils.

In seinem letzten, mit dem Europäischen Preis für den besten nicht-europäischen Film ausgezeichneten Filmwerk „2046“ (2004, siehe Filmarchiv) führte Wong sein visuelles Konzept noch weiter: „2046“ variiert immer wieder dieselben Einstellungen, um Vergangenheit und Zukunft, um Zeit und Raum zu verschmelzen, und dadurch Themen wie die Flüchtigkeit der Liebe und die Einsamkeit in Bilder umzusetzen. Mit „2046“ vollendet der chinesische Regisseur eine Film-Grammatik, die sich dem Vorrang des Bildes und der Musik vor der klassischen Erzählung verschrieben hat.

Nun wagt Wog Kar-wai den Sprung in die Vereinigten Staaten, um zum ersten Mal mit amerikanischen Schauspielern an amerikanischen Schauplätzen zu drehen. Die Sängerin Norah Jones spielt in ihrer ersten Kinorolle Lizzie, die sich mit gebrochenem Herzen ins New Yorker Café von Jeremy (Jude Law) stürzt. Der verständnisvolle Cafébesitzer verwöhnt die junge Frau mit Blaubeerkuchen an mehreren Abenden, aber ehe die zart entstehende Freundschaft tiefe Wurzeln schlagen kann, verlässt Lizzie Hals über Kopf die Stadt. Um ihre gescheiterte Liebesbeziehung zu vergessen, zieht sie von einem Kellnerinnen-Job zum nächsten durch das halbe Land: In Tennessee freundet sich Lizzie mit dem liebeskranken Polizisten Arnie (David Strathairn) an, der von seiner Frau Sue Lynne (Rachel Weisz) verlassen wurde. Später lernt Lizzie die Pokerspielerin Leslie (Natalie Portman) kennen, mit der sie nach Las Vegas fährt. Doch Jeremy und seinen Blaubeerkuchen kann Lizzie auf dieser Reise, die vordergründig durch die Vereinigten Staaten, aber eigentlich zu sich selbst führt, nicht vergessen.

„My Blueberry Nights“ unterscheidet sich von den vorangegangenen Spielfilmen Wong Kar-wais indes nicht nur durch die veränderte Szenerie und die westlichen Schauspieler. Zum ersten Mal arbeitet der chinesische Regisseur nicht mit dem australischen Kameramann Christopher Doyle zusammen. Nun führt die Kamera Darius Khondji, der sowohl für Caro und Jeunet („Delicatessen“) als auch für David Fincher („Sieben“, „Panic Room“) arbeitete. Für das Produktionsdesign sowie für den Schnitt zeichnet in einer einzigartigen Personalunion freilich weiterhin William Chang Suk Ping verantwortlich, der seit 1988 zu den engsten Mitarbeitern Wong Kar-wais zählt.

Veränderung und Dauerhaftigkeit: Das Gleichgewicht zwischen beiden Polen prägt „My Blueberry Nights“. Ein gutes Beispiel dafür liefert etwa eine Szene, in der Rachel Weisz eine Bar betritt. Der Schauplatz mag sehr verschieden sein, die Einstellung in Zeitlupe gemahnt unweigerlich jedoch an Maggie Cheung in ähnlichen Bildkompositionen aus „In der Mood for Love“. Mag auch die Musik anders als Shigeru Umebayashis Filmmusik für „In der Mood for Love“ und „2046“ aus Soul, Blues und Jazz zusammengesetzt sein. Was aber bleibt, ist die Rhythmisierung der Bilder durch die Musik wie in früheren Filmen Wong Kar-wais.

Wongs neuer Film hält darüber hinaus die Balance zwischen den Roadmovie-Breitwandbildern und den beengten Bildausschnitten in den Innenräumen sowie zwischen dem episodischen Charakter der verschiedenen Stationen in Lizzies Amerikatrip und der Rahmenerzählung. „My Blueberry Nights“ liefert aber auch eine perfekt ausbalancierte Mischung aus der klassisch narrativen Erzählform des Kinos und Wongs eigener Filmsprache, die dem musikalischen Bild den Vorrang einräumt.
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